Das feinfühlige Drama aus der französischen Schweiz führt zwei leidgeplagte Menschen unterschiedlichen Alters zusammen: einen alten Mann, der seine Wohnung nicht aufgeben will, und eine junge Krankenpflegerin, die über den Verlust ihres Babys nicht hinwegkommt. Ihre Freundschaft hilft beiden aus der Sackgasse, in der sie sich befinden. Der Film besticht in erster Linie durch das herausragende Spiel des 85-jährigen Michel Bouquet als Edmond.
Der französische Schauspieler Michel Bouquet stand schon für Francois Truffaut vor der Kamera und hat eine reiche Bühnenerfahrung. Nur ein Profi wie er hätte die schwierige Rolle des gebrechlichen Alten so glaubhaft darstellen können. Aber es ist trotzdem erstaunlich, wie Bouquet es anstellt, Edmond mal starr und überfordert, dann wiederum aufmerksam und mitfühlend erscheinen zu lassen. Der einsame Mann ist eben beides: in manchen Dingen hilfsbedürftig, in anderen gar nicht. Mit seiner störrischen Verbitterung wehrt er nicht nur seinen Sohn ab, sondern auch seine Krankenpflegerin Rose, die ihn zuhause aufsucht. Sie machen Ihre Arbeit schlecht!, wirft er ihr an den Kopf.
Aber Rose, gespielt von Florence Loiret-Caille, ist den Umgang mit schwierigen Alten gewöhnt. Ohne dass ihre Beweggründe näher erläutert werden, zeigt Rose für Edmond eine besondere Fürsorge, die sie beruflich bald in Schwierigkeiten bringt. Der Film zeigt in Szenen aus Roses Privatleben, dass sie massive Probleme hat: Es gibt ein vollständig eingerichtetes Kinderzimmer in der Wohnung, die sie mit ihrem Lebensgefährten Marc teilt. Auch sechs Monate nach der Totgeburt des Babys darf in dem Zimmer immer noch nichts angetastet werden, denn Rose kann sich mit dem Verlust des Kindes nicht abfinden. Marc fährt beruflich für ein paar Tage nach New York, hin- und hergerissen zwischen Sorge um Rose und dem Wunsch, sich aus dem Kokon ihrer Trauer zu befreien.
Rose holt den alten Edmond in ihre Wohnung, aus einer spontanen Laune heraus und ohne dem Sohn und dem Altenheim Bescheid zu sagen. Der bislang sehr schweigsame Alte fängt an, Rose Fragen zu stellen. Das kleine Zimmer ist das Spielfilmdebüt der Regisseurinnen Stéphanie Chuat und Véronique Reymond, die auch das Drehbuch schrieben. Dass die beiden vom Theater kommen, wo sie ihre Karriere als Schauspielerinnen begannen, merkt man den intensiven Zweiersituationen im Film an, in denen es viel nonverbalen Dialog gibt.
Die feinen, aus dem Alltag gegriffenen Beobachtungen wirken besonders im ersten Teil des Films überzeugend und spannend. Später, wenn sich die Geschichte von Edmond eher hin zu Rose verlagert, übt sie in gewisser Weise Verrat an ihrem Hauptcharakter, weil er irgendwie im Weg zu stehen scheint. Vielleicht liegt es am jungen Alter der Regisseurinnen, dass sie es Edmond nicht zutrauen, sich mit seiner Lage zu arrangieren. Der Hang zum Irrationalen und Melodramatischen, der sich bereits in Roses Quasi-Entführung des Alten abzeichnete, wird im letzten Teil stärker und entwertet einiges vom anfänglichen Realismus und von der Glaubwürdigkeit des Films.
Fazit: Anfangs realistisch und einfühlsam, in der Auflösung weniger geglückt: Das Drama eines alten Mannes und einer trauernden Krankenpflegerin ist vor allem gut gespielt.