M. Night Shyamalan ist mit seinen ruhigen, fast schon traumwandlerischen Thrillern berühmt geworden. Diese nutzen bekannte Genres aus, um noch etwas mehr zu erzählen. Zumeist tiefstmenschliche Themen, eingebettet in ausgesuchte Bilder, verpackt in einen aufregend ruhiger Erzählstil: Das ist das Markenzeichen des indischstämmigen Hollywood-Wunderknaben. Garniert sind seine Werke meist noch mit einer verblüffenden (freilich nie selbstzweckhaften) Pointe. Legendär ist die Auflösung von The Sixth Sense, die schon fast sprichwörtlich geworden ist und die Leute in die Kinos trieb.
Nach Unbreakable, Signs und zuletzt The Village präsentiert uns der Regisseur, Drehbuchautor, Produzent und Schauspieler nun mit Das Mädchen aus dem Wasser eine Gute-Nacht-Geschichte, die er sich für seine Tochter ausgedacht hat. Dabei bleibt er sich treu, beschreitet zugleich aber auch neue Wege. Wohl wissend, was er uns angesichts dieser Fantasy-Erzählung zumuten kann und was nicht.
Tatsächlich ist Shyamalans Buch, ansonsten immer bis ins letzte ausgefeilt, bei Lady in the Water etwas schluderig geraten, was aber kein Nachteil ist, im Gegenteil. Der Geschichte, die eine eigene Mythologie entwirft, und in welche mit einer schönen Strichmännchen-Vorrede zu Beginn des Films eingeführt wird, hätte allzu viel Ausgeklügeltheit schlecht angestanden, Tatsächlich ist Shyamalan auch hier noch immer ein bisschen zu schlau. Hinweise auf die Geschichte der Figuren, gestreute Attribute sie müssen schließlich doch eingelöst werden bzw. einen Zweck haben: Aha, hierhin gehört dieses Puzzle-Teil!
Doch man merkt immerhin, wie viel mehr an Geschichte(n) und von den herrlich skurrilen, gottlob aber selten lächerlichen Figuren er in der Hinterhand hatte. Dass dann hier und da ein paar Löcher bleiben, ist nicht nur verständlich sondern tut fast schon Not.
Tatsächlich hätte Das Mädchen aus dem Wasser ein unerträglich kitschiger Film werden müssen. Die Geschichte um die Nixe Story (wenn auch mit Beinen und ohne Schwanz), die von dem kleinen Hausmeister aufgenommen und beschützt wird, ist geradezu dafür gemacht. Da geht es ums Auserwählt-Sein, um die Rollen, die das Schicksal jedem zuschreibt. Auch Shyamalan selbst lässt es sich nicht nehmen, diesmal wieder mitzuspielen, hier als Schriftsteller, dessen Buch (nun, da er von Story erweckt wurde), die Welt verändern wird. Die Hauptfigur Cleveland wiederum kann sich endlich dem Trauma, welches ihn zum phlegmatischen Hauswart gemacht hat, stellen. Auch eine E.T.-gemäße Wiedererweckung gibt es.
Doch dass der Film keine Gefühlsdusselschnulze voll klebrigem Pathos geworden ist, ist Shyamalans größter Verdienst. Dafür ist er über seinen Schatten gesprungen, hat die übliche, aufreizend ruhige und fast schon schwebende Stimmung über Bord geworfen und dafür etwas voll eingeholt, was bestenfalls in kleinen Seitenmomenten bislang bei ihm zu finden war: Humor.
Das Mädchen aus dem Wasser ist unglaublich komisch geworden. Dabei kommt der Witz, seinem Element zum Trotz, äußerst trocken daher. Shyamalans Film bricht sofort und erfolgreich immer dann ironisch aus dem Genre-Ernst aus, wenn der in seinen typischen Fantasy-Stationen überhand nimmt. Die Offenbarung über Hintergrundgeschichte der blauen Welt sind keine getragenen Erklärungen eines weisen Zauberers sondern die Gute-Nacht-Geschichten einer unwirschen Japanerin, die nur unwillig und gedrängt und gedolmetscht von ihrer flippige Tochter auspackt. Derweil der Zeichenleser, der das weitere Vorgehen deuten soll, selbiges über die geheimen Botschaften der Cornflakes-Packungen tut. Ach ja, und das Orakel, das Cleveland Tipps für die Suche seinen Helden gibt, ist ein staubtrocken-sarkastischer Filmkritiker (famos: Bob Balaban).
Überhaupt steht und fällt der Film mit seiner genialen Besetzungen, allen voran der kleine, knuddelige Hobbit Paul Giamatti (Sideways, American Splendor). So schön resigniert kann er schauen, wenn der ganze Fantasy-Humbug, in den er da geschliddert ist, überhand nimmt. Oder, für die japanische Oma, den netten aufmerksamen Buben mit Vertrauen heischendem Grinsen (eben gerade nicht) spielen. Dann aber wieder, an seinem emotionalsten Punkt im gesamten Film, zeigt Giamatti, was er wirklich kann und weshalb er schon lange den Oscar verdient hat: Höchst pathetisch ist der Moment, doch dank Giamatti sehen wir nicht den Kitsch der Situation sondern den echten Menschen darin. Man braucht sich nur den chronischen Gutmenschen Tom Hanks in der Rolle vorzustellen, um zu sehen, wie dicht aber sicher Shyamalan mit Das Mädchen aus dem Wasser am Abgrund entlang geschliddert ist.
Gleiches gilt für Bryce Dallas Howard, die Shyamalan aus The Village mitgebracht hat. Eine andere Darstellerin für die Nymphe Story und der Film wäre kaputt. Doch Howard ist schon so ein entrücktes, ätherisches Wesen, dass sie kaum etwas zu spielen hat. Und doch, wenn sie Cleveland ihre Angst und Zweifel angesichts der Rolle als Auserwählte gesteht, ist das wirklich und meilenweit entfernt von einem prädestinierten König Aragorn eines Herrn der Ringe.
Zuletzt umsegelt Shyamalan auch filmisch alle Klippen. Sein Kameramann Christopher Doyle hat schon für Wong Kar-Wai (In the Mood for Love, 2046) gearbeitet. Hier liefert er so manches Mal schmuddelige Bilder intelligente, aber völlig ungeklackte. Da wird schon mal aus der Hand gedreht, ist Cleveland nur im Anschnitt im Bild, da wird mit der Schärfe gespielt. Das wird nicht den ganzen Film so konsequent durchgezogen wie am Anfang. Aber doch lange und weit genug, um sich deutlich von Shyamalans bisheriger elaborierter Bildgestaltung abzusetzen. Auch die Animation der Bestie, die Gras Story auflauert, ist gelungen. Zumal sie weitgehend indirekt und oft im Dunkeln zu sehen ist.
Das ist freilich Shymalans Gesamtkonzept, mit dem er sein Kindermärchen über alle Hürden hebt: Einfach genug und dabei zielsicher das richtige nicht (oder nur andeutungsweise) zu zeigen. Zu erzählen. Uns auf die Nase zu binden.
Mag auch die wunderbare Musik von Altmeister James Newton Howard noch zu reinrassig sein, mögen die humorigen Distanzmittel sich zum Ende hin erschöpfen, sich erzählerische Längen einschleichen, und hätte sich Shyamalan besser statt zu schauspielern lieber auf seine vielen anderen übergroßen Fähigkeiten beschränkt: Aus Das Mädchen aus dem Wasser ist eine hintersinnige, eigentlich unmögliche Mischung aus Hitchcocks Fenster zum Hof und Herrn der Ringe geworden, präsentiert als The Big Lebowsky-Version der Coen-Brüder.
Wie wenig der Film denn auch die oberflächlichen Untiefen eines Disney-Films in sich birgt, zeigt sich schon allein daran, dass sich Shyamalan mit eben diesem Konzern über Das Mädchen aus dem Wasser heillos zerstritten hat.
Fazit: M. Night Shymalans neuester Streich ist ein skurriler wie hintersinniger Fantasyfilm geworden, der mit viel Humor und Selbstironie, vor allem aber einer phantastischen Besetzung die eingeschriebenen Kitsch-Untiefen meistert.