Das Nebelhaus: Thriller um eine Journalistisn, die einen zwei jahre zurückliegenden Fall neu aufrollt - nach dem gleichnamigen Roman von Eric Berg.
Das Nebelhaus - Claudia Gardes erster Ausflug ins Privatfernsehen ist ein sehenswerter Thriller mit Felicitas Woll als Journalistin, die einen alten Mordfall aufrollt.
Der Prolog ist optisch spektakulär, schießt aber auch etwas übers Ziel hinaus: Nebel wallen, ein Unwetter entlädt sich, Blut quillt unter einer Haustür durch. Claudia Garde zieht bei ihrer ersten Arbeit für Sat.1 zwar viele Thriller-Register, aber „Das Nebelhaus“ ist dem Titel zum Trotz kein moderner Horrorfilm, sondern ein Krimi. Ermittlerin ist eine Enthüllungsjournalistin: Doro Kagel (Felicitas Woll) wird von der Mutter ihrer einstigen Mitschülerin Leonie gebeten, einen zwei Jahre zurückliegenden Fall aufzurollen. Leonie (Jasmin Schwiers) hat sich damals in den Kopf geschossen und liegt seither im Koma. Vor ihrem Suizidversuch hat sie angeblich einen Mann, dessen kleine Tochter und die Haushälterin ermordet.
Das Drehbuch (Sven Poser, Britta Stöckle) basiert auf dem gleichnamigen Bestseller von Eric Berg. Sein Buch spielt auf der Ostseeinsel Hiddensee; der Schauplatz hat einen nicht unwesentlichen Anteil an der mystischen Atmosphäre des Romans. Das nutzt auch der Film: Als Doro auf die Insel fährt, betritt sie eine andere Welt; und das nicht nur des dichten Nebels wegen. Der Film erzählt in vielen zum Teil clever kombinierten Parallelmontagen, was sich damals zugetragen hat und wie die Journalistin die Ereignisse rekonstruiert. Je mehr Details Doro aufdeckt, desto undurchsichtiger wird die Sache, zumal es Menschen gibt, die ihre Nachforschungen sabotieren wollen. Am Ende weiß sie nicht mehr, wem sie noch trauen kann.
Für Sat.1-Verhältnisse ist „Das Nebelhaus“ mit sichtbar großem Aufwand entstanden, und das nicht nur wegen des vielköpfigen und sorgfältig zusammengestellten Ensembles. Gerade in der Bildgestaltung (Kamera: Cristian Pirjol) steckt erkennbar viel Arbeit. Das Drehbuch reduziert die komplexe Vorlage keineswegs aufs Thrillermuster; ein Nebenstrang führt sogar zurück ins Kambodscha der Siebzigerjahre, als Hunderttausende Opfer der blutigen Terrorherrschaft der Roten Khmer wurden. Für Garde, Regisseurin einiger sehenswerter „Tatort“-Episoden aus Kiel und des sehenswerten Psychodramas „Die Frau am Ende der Straße“, ist das ein ziemlich ungewöhnlicher Stoff; die ARD hat erst kürzlich ihr Drama „Eine gute Mutter“ gezeigt. Aber sie hatte offenbar große Freude daran, den Krimi mit Thriller-Merkmalen auszustatten und diese dann auch noch mit entsprechenden musikalischen Ausrufezeichen zu versehen. Die Umsetzung mag daher im Vergleich etwa zu einem ZDF-Montagsfilm effekthascherisch anmuten, doch das ist der Stil dieses Films, zumal die Plakativität wichtiger Teil des optischen Erscheinungsbildes ist. Weil die Musik von Colin Towns, dessen Kompositionen auch die „Usedom“-Krimis prägen, permanent wie eine akustische Nemesis hinter den Bildern lauert, hat sich Gardes erster Ausflug ins Privatfernsehen filmisch auf jeden Fall gelohnt. tpg.