Der afrikanische Jungfußballer Jonathan Akpoborie wird zum Torschützenstar der deutschen Bundesliga. Doch im April 2001 nimmt seine Karriere ein jähes Ende, als bekannt wird, dass er Besitzer eines Fährschiffes ist, das in Afrika illegal Kinderarbeiter verschiffte. Geschickt widmet sich die Schweizer Regisseurin und Drehbuchautorin Heidi Specogna in ihrem aufschlussreichen Dokumentarfilm den Schicksalen hinter den Schlagzeilen und Medienattacken. So folgt sie der Spur des Schiffwracks „Etireno“, lässt neben Akpoborie auch die von ihren Eltern zum Arbeiten verschickten Kinder, Vertreter von Unicef und dem deutschen Fußballbetrieb zu Wort kommen und offeriert damit ein vielfältiges Bild von Bruchstellen und Wendepunkten. Dank der investigativen Qualitäten und intensiven Recherchen eröffnet sich das wahre Ausmaß der Geschichte: Soziale Ungerechtigkeit, der ambivalente Umgang mit Notsituationen und der Ware Mensch spielen sich auf zahlreichen Ebenen auf der ganzen Welt ab. Ein ebenso brisantes wie beinahe auch poetisches Dokument über korrupte soziale Strukturen.
Jurybegründung:
Ein afrikanischer Fußballspieler wird zum Torjäger beim VfL Wolfsburg und kauft mit dem so verdienten Geld seiner Familie in Nigeria eine Fähre, die einst in Dänemark gebaut wurde. Diese Fähre wird im Jahr 2001 gestoppt, weil sie zum Kinderhandel genutzt wurde. Nachdem dies in Deutschland bekannt wird, kündigt der VFL Wolfsburg den Torjäger, weil er als Besitzer der Fähre für den Kinderhandel mit verantwortlich gemacht wird. Solch eine zugleich komplexe, politische und abenteuerliche Geschichte eignet sich ideal für einen Kinodokumentarfilm und Heidi Specogna hat die richtigen dramaturgischen und stilistischen Mittel gefunden, um sie überzeugend zu erzählen.
Dabei verzwirnt sie drei Erzählstränge: jenen um den Fußballer Jonathan Akpoborie, den um die beiden damals auf der Fähre verschleppten Kinder Adakou und Nouman und schließlich jenen um die inzwischen verschrottete Fähre Etireno. Für alle drei Stränge gibt es Archivmaterial wie etwa die besten Torschüsse von Akoborie, 2001 von der Unicef gefilmte Interviewszenen mit den soeben befreiten Kindern oder dänische Fernsehaufnahmen von der Fähre, die damals unter dem Namen Norby schipperte. Aber der größere Teil des Films besteht aus aktuell gedrehtem Material der Filmemacherin, die darin zeigt, was jetzt aus dem Spieler, den Kindern und dem Schiff geworden ist. Dafür ist sie unter anderem mit Akpoborie nach Wolfsburg und in die Schweiz gefahren, wo er heute als Spielervermittler junge Talente aus Afrika nach Europa bringt. Auch hier werden Handelskreisläufe deutlich, auch hier wird mit der Ware Mensch gehandelt und den Filmemachern gelingt es, einige in ihrer Offenheit fast zynisch wirkende Kommentare von europäischen Managern und Akpoborie selber einzufangen. Als Kontrapunkte dazu wirken die Bilder und Aussagen der beiden damals verkauften Kinder und ihrer Familienangehörigen umso erschütternder. Beide sind auch nach all den Jahren noch traumatisiert und erzählen grauenhafte Details von ihrem Martyrium.
Das Wrack der Fähre wird schließlich von einem Strandwächter bewacht, denn der Schiffsrumpf soll zurück nach Europa gebracht werden, weil es sich rechnet, den Stahl dorthin zu exportieren. Der Film folgt einer Vielzahl solcher globalen Verkäufe und zeigt dabei immer, welchen Preis die Menschen dabei zahlen müssen. So ist Heidi Specogna ein politischer Film gelungen, der immer konkret bleibt und dadurch eine präzise Analyse der herrschenden Verhältnisse liefert.
Quelle: Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW)