„Die Milch macht’s!“ Fast jeder kennt den berühmten Werbespruch, der in den 1980er Jahren dafür sorgen sollte, den Milchkonsum in Deutschland deutlich zu erhöhen. Heutzutage ist Milch vor allem eines: eine riesige Industrie, die von großen Playern in Europa dominiert wird und die für immer stärkeren Druck bei den produzierenden Milchbetrieben sorgt. Am Ende der Kette steht der Konsument, der möglichst wenig bezahlen möchte, aber gesteigerten Wert auf beste Qualität legt. Aber wie genau funktioniert nun dieses „System Milch“? Der Filmemacher Andreas Pichler begibt sich in seinem Dokumentarfilm auf die Suche nach der Beantwortung dieser Frage. Er besucht Milchgroßbauern in Deutschland und Dänemark, einen Biobauernhof in Tirol, stattet den großen Milchunternehmen sowie den Lobbyisten in Brüssel einen Besuch ab und reist sogar bis nach China - einem Land, das sich gerade aufmacht, die bisher verpönte Milch immer mehr in den Ernährungsplan zu integrieren - und in den Senegal. Pichler nimmt sich Zeit für die Gespräche mit allen Beteiligten und lässt unaufgeregt und unkommentiert Aussage neben Aussage stehen. Die Botschaft ist dennoch klar und eindrucksvoll: Die sich nach unten weiter drehende Preisdumping-Spirale ruiniert kleine Betriebe, ist eine Qual für die Nutztiere und bringt nur den großen Konzernen einen Gewinn, wobei der Gedanke an Nachhaltigkeit dabei untergeht. Grimme-Preisträger Pichler zeigt auch Auswege aus diesem System, wie zum Beispiel bei Bio-Bauernhöfen. DAS SYSTEM MILCH liefert mit seiner Vielzahl an interessanten Informationen einen wichtigen Denkansatz zu einem hochaktuellen Thema.
Jurybegründung:
Andreas Pichler zeigt in seiner Dokumentation, wie komplex und global das Geschäft mit der Milch inzwischen geworden ist. Dabei beeindruckt, auf wie vielen Ebenen er das System Milch beschreibt und dabei auch kritisch hinterfragt. Er ist nach China und in den Senegal gefahren, um zu zeigen, welche Auswirkungen dort die europäische Milchproduktion hat. Dabei beschreibt er Absurditäten wie jene, dass deutsche Milchgenossenschaften in riesigen Molkereien in China investieren und so dabei mithelfen, eine Konkurrenz für die deutschen Milchbauern zu schaffen, deren Interessen sie eigentlich vertreten müssten. Andreas Pichler hat eine immense Recherchearbeit geleistet und es ist ihm gelungen, für alle Aspekte des Milchgeschäfts Gesprächspartner vor die Kamera zu bekommen, die kompetent und zum Teil sehr offen auf seine Fragen antworten. Da ist es dann kaum zu vermeiden, wenn sein Film zu einem Großteil aus sprechenden Köpfen besteht. Doch der Film ist immer dann am besten, wenn es ihm gelingt, mit Bildern zu erzählen. Etwa wenn er im Senegal Kühe direkt unter einem Werbeplakat für aus Europa importiertes Milchpulver zeigt. Oder wenn in China Milch wie ein teures Lifestyle-Produkt verpackt und beworben wird. Der Film stellt Milchproduzenten vor, die einen alternativen Weg gehen und etwa ihren eigenen Käse machen. Er ist aber auch zu Gast bei einem der größten Milchkonzerne der Welt in den Niederlanden, wo ein leitender Angestellter stolz die große Produktpalette vorstellt, mit der Milch international vermarktet wird. Andreas Pichler arbeitet sorgfältig, geht sehr ins Detail und bei der Überfülle an Informationen kann es nach Ansicht der Jury manchmal etwas mühsam für die Zuschauer werden, ihm über die 96 Minuten des Films zu folgen. Doch sein Film ist auch gespickt mit Kernsätzen, die immer wieder die Probleme des Systems Milch auf den Punkt bringen: Wenn da eine Milchbäuerin sagt, sie würde mehr Geld „mit Gülle als mit Milch“ machen, macht dies die Mechanismen dieser Branche deutlich.
Quelle: Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW)