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Das Vaterspiel: Eigentlich ist Rupert Kramer, 35 Jahre alt, genannt Ratz, ein unpolitischer Mensch, ein Politikverweigerer, der Sohn eines sozialdemokratischen Ministers, der mit all den Geschäften seines Vaters nichts zu tun haben will und diesen abgründig hasst. Jointrauchend hockt er nächtelang vor dem Computer und entwickelt abstruse Computerspiele, insbesondere ein Vatervernichtungsspiel. Wie schuldig macht man sich mit virtuellen...

Handlung und Hintergrund

Ratz, der in Wien im Schatten seines übermächtigen Politiker- Vaters vor sich hin vegetiert, bastelt seit Jahren an einem besonders perfiden Egoshooter-Spiel. Da bittet ihn Ex-Kommilitonin Mimi, die jetzt in New York lebt, um Hilfe. Ratz soll auf Long Island einen Keller renovieren. Was er nicht weiß: Dort hält sich ein Naziverbrecher versteckt. Und genau dieser alte Mann steht im Verdacht, 1941 in Litauen den Vater von Jonas Shtrom umgebracht zu haben. Was wiederum der Sohn 1959 in einem Ludwigsburger Büroraum zu Protokoll gibt.

Besetzung und Crew

Regisseur
  • Michael Glawogger
Produzent
  • Helga Binder,
  • Christine Ruppert
Darsteller
  • Helmut Köpping,
  • Sabine Timoteo,
  • Ulrich Tukur,
  • Christian Tramitz,
  • Itzhak Finzi,
  • Samuel Finzi,
  • Michou Friesz,
  • Franziska Weisz,
  • Otto Tausig
Drehbuch
  • Michael Glawogger
Musik
  • Olga Neuwirth
Kamera
  • Attila Boa
Schnitt
  • Vessela Martschewski
Casting
  • Markus Schleinzer

Kritikerrezensionen

    1. Ein zwiespältiger Film ist das geworden; und genau das will er sein: er will den Komplex, den ein cholerischer Vater erzeugt, verbinden mit deutschen Kriegs- und Menschenrechtsverbrechen an litauischen Juden, will die vielfältigen Ausformungen, Gründe und Folgen von Schuld untersuchen; wie ja auch im zugrundeliegenden Bestsellerroman. Das bedeutet: kein klares Betroffenheitskino über den Holocaust; keine simple Anklage an eine emotional verkümmerte, erfolgsorientierte Vatergeneration; andersrum auch nicht schlicht und einfach ein Drama um einen überempfindlichen Ödipusneurotiker, der den Weg ins Erwachsensein nicht geschafft hat. Sondern ein vielschichtiges Panorama, das den Zuschauer intellektuell und emotional herausfordert.

      Dramaturgisch fährt der Film drei Linien: lässt in Rückblenden, die wie aus ferner Vergangenheit eingefügt sind, Ulrich Tukur als Pogrom-Überlebender im Verhör einen der litauischen Täter, einen tausendfachen Judenmörder, anklagen. Und in der Gegenwart kämpft Robert „Ratz“ an zwei Fronten. Gegen seinen übermächtigen Vater (Christian Tramitz) und für so etwas wie Liebe mit Mimi (Sabine Timoteo).

      Als Programmierer entwickelt Ratz das Vaterspiel „Kill Daddy Goodnight“, ein Ballerspiel für alle, die ihren Vater hassen, dessen Foto in ein Amoklauf-Szenario einkopiert werden kann. Für Mimi renoviert er dazu noch in einem Haus auf Long Island den Keller – das Versteck des litauischen Massenmörders, der sich dort seit 32 Jahren verbirgt.

      Diese Figurenkonstellationen und Handlungsdispositionen sind überaus reizvoll; und Regisseur Glawogger arbeitet sehr geschickt die individuellen und moralischen Implikationen heraus: keine der Figuren ist sympathisch; doch man hält zu Ratz, der im Mittelpunkt steht als Schwächling, als einer, der nur herumgeschubst wird, ohne eigene Ambitionen, ein Träumer in einem Alptraumleben, ein lethargischer Tropf – der aus seinen unterdrückten Aggressionen ein Erfolgs-Computerspel kreiert. Und ironischerweise genau damit die Anerkennung seines Vaters erreicht: Der ist stolz, weil sein Sohnemann jetzt was geschafft hat. Und wenn auch mit seiner eigenen massenhaften Ermordung.

      Auf der anderen Seite nutzt Mimi Ratz schamlos aus, damit er für ihren mörderischen Großvater arbeitet. Den sie selbst viel zu sehr verachtet, um fürsorglich zu sein, für den aber Ratz wiederum genau den richtigen Mangel an Selbstachtung mitbringt. Nur einmal widerspricht er ihr: den Scheißeeimer des Alten, den soll sie selbst entsorgen. Alles, was er je von ihr bekommt: sie zeigt ihm ihren krankheitshalber haarlosen Körper, das muss als Fantasie-Wichsvorlage genügen.

      Das Virtuelle, Nicht-Wirkliche, die Erfassung von Fiktionalität in der menschlichen Wahrnehmung und die Umdrehung von Realität im Gehirn: das ist die Grundlage des Vatermordspiels; und das empfindet auch der Judenmörder, der im Geständnis keinerlei Reue zeigt. Wie das Massenmorden per MG, Tag für Tag, nichts Echtes für ihn war. Weil die Juden, die Opfer, nur noch als Masse erschienen, nicht mehr als eigenständige Teile. Oder, wie ein Game-Produzent zu Ratz einmal sagt: beim PC-Spiel geht Völkermord immer, Vatermord überhaupt nicht.

      Das steckt alles drin im Film, und es ist ihm auch hoch anzurechnen, dass er keine gönnerhaft-moralisierende Lösung für die komplexen Fragen liefert – das wäre wiederum zu väterlich, zu erzieherisch.

      Doch andererseits schießt er auch immer wieder übers Ziel hinaus. Deutet ein inzestuöses Begehren von Ratz an; oder lässt seine Wirklichkeit mit lächerlichen Vater-Animationen virtuell werden. Und irgendwie fehlt am Ende eben doch ein Fokus im Film, der die Vielfalt des Themenfeldes, das er beackert, ordnen würde.

      Fazit: Ein Film, der mit seinen Ambivalenzen zwischen Vaterhass und Völkermord spielt.
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