Traditionell sind die Grenzen zwischen Gut und Böse im Hollywood-Film glasklar. Doch auch die strengsten Regeln sind da, um gebrochen zu werden und so bekommen wir hin und wieder einmal einen ungewöhnlich sympathischen Bösewicht auf der Leinwand zu sehen. Dieser Umstand ändert zwar nichts an der Tatsache, dass am Ende das Gute siegt, macht aber dennoch nachdenklich und lässt uns jene sonst so klaren Grenzen zwischen Gut und Böse hinterfragen. Manchmal geht ein Film sogar so weit, den Bösewicht interessanter und sympathischer zu gestalten, als den Helden. Falls ihr demnächst also Lust auf einen „guten“ Bösen habt, lehnt euch zurück und genießt einige der besten Schurken Hollywoods.
Vincent in „Collateral“
Tom Cruise spielt in „Collateral“ den Auftragskiller Vincent, während der Held hier von Jamie Foxx in der Rolle des Taxifahrers Max verkörpert wird. Vincent ist kein Bösewicht mit noblen Motiven. Sympathisch macht ihn allem voran seine Coolness: Mit weißem Haar und stahlgrauem Anzug ist er Mensch gewordene Präzision. Gemischt mit Charme und der Art und Weise, in welcher er eine ungewöhnliche Verbindung zu Max aufbaut, ist er der perfekte „gute“ Bösewicht. Wohl deshalb haben ihm Zuschauer weltweit auch heimlich die Daumen gedrückt.
Alonzo Harris in „Training Day“
Korrupte Polizisten sind oftmals der Inbegriff des Bösen, denn anstatt ihrem Job nachzugehen und für Sicherheit zu sorgen, missbrauchen sie ihre Macht zum eigenen Vorteil. Das wohl beste Beispiel hierfür findet sich in „Bad Lieutenant“. Doch es geht auch anders! Der von Denzel Wahsington gespielte Alonzo Harris ist ein korrupter Polizist, der ungewöhnlich charmant ist und sogar Mitgefühl zeigt. Auch hier spielt Coolness wieder eine Rolle: Alonzo führt sich unmoralisch auf, ist dabei aber so charmant, dass man ihm kaum abgeneigt sein kann. Dafür dürfte größtenteils Denzel Washingtons Schauspielleistung verantwortlich sein, die auch gebührend mit einem Oscar belohnt wurde. Wenn ihr uns also nicht glaubt, schaut euch den Film an und lasst euch in Alonzos Bann ziehen.
Roy Batty in „Blade Runner“
Obwohl er der Bösewicht in „Blade Runner“ ist, kann man sich ohne Weiteres in Roy Batty (gespielt vom wunderbaren Rutger Hauer) hineinversetzen. Wie alle Replikanten, hat er nur eine sehr beschränkte Lebensdauer, verzweifelt versucht er deshalb, seine irdische Existenz irgendwie zu verlängern. Natürlich ist er auch ein brutaler Killer, doch seine grundsätzliche Angst vor dem Tod erfüllt uns trotzdem mit Mitgefühl. Dazu kommt außerdem sein ikonischer, tief philosophischer Monolog, während er tödlich verwundet, im strömenden Regen schließlich stirbt. Selten hatte ein Bösewicht solch einen schönen Abgang und selten haben wir deshalb feuchte Augen bekommen.
Khan in „Star Trek: Into Darkness“
Natürlich kommt Khan Noonien Singh nicht nur im relativ neuen „Star Trek: Into Darkness“ vor, sondern schon in früheren Folgen der ursprünglichen TV-Serie und vor allem in „Star Trek II: Der Zorn des Khan“, wo er schließlich für den Tod von Spock (damals der unglaubliche Leonard Nimoy) verantwortlich war. Die neue Filmadaption setzt lange vor diesen Ereignissen an und zeigt, wie die Besatzung der Enterprise den genetisch optimierten und dann samt seiner Crew eingefrorenen Khan (hier gespielt von Benedict Cumberbatch aus „Sherlock“) auftaut. Er soll ihnen im Kampf gegen die Klingonen militärisch zur Seite stehen und wird mit dem möglichen Tod seiner eingefrorenen Besatzung erpresst. Natürlich hintergeht Khan die Enterprise, doch seine Motive sind so verständlich, dass man ihn kaum einen Bösewicht nennen kann. Er möchte seine restliche Crew, die er seine Familie nennt, beschützen, sie aus ihrem langen Schlaf erwecken und dann mit ihnen fliehen. Da ist es fast schade, dass er am Ende scheitert.
Der Joker in „The Dark Knight“
Zugegebenermaßen ist der Joker (legendär: Heath Ledger) kein Bösewicht, der Mitgefühl in uns erregt. Auch wenn er sozusagen das personifizierte Chaos ist, sind seine Motive doch nachvollziehbar und regen unvermeidlich zum Nachdenken an. Er will Batman zu der Einsicht zwingen, dass der im Grunde nicht besser ist, als ein gewöhnlicher Verbrecher. Durch seine Gräueltaten stellt er die gesellschaftliche Ordnung Gothams auf den Kopf und übt damit eine unglaublich intensive (und in Blockbustern meist abwesende) Gesellschafts- und Zivilisationskritik: Beides wird in seiner Weltanschauung zur bloßen Fassade, die die eigentlich brutale Natur des Menschen notdürftig verdeckt. Beliebt ist dieser Schurke auch dadurch geworden, dass er unheimlich unterhaltsam ist (wir erinnern uns zum Beispiel an seinen brutalen Zaubertrick). Außerdem zog Heath Ledger ob seiner enorm intensiven Darstellung des Charakters, die Wahnsinn mit Charisma verband, sämtliche Zuschauer in seinen Bann.
Ra’s al Ghul in „Batman Begins“
Zugegeben, der von Liam Neeson („Schindlers Liste“) gespielte Ra’s al Ghul möchte die gesamte Bevölkerung Gothams unter den Einfluss halluzinogener Gase setzen, nur damit sie dann aufeinander losgehen und sich gegenseitig umbringen. Dieser Plan ist schlicht böse, daran kann es gar keinen Zweifel geben und dementsprechend wird er am Ende auch von Batman geschlagen. Allerdings hat sein unzweifelhaft unmoralisches Handeln einen nachdenklich stimmenden Kern, der Ra’s al Ghul gleich wesentlich verständlicher macht. Er ist ein Mitglied der Gesellschaft der Schatten, welche seit Jahrtausenden korrupte Gesellschaften (mit fragwürdigen Mitteln) bekämpft. In diesem Sinne möchte er Gotham dem Erdboden gleich machen, denn die Stadt strotzt nur so vor Kriminalität, Ungerechtigkeit und eben Korruption. Damit stimmt er uns als Zuschauer zumindest nachdenklich und manch einer überlegt vielleicht, wann der Zweck die Mittel nicht länger heilt.
Darth Vader/ Anakin Skywalker in „Star Wars“
Darth Vader ist unzweifelhaft einer der größten Schurken der Filmgeschichte. Was ihn für uns als Zuschauer so interessant macht, ist die Tatsache, dass er zugleich angsteinflößend und tragisch ist. Dazu trägt vor allem seine traurige Vorgeschichte bei: Der ehemalige Held, Skywalker, wendet sich der dunklen Seite der Macht zu, um seine geliebte Frau zu retten, bringt sie dann schlussendlich aber von Paranoia besessen, selbst ums Leben, was auch den letzten Funken Menschlichkeit ihn ihm verblassen lässt.
Michael Corleone in „Der Pate“
Wenn man es ganz genau nimmt, ist Michael Corleone (wunderbar gespielt von Al Pacino) ja kein Antagonist (also Gegenspieler), sondern der Protagonist der „Pate“-Filme. Trotzdem kann man ihn aber als Bösewicht bezeichnen, er ist schließlich ein skrupelloser Gangster, der am Ende des zweiten Films sogar seinen eigenen Bruder (John Cazale) umbringen lässt. Hassen kann man ihn dennoch nicht, zeigt doch der Film sehr deutlich, welch hohen Preis er für seine Verbrechen zahlt. Wir schauen ihm dabei zu, wie er härter und härter wird, sich in sich selbst zurückzieht und trotz erfolgreicher Gangster-Unternehmen unglücklich ist. Dazu kommen natürlich noch seine coolen Sprüche, die auch heute noch gerne zitiert werden. Dies alles macht ihn zum sympathischen Schurken par excellence.
Magneto in „X-Men“
In den „X-Men“-Filmen übernimmt Magneto die Rolle des Gegenspielers von Dr. Xavier (gespielt von Patrick Steward und James McAvoy in einer jüngeren Variante). Seine Fähigkeit, Metall zu kontrollieren, macht ihm zu einem unglaublich mächtigen Mutanten. Vor allem können wir seine Handlungen und Anschauungen aber sehr gut nachvollziehen: Magneto (oder Eric Lensherr, wie er bürgerlich heißt) hat als Kind den Holocaust überlebt und trägt damit ein Trauma mit sich umher, das seine Weltsicht unheimlich geprägt hat. Er kämpft dafür, dass Mutanten sich nicht länger zu verstecken brauchen. Da seine Bemühungen immer wieder auf taube Ohren stoßen, wandelt sich seine Frustration langsam in Radikalität, was ihn dann zu einem Bösewicht mit grundsätzlich guten Motiven macht. Dass er von Ian McKellen („Der Herr der Ringe“) und Michael Fassbender („Shame“) als jüngere Version verkörpert wird, bringt natürlich zusätzliche Sympathie-Punkte.
Miranda Priestly in „Der Teufel trägt Prada“
Euch wird es schon aufgefallen sein, aber bisher hatten wir ausschließlich männliche Bösewichte in dieser Reihe – wie sieht es aber mit den Schurkinnen aus? Wir finden, dass Miranda Priestly aus dem Mode-Drama „Der Teufel trägt Prada“ hier auf keinen Fall fehlen darf. Nun ist der Film ja kein klassischer Kampf von Gut und Böse, sondern gibt einen Eindruck in die extrem wettbewerbsorientierte Welt der Mode. Miranda Priestly wird von Meryl Streep gespielt, was den Charakter schon einmal sympathischer macht. Zwar geht Miranda knallhart und definitiv skrupellos vor, doch der Film zeigt deutlich, dass diese Verhaltensweisen eine Folge der Modewelt an sich sind. Außerdem wird angedeutet, dass Mirandas Status als weibliche Chefredakteurin ihr Vorgehen notwendig macht: Als Frau muss sie doppelt so hart arbeiten, was auch bedeutet, dass sie rücksichtsloser sein muss, als andere.
Bodhi in „Gefährliche Brandung“
Es ist schon einige Zeit her, dass „Gefährliche Brandung“ (oder „Point Break“ im Original) in den Kinos lief, mittlerweile ist der Film aber zu einem Klassiker geworden. Keanu Reeves („Matrix“) spielt darin den jungen Undercoveragenten Johnny Utah, der einer berüchtigten Bande von Bankräubern auf die Schliche kommen soll – das alles spielt sich auch noch im Surfer-Milieu ab, die Mischung ist also perfekt. Der Bösewicht ist hier der Anführer der Bankräuber, Bodhi (gespielt von niemand anderem als Patrick Swayze). Bodhi ist schlicht und einfach die Verkörperung des romantischen Bankräubers: Er gibt Lebensweisheiten von sich, raubt Banken aus, um gegen ein kapitalistisches System, das seiner Ansicht nach die Gesellschaft krank macht, vorzugehen und investiert das so gewonnene Geld in seine Selbstfindung via Surfing. Und als wäre das nicht schon genug, um sich in die Herzen der Filmzuschauer zu spielen, zieht er auch noch den Protagonisten Johnny in seinen Bann. Die Verbindung zwischen den beiden Männern wird so stark, dass Johnny, als sich ihm die Möglichkeit bietet, Bodhi zu erschießen, den Gewaltakt einfach nicht fertig bekommt.
Erik Killmonger in „Black Panther“
Marvel kann ja mit einer Reihe relativ sympathischer Bösewichte aufwarten, zuletzt zum Beispiel Thanos (Josh Brolin, auch bekannt aus „Deadpool 2“), der zwar etwas verrückt ist und die Hälfte der Menschheit auslöscht, wobei er selbst seine Tochter Gamora (Zoe Salndana) opfert, aber mit dem wir als Zuschauer trotzdem mitfühlen können. Unserer Ansicht nach, macht Killmonger (Michael B. Jordan) sogar noch eine bessere Figur. Denn sein Zorn speist sich vor allem aus der Unterdrückung und Diskriminierung von Afroamerikanern in den USA. Während Wakanda seinen Reichtum für sich behalten will (was auch verständlich ist), kämpft Killmonger für Gerechtigkeit, wenn auch mit unmoralischen Mitteln. Auch er bringt uns also zum Nachdenken darüber, ab welchem Zeitpunkt Gut zu Böse wird. So kamen Marvel-Fans überall auf der Welt schlussendlich sogar zu der Einsicht, dass Killmonger Recht hat – das muss man erst einmal schaffen, finden wir und küren ihn damit zum sympathischsten Bösewicht in unserer Reihe.