Es soll das Marvel-Highlight des Jahres sein. Doch wird „Deadpool & Wolverine“ diesem Anspruch auch qualitativ gerecht? Das verraten euch unsere spoilerfreie Kritiken zu dem MCU-Film.
Aufgrund der Hollywood-Streiks im vergangenen Jahr musste das Marvel Cinematic Universe (MCU) seine enggestrickte Planung einmal mehr über den Haufen werfen. In der Folge erwartet die Fans in 2024 nur ein einziger Film in den Kinos, doch der hat es wahrlich in sich. Denn „Deadpool & Wolverine“ erfüllt gleich mehrere langjährige Wünsche: Er bringt seine beiden Titelhelden endlich in das größere MCU, vereint das beliebte Duo (über den ersten Versuch legen wir den Deckmantel des Schweigens) und natürlich meldet sich Hugh Jackman nach seinem vermeintlichen Abschied in „Logan – The Wolverine“ zurück.
Seit dem 24. Juli können Fans „Deadpool & Wolverine“ in den deutschen Kinos erleben und ob sich das lohnt, verraten wir euch in unseren folgenden spoilerfreien Kritiken. Zunächst einmal dürft die beiden Hauptstars Hugh Jackman und Ryan Reynolds jedoch in unserem unterhaltsamen Interview der etwas anderen Art erleben:
Teresa: Der emotionalste MCU-Film seit „Avengers: Endgame“ und „Spider-Man: No Way Home“
„Deadpool & Wolverine“ ist der emotionalste MCU-Film seit „Avengers: Endgame“ und „Spider-Man: No Way Home“, in dem seine beiden Hauptakteure in jeder Sekunde glänzen dürfen. Ryan Reynolds liefert die beste Performance seiner Superhelden-Karriere ab, in Hugh Jackmans Fall hat im Vergleich „Logan“ noch ein Quäntchen die Nase vorn. Der Film zeigt vom ersten Aufeinandertreffen von Deadpool und Wolverine an, wie geschaffen die beiden Schauspieler für ihre Paraderollen sind. Auch die enge Freundschaft der beiden ist konstant für Fans spürbar.
Ist das MCU bereit für die verrückte Welt eines Deadpool und eines gebrochenen Wolverine? Womöglich nicht, doch wer in den letzten 25 Jahren regelmäßig die Filme aus dem Hause Marvel im Kino verfolgt hat, wird mit „Deadpool & Wolverine“ pure Freude haben. Mit Lachern wird nicht gegeizt, ebenso wenig wie mit übertriebenen Actioneinlagen, Patronenhülsen, Kratzern und Anspielungen – und davon gibt es wirklich JEDE MENGE. Das Schöne: Es ist zwar ein Cameo- und Easter-Eggs-Fest, dabei bleiben die Geschichte und die Handlung nicht auf der Strecke.
Im ersten MCU-Film mit erhöhter Altersfreigabe lässt das größte Filmfranchise unserer Zeit nichts auf der Strecke liegen. Allein in den ersten fünf Minuten werden Bilder gezeigt, die man so schnell nicht wieder vergisst. Und das ist nichts gegenüber einer Szene, die ganz klar von perfekt choreografierten Actionszenen á la „Oldboy“ und „The Raid“ inspiriert worden ist. Es darf gelacht, gejubelt und auch ein wenig geweint werden - vielleicht auch alles drei zur gleichen Zeit.
Mario: Deadpool IST Marvel-Jesus
Ich bin mit der Erwartung in den Film gegangen, ein freches, brutales und erfrischend neues Marvel zu sehen zu bekommen, wie es auch einst die Guardians geschafft haben – und wurde nicht enttäuscht. Es gibt zwar für meinen Geschmack etwas zu viel von “Wolverine ist der beste Charakter aller Zeiten“ und auch die eigentlich interessante Bösewichtin Cassandra Nova, die durch die äußerst fähige Emma Corrin mit erstaunlich schlechter CGI-Glatze verkörpert wird, verfällt leider dem Marvel-Bösewicht*innen-Fluch der Gleichgültigkeit, aber davon abgesehen ist “Deadpool & Wolverine“ nicht nur das, was ich mir erhofft habe, sondern auch noch eine Menge darüber hinaus.
Nach der nun eindeutig erfolgreichen Einführung des Söldners mit dem losen Mundwerk ins MCU, bei der Reynolds in seinem nun sehr offenen, weil auch mehr Rechte beinhaltenden Deadpool-Mikrokosmus wieder brillieren durfte, muss bei seinem nächsten Auftritt definitiv eine anständige Story-basierte Fallhöhe her. Denn herauszufinden, wie eine Figur wie diese ins Große und Ganze des MCU neben all den anderen etablierten Superheld*innen hineinpasst, ist eine Hürde, die Disney mit „Deadpool & Wolverine“ noch etwas weiter vor sich herschiebt.
Trotzdem bekam ich den ganzen Film über das Dauergrinsen nicht aus dem Gesicht, freute mich über jedes Easter Egg und jeden Cameo und vor allem über jede Minute, in der ich Zeuge davon sein durfte, wie gut einfach Hugh Jackman und Ryan Reynolds in ihren Paraderollen zusammen auf der Leinwand funktionieren. ICH WILL MEHR!
Celina: „Deadpool & Wolverine“ macht verdammt viel, aber vor allem Spaß!
Brutal, blutig, blitzschnell, bescheuert und definitiv so drüber, wie man es von Deadpool erwartet – all das und noch viel mehr ist “Deadpool & Wolverine“. Das MCU-Debüt der titelgebenden Marvel-Charaktere meint es eigentlich viel zu gut mit Meta-Humor und Cameos von Kultcharakteren. Trotzdem konnte ich beim Schauen nicht genug von diesen bizarren Bildern auf der großen Leinwand bekommen, die sich untermalt von einem ohrwurmgarantierenden Soundtrack aus Pop-Krachern der letzten Jahrzehnte umso mehr ins Gedächtnis brennen.
Trotz über zwei Stunden Laufzeit passiert alles so schnell, dass man kaum blinzeln kann, ohne eine witzige Anspielung zu verpassen und bestimmt auch nach einem zweiten, dritten oder vierten Kinobesuch noch nicht alle Details entdeckt hat. “Deadpool & Wolverine“ ist ganz anders als erwartet, aber irgendwie trotzdem genau das, was ich wollte und in vielerlei Hinsicht so unbeschreiblich, dass man den Film einfach gesehen haben muss. Ich habe selten so gelacht!
Anne: Weniger wäre mehr…
Wolverine und die X-Men haben einst mein Interesse für Superheld*innen-Filme geweckt. Entsprechend groß war nun meine Vorfreude über das Wiedersehen und die Wiedervereinigung mit Deadpool. Und das vorweg: Ich hatte wirklich eine gute Zeit im Kinosessel. Ganz glücklich bin ich dennoch nicht.
Gewünscht hatte ich mir einen unkonventionellen Buddy-Film, bekommen habe ich mitunter eher ein besonders blutiges, starbesetztes Musikvideo – was zumindest zeitweilig seinen Reiz hat. Statt sich auf die titelgebenden Charaktere zu konzentrieren, gehen Deadpool und Wolverine für meinen Geschmack im Meer der unzähligen Figuren und ihrer Varianten baden. Und auch sonst läuft der Film vor popkultureller und Marvel-interner Referenzen nur so über. Hier wäre man mit „weniger ist mehr“ vielleicht besser gefahren.
Auch wenn „Deadpool & Wolverine“ phasenweise wie eine große Aufräumaktion wirkt, an der viele mehr oder minder freiwillige Helfer*innen beteiligt sind, die auch ein wenig an Deadpools einzigartig-ungehobeltem Charme kratzen, hat der Film doch seine Momente. Zum Beispiel diejenigen, in denen das Innenleben der Protagonisten nach außen gekehrt wird oder die ein oder andere emotionsgeladene Entscheidung getroffen werden muss. Und so entlässt mich der Film dann doch recht wohlgesonnen und mit einem Lächeln auf den Lippen.
Andi: Ab jetzt bitte nur noch Deadpool-Teams
Nach zwei Solo-Auftritten durfte sich Deadpool jetzt erstmals mit einem wirklich ebenbürtigen Partner auf der Leinwand austoben – und diese Formel sollte das MCU in Zukunft unbedingt beibehalten. Charaktere zur Hauptfigur zu machen, die sich vor allem durch ihren Humor auszeichnen, ist eine narrativ schwierige Aufgabe und entsprechend profitiert der Söldner mit dem losen Mundwerk hier davon, dass er ein Pendant hat, an dem er sich in sämtlichen Sinnen abarbeiten kann.
Der Humor selbst fällt wie gewohnt aus: chaotisch, voller Brüche der vierten Wand, eine popkulturelle Anspielung jagt die nächste und es geht gerne auch mal unter die Gürtellinie. Wer das an den ersten beiden Filmen mochte, wird hier also definitiv erneut Spaß haben. Wer jedoch mit den vorherigen Leinwandausflügen Deadpools ein paar Probleme hatte, dürfte diese hier erneut haben. Der besondere Humor ist eben Geschmackssache, vor allem wenn er genutzt wird, um sich über narrative Schwächen lustig zu machen, die dadurch ja aber nicht behoben werden. Und auch wenn vor allem Wolverine mehr Emotionalität reinbringen soll, fiel die angestrebte Tiefe für mich doch erschreckend flach aus.
Entsprechend sollte man mit den nötigen Erwartungen an „Deadpool & Wolverine“ herantreten und hier mit einer launigen Komödie rechnen, die durch die Rückkehr Hugh Jackmans eine besondere Note erhält. Das Rad erfindet der Film aber nicht neu und ob er dem MCU neben dem erwartbaren finanziellen Erfolg auch qualitativ neues Leben einhauchen kann, bleibt abzuwarten.