Dies ist ein Comeback-Film, in mehrfacher Hinsicht. Jodie Foster führt wieder einmal Regie, zum ersten Mal seit 1996, sie inszeniert ruhig, besonnen, souverän, einfühlsam, mit Gefühl für Rhythmus, für die richtige Balance zwischen Komik und Tragik. Auch als Darstellerin macht sie sich rar, übernimmt nur ausgesuchte Rollen, was ihren Markt steigert und Filmen mit ihr einen besonderen Stempel aufdrückt. Mel Gibson, der hier die Hauptrolle spielt, hatte vor ein paar Jahren jeden Marktwert verspielt, weniger mit exzentrischen Regiearbeiten als mit privaten Ausfällen und Äußerungen eher unschöner Ansichten hier zeigt er, was er kann, dass er es kann, und dass er nicht nur ein wirklicher Schauspieler ist, sondern auch das Zeug dazu hat, wieder zum großen Star zu werden: mit perfektem Timing, mit Sinn fürs Komische, mit Gespür fürs Abgründige agiert er, und man merkt ihm die Lust dabei an, in einem Charakter zwei Persönlichkeiten darzustellen. Nicht zuletzt ist der Film selbst die Geschichte eines Comebacks: Walter Black ist am Boden, krankhaft depressiv hat er jeden Willen, jede Fähigkeit zu leben verloren, bis er im Müll eine Biber-Handpuppe findet, die ihn wieder aufrichtet.
Der Biber: das ist fortan sein Sprecher, sein Repräsentant, alle Anfragen, alle Anmerkungen alle Konversation ist an ihn zu richten. Er hat Walters Vollmacht, für ihn zu sprechen, er übernimmt die Fürsorge für den unmündigen, lebensunfähigen Walter, der alles dem Biber überlässt. Der Biber richtet alles, vor allem Walters siebenjähriger Sohn ist begeistert, dass Papa wieder was mit ihm unternimmt natürlich Holzarbeiten, in der Garage, was könnte ein Biber besser. Und auch Ehefrau Meredith Jodie Foster gewöhnt sich an das Anhängsel an Walters Hand, denn plötzlich gibt es wieder ein Familienleben, das mehr ist als tristes Schweigen. Nur Porter, der 17jährige, ist unzufrieden, er hasst den Vater, der jahrelang soviel kaputtgemacht hat in seinem Leben mit vollkommener Apathie, mit Isolation: der nun völlig schizophren seine Lebensäußerungen auf eine Stoffpuppe an seinem linken Arm ausgelagert hat.
Mel Gibsons vielschichtige Darstellung, Fosters unaufdringliche, aber bestimmte Regie, ein gut ausbalanciertes Drehbuch von Debüt-Autor Kyle Killen: Der Biber ist eine wunderbar witzige Studie über die Krankheit der Depression, über ein feststeckendes Leben, aus dem man aus eigener Kraft nicht mehr herausfindet was man etwa auch vom verklemmten South Park-Schulpsychologe Mackey kennt mit seiner Handpuppe, die zu einer eigenen Wesenheit geworden ist
Der Biber bestimmt über Walter, er ist mehr als eine Puppe, er ist ein eigenes Wesen mit eigenem Willen, mit eigenen Plänen und eigenem Handeln und mit ihm ist fast nichts mehr wie vorher. Alles verändert sich zum Guten, so scheint es, in der Familie läuft es, auch beruflich hat Walter Erfolg. Er war so unglücklich als Vorstand einer Spielzeugfirma, jetzt bringt der Biber frischen Wind, frischen Aufwind: vor allem erfindet er Mr. Beavers Woodchopper Kit, mit Hilfe eines sprechenden Bibers auf Video können die Kindern mit Holz basteln ein Verkaufsschlager. Und gleichzeitig subtiles Zeichen für das Problem: denn der Biber also Walters abgespaltene Persönlichkeit verdrängt zwar die Depression, ersetzt sie aber durch Narzissmus. Eifersüchtig, besitzergreifend übernimmt er mehr und mehr Walter, der nur noch zur menschlichen Puppe des Bibers wird, nicht andersrum
Das Steckenbleiben, die Depression, die Wiederkehr des immer gleichen Trotts, den Verlust der eigenen Identität spiegelt der Film in der Nebengeschichte um Sohn Porter. Der ist Ghostwriter für seine Mitschüler, Aufsatz, Essay, Hausarbeit: er verfasst es, gegen einen bestimmten Preis, und er würde auch die Doktorarbeit eines Ministers übernehmen. Er schreibt ganz im Sinne seiner Auftraggeber, in ihrer Sprache, schlüpft in ihre Rolle, in ihre Identität; und will damit Geld verdienen, um endlich rauszukommen, er will eine Reise an all die Orte der USA unternehmen, wo sich geschichtliche Wendepunkte ereignet haben: kein Selbstfindungstrip, sondern einer zum Ablegen des eigenen Selbst. Auf Post-it-Zetteln hat er 49 Eigenschaften und Eigenarten seines Vaters notiert, die er vermeiden will, denn er will nie so werden wie sein Erzeuger. Und ist doch schon so verkorkst, in der Wand in seinem Zimmer klafft ein riesiges Loch, wo er seinen Kopf dagegenhaut
Natürlich kann einer, der kein Ich ist, der für und durch andere spricht, einer, der sich nur noch über andere oder über die Abgrenzung von anderen definiert, sich nicht entwickeln, sich nicht verändern, das färbt auf die Umgebung ab, er stößt helfende Hände fort und versinkt immer weiter. Natürlich aber gibt es auch Hoffnung, aus dem Jammertal herauszukommen, natürlich ist Veränderung möglich. Aber nicht durch künstliche Persönlichkeitsabspaltungen, nicht durch den Drang, etwas anderes sein zu wollen, ohne das Ziel zu definieren. Für das Feststecken, für die Notwendigkeit des Weiterkommens, für die Suche und das Finden des Selbst, für die nötige Hilfe von außen, für das Durchbrechen des Kreislaufs um sich selbst, findet Jodie Foster mit dem Biber die perfekte Metapher, den perfekten Katalysator. Sie liefert keine medizinische Diagnose, keine Abhandlung über Depression, sondern ein lebendiges Bild, das nur am Ende etwas zu gefühlig auf allseitiges Glück setzt, aber mit Witz und Gefühl gezeichnet ist: ein Film über Walter Black, der ein Biber werden musste, um ein Mensch zu sein.
Fazit: Eine wunderbare Familien-Tragikomödie mit großartigen Darstellern, sehr witzig, auch tragisch, leicht melancholisch, nachdenklich und gefühlvoll.