Der Duft von Holunder: Komposition kreativ, Umsetzung à point: Eine sehenswerte Romanze mit Melika Foroutan.
Junge Frau vom Land macht in der Großstadt Karriere, doch ihr Glück findet sie erst, als sie in ihr Heimatdorf zurückkehrt. Ein Handlungsmuster, das im deutschen Fernsehfilm derzeit Hochkonjunktur hat und auch in „Der Duft von Holunder“ den Kern bildet. Dennoch, die Verpackung ist vielfältig: Das Handlungsspektrum reicht von der romantischen Komödie bis zum Krimi.
„Der Duft von Holunder“, der Titel lässt es erahnen, gehört in die Abteilung Romanze. Gewonnen hat der Film schon, weil Melika Foroutan die Hauptrolle spielt; sie war erst kürzlich an der Seite von Ulrich Noethen in der Komödie „Von Mäusen und Lügen“ ganz entzückend. Diesmal darf sie eher nachdenkliche Seiten zeigen: Sofie ist als erfolgreiche Hamburger Restaurantkritikerin am Ziel ihrer Wünsche. Als erst ihre geliebte Großmutter stirbt und dann auch noch ihr Freund die Beziehung beendet, ist sie dankbar für eine Auszeit auf dem Land: Gemeinsam mit Mutter Agnes (Franziska Walser) fährt sie in das Dorf, in dem sie aufgewachsen ist, um Omas Haus zu entrümpeln. Die Rückkehr ruft Erinnerungen an ihre Kindheit wach, eine eigentlich unbeschwerte Zeit, über die aber immer wieder Schatten fielen, weil ihre viel zu junge Mutter lieber im Auftrag von „Ärzte ohne Grenzen“ durch die Weltgeschichte reiste, als sich um die Tochter zu kümmern, und Sofie wegen ihrer ungewöhnlichen Kleider von den anderen Kindern gehänselt wurde.
Die Schauspielerin Edda Leesch schreibt immer wieder Drehbücher („Das Glück ist eine Katze“), die eine ganz eigene Mischung aus Nachdenklichkeit und Humor bieten, gern in Verbindung mit einer ordentlichen Portion Romantik. Dank der umwerfenden Natürlichkeit von Melika Foroutan folgt man Sofie bedingungslos durch Höhen und Tiefen. Die Arroganz der Großstädterin lässt sie die einstige Dorfjugend in völlig falschem Licht sehen. Tom zum Beispiel, ihre einstige große Liebe, hat keineswegs sein Potenzial vergeudet, wie sie vermutet, sondern war zwischenzeitlich „Manager des Jahres“, ehe er die Welt der Großfinanz steinreich hinter sich ließ und ins heimische Dorf zurückkehrte, um dort einen Hofladen zu führen. Weil Matthias Schloo den Jugendfreund ähnlich erfrischend verkörpert wie Foroutan ihre Sofie, passen die beiden prima zusammen. Nebenbei findet Sofie auch noch raus, warum ihre Großmutter nicht neben ihrem Mann bestattet werden wollte und weshalb der Dorfpastor deren Liebe zum titelgebenden Holunder teilt; eine wunderbare, überaus anrührende Altersrolle für Uwe Friedrichsen.
„Komposition insgesamt kreativ, den Garpunkt nicht ganz getroffen“, bewertet Sofie zu Beginn des Films ein Menü. Zumindest der erste Teil gilt auch für Leeschs Geschichte, die von Regisseurin Petra K. Wagner à point umgesetzt worden ist. Über Weisheiten wie „Für sein Glück ist niemand zuständig außer man selbst“ kann man problemlos weghören, und auch andere Details fallen nicht weiter negativ ins Gewicht, kämen aber gleichfalls als Gegenstand der Untersuchung in Frage: Warum sind in diesen Filmen die Jugendzimmer der Heldinnen immer gänzlich unverändert? Warum war Sofie jahrzehntelang nicht mehr in dem Dorf, obwohl sie ihre Großmutter innig geliebt hat? Warum haben die Männer in diesen Geschichten stets einen ungleich unbefangeneren Bezug zu ihrer Heimat? Und gehört der Satz „Ich habe völlig vergessen, wie schön es hier ist“ zur Vorgabe für die Autoren? tpg.