Der neue Ghostwriter für die Memoiren eines ehemaligen britischen Premierministers wird in Roman Polanskis aktuellem Geniestreich schnell in undurchdringliche Wirren politischer Intrigen und biographischer Ungereimtheiten verstrickt. Der polnisch-französische Regisseur erzählt die Geschichte nach einem Roman des englischen Starjournalisten Robert Harris als stimmungsvollen Politthriller voller Mysterien, rätselhafter Frauenfiguren und bedrohlicher Schatten der Vergangenheit. Kühle Settings und die regnerischen Küstenlandschaften Neuenglands schaffen ein intensives Gefühl der Beklemmung, der permanenten unterschwelligen Bedrohung. Scharfsinnige Wortgefechte, grandiose Darsteller und die Kunst der Anspielung mit unvorhersehbaren Wendungen zeichnen diese klassisch inszenierte Suspensegeschichte aus. Intelligenter, fein knisternder Thriller mit unentrinnbar subtiler Sogwirkung.
Jurybegründung:
Nacht. Im von heftigem Wind gepeitschten strömenden Regen ragt drohend der Bug einer Aufofähre ins Bild, bevor die Aussschiffung beginnt. Ein Auto bleibt, ohne Passagier dazu, auf dem Schiff. Eine düstere und spannungsgeladene Anfangsstimmung, die nichts Gutes verheißt. Die Bedrohung als Spannung vom ersten Bild an reißt nicht ab bis zum bitteren Ende des Protagonisten. Eine wichtige Rolle übernimmt dabei die Musik, wie sie die Bilder und das Geschehen emotional mitbestimmt. Sie drängt sich nicht auf, oft treibend bleibt sie trotzdem leise oder setzt auch auf musikalische Pausen.
Rastlose Ruhe und altmeisterliche Präzision sind die Bausteine von Roman Polanskis Thriller DER GHOSTWRITER. Bilder wie gemeißelt beim Einsatz von Licht und Ausstattung. Radikale Typisierungen in einem undurchschaubaren Gespinst von Abhängigkeiten um Macht, Ohnmacht und Einflussnahme. Wer zieht die Fäden, wer sind die Marionetten. Politik wird bei Polanski zur Farce und zugleich zur klassischen Tragödie, in der der Held untergeht, weil er seinem Schicksal nicht entkommen kann.
Ein Schriftsteller mit einem gutem Ruf willigt ein, als Ghostwriter (ausgezeichnet unterkühlt Ewan McGregor), die fast fertigen Memoiren des britischen Ex-Premiers Adam Lang für ein horrendes Honorar zu überarbeiten: Der Vorgänger als Ghostwriter wurde tot am Strand jener Insel aufgefunden, auf der Lang sich mit Mitarbeitern und Ehefrau in den USA abgeschottet unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen in einer luxuriös designten Betonvilla aufhält. Als ‚Ghost‘ des Ex-Premiers entdeckt der Autor erste Ungereimtheiten zum Tod seines Vorgängers. Selbstmord oder Mord ist der Ausgangspunkt einer lebensbedrohenden Recherche, die ihn immer tiefer in den Sumpf der Einflusssphäre des CIA hineinbringt. Konsequent sehen wir seine Perspektive, leiden und zittern mit ihm, wie er mit einer Mischung aus Mut und Angst die Geschichte mit ihren überraschenden Wendungen voran treibt und weitere Verflechtungen zur CIA aufdeckt.
Der konkrete politische Hintergrund mit seinen scheinbaren Bezügen zu Tony Blair und dem Irakkrieg und dessen Rolle ist die Folie von DER GHOSTWRITER. Diese Bezüge werden überhöht und durch eine Typisierungsstrategie der Akteure entwirklicht. Der Ex-Premier (sehr gut naiv überpointierend Pierce Brosnan) wird als politischer Schauspieler dekonstruiert und seine Ehefrau Ruth (Olivia Williams) als ihn dirigierende CIA-Agentin enttarnt, die den Premier zu einer von ihr zu steuernden Marionette gemacht hatte. Auf der individuellen Ebene erlebt man sie aber auch eifersüchtelnd an der offensichtlichen Beziehung zwischen ihrem Mann und der ihn liebenden engsten Mitarbeiterin. Ernsthaftigkeit oder gespieltes Ablenkungsmanöver, die Ebenen verschwimmen und man weiß nicht, wer von wem abhängt.
Die Orte im Film sind eigenartig klaustrophobisch angelegt. Die Akteure agieren als Gefangene eines undurchschaubaren Systems von gegenseitiger Kontrolle und Anweisungen, in dem sie Chiffren von Wirklichkeit der CIA-Methoden darstellen. Das Aufdecken dieser Machenschaften durch den Protagonisten, der als namenloser ‚Geist‘ durch die Geschichte getrieben wird, ergibt einen herausragenden Thriller, der auf seiner Erzählebene seine intensive Spannung auf hohem gestalterischen Niveau ohne technische Effekthascherei eine dichte Atmosphäre erreicht. Die komplexere politische Dimension erschließt sich dem Zuschauer aus dem direkten intensiven Mitgehen und Miterleben der individuellen Ohnmacht des Protagonisten von Vorgängen, die dieser meist zu spät oder kaum selbst durchschaut und dem Betrachter mit Hochspannung nachvollziehen lässt. Und wer dieses System aufzudecken versucht und damit stört, ist der Leidtragende und wird ohne Gnade vernichtet. Eine meisterhafte Leistung des Films DER GHOSTWRITER von Roman Polanski.
Quelle: Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW)