Die Neuverfilmung von „König der Löwen“ entfacht erneut die alte Diskussion: „Original vs Remake: Was ist besser?“ Letztlich kann das natürlich jeder nur für sich selbst entscheiden. Ich persönlich finde das Original „König der Löwen“ von 1994 insgesamt besser als die Neuverfilmung. Die realistischen Gesichter der Tiere im Remake lassen für mich beispielsweise manchmal zu stark die Emotionen der Figuren vermissen.
Dennoch möchte ich in die teilweise doch recht deutliche Ablehnung gegen die 2019er-Version nicht einsteigen. Einige Aspekte und Kleinigkeiten hat das Remake meiner Meinung nach sogar besser gemacht als das Original – und das dafür angebrachte Lob möchte ich nicht zu kurz kommen lassen.
Simba schleicht sich diesmal wirklich an
Im Original von 1994 befiehlt Mufasa seinem Untergebenen Zazu, sich umzudrehen, wenn Simba üben will, sich anzuschleichen. Zazu weiß dadurch also, dass Simba ihn angreifen wird, was die Übung ein wenig ineffektiv macht. Im Remake schleicht sich der junge Löwenprinz hingegen tatsächlich an, Zazu bemerkt es nicht, bevor es zu spät ist. Das Original hat durch Mufasas Befehl zwar früh deutlich gezeigt, dass Zazu ein Lakai ist. Diese Position des Vogels wird aber im weiteren Verlauf des Remakes ohnehin klar. Entsprechend finde ich die Schleichübung insgesamt im Remake besser umgesetzt, weil sie das eigentlich Ziel stärker erreicht.
Der ewige Kreis vs Timon und Pumbaa
Es ist wohl einer der größten Kritikpunkte an „Der König der Löwen“: Die Botschaft vom ewigen Kreis, mit dem Mufasa seinem kleinen Sohn erzählen will, warum Löwen und Antilopen in Harmonie leben – obwohl die Raubtierherrscher ihre Untertanen fressen. Die ausbeutende Moral dahinter hat das Original kaum thematisiert, das Remake macht in der Form von Timon und Pumbaa einen für mich wichtigen Schritt in die richtige Richtung.
Die beiden fungieren in der Mitte der Neuverfilmung als Gegenstimme, die Simbas anerzogene Weltsicht anzweifeln. Denn auch wenn die Löwen irgendwann zu Gras werden, für ihre friedlicheren Untertanen ist die Botschaft vom ewigen Kreis durchaus zynisch. Schließlich leben sie als Beute in der Nahrungskette. Verständlich, dass sie ihre Beziehung zum Löwen-Adel deswegen deutlich schlechter wahrnehmen, als die Herrscher es selbst tun.
Mehr Hakuna Matata
Timon und Pumbaa sind im Original ziemlich isoliert in ihrem paradiesischen Teil des Dschungels. Das Remake stellt ihren Hakuna-Matata-Lebensstil hingegen stärker heraus und illustriert quasi ein eigenes Biotop mit vielen verschiedenen Tieren, die allesamt in Harmonie leben (mit Ausnahme der Insekten versteht sich). Dadurch füllt die Neuverfilmung diesen Part der Geschichte buchstäblich mit mehr Leben. Timon und Pumbaa wirken dadurch nicht derart stark wie Außenseiter, sondern eher als Vorreiter eines für viele durchaus überzeugenden Lebensstils. Zudem nutzt die 2019er-Version die zusätzlichen Tiere wie ich finde gelungen für weitere humoristische Einlagen, als gekonnte Gesangspartner und verstärkt zudem die schockierte Reaktion, wenn Nala Pumbaa angreift.
Scars schlechte Herrschaft
„König der Löwen“ von 1994 konzentriert sich auf Simba, sobald dieser von seiner Familie flieht. Die neue Version hingegen liefert uns mehr Hintergrundinformationen über die schreckliche Herrschaft von Scar. Dass der Umzug der Hyänen zum Königsfelsen mitverantwortlichen für den Niedergang der einst blühenden Landschaft ist, kann man sich beim Original denken. Die Neuverfilmung stellt diesen Aspekt jedoch bildlich dar, wodurch dieser Handlungsstrang vermutlich vor allem für Kinder besser zu verstehen ist. Wir sehen Scar und seine Hyänen bei der Jagd, es wird diesmal sogar darüber geredet, dass der neue Herrscher mit seiner Armee die gesamte potentielle Beute der Gegend getötet hat. Ohne viel Aufwand thematisiert das Remake also meiner Meinung nach stimmig einen Aspekt von Scars verfehlter Herrschaft, der beim Original leicht übersehen werden kann. (Warum das gesamte Land austrocknet, sobald keine Pflanzenfresser mehr da sind, vermag aber auch die Neuauflage für mich nicht logisch zu erklären.)
Sarabi gegen Scar
Zusätzlich rückt mit Scars stärker dargestellten Herrschaft Sarabi, Simbas Mutter, mehr in den Vordergrund. Die stolze Löwin erklärt Scar im Original lediglich, dass keine Nahrung mehr vorhanden ist und die Familie deswegen weiterziehen müsste. Die Neuverfilmung bringt jedoch einen weiteren interessanten Aspekt ins Spiel: Scar will Sarabi zu seiner Königin machen. Möchte er damit seine Herrschaft legitimieren, begehrt er Sarabi tatsächlich oder will er sich ultimativ an Mufasa rächen? Das bleibt offen, ist bezüglich Scars finsterer, kalkulierender Art aber eine durchaus passende Ambivalenz. Vielleicht ist es gar eine Mischung aus allen drei Gründen. Sarabi erhält durch diesen Schachzug ohnehin eine stärkere Präsenz, was für mich eine willkommene Verbesserung zu ihrer kaum existenten Charakterisierung aus dem 1994er-„König der Löwen“ ist.
Nalas Mission und Zazus Einsatz
Genau wie Sarabi sind auch Nala und Zazu aktivere Figuren im Remake. So sehen wir, wie sich Nala gegenüber ihrem Rudel aktiv dafür einsetzt, nach Hilfe zu suchen. Selbst gegen die Widersprüche von Sarabi zieht sie alleine in der Nacht los. Dabei erwischen Scar und seinen Schergen sie fast. Nur Zazu ist es zu verdanken, dass sie unbeschadet fliehen kann. Der Vogel lenkt heldenhaft die Hyänen und Scar ab, wobei er sich selbst in Gefahr begibt und eine entsprechend größere Rolle einnimmt als im Original.
Mehr Realismus im entscheidenden Kampf
Der realistische Ansatz ist für viele Zuschauer der größte Knackpunkt beim neuen „König der Löwen“. Die ausschließlich am Computer entstanden Bilder sind zweifellos beeindruckend. Wie eingangs erwähnt, fehlen mir allerdings durch den Realismus oftmals die Emotionen in den Gesichtern der Tiere. An anderen Stellen war ich wiederum überrascht, wie überzeugend die Macher ihren eigenen Anspruch mit der Vorlage in Einklang bringen konnten. Mufasas Geist konnte man in diesem Stil wohl kaum besser darstellen als in der Form einer Wolke, die wiederholt von Blitzen beleuchtet wird.
Ich kann jedoch absolut verstehen, wenn Fans des Originals in der neuen Version der farbenfrohe, comichafte Stil gefehlt hat, der mit dem realistischen Ansatz kaum zu vereinbaren ist. Gerade beim entscheidenden Kampf fand ich den geerdeten Stil jedoch deutlich besser. Wenn Simba an der Klippe hängt, beißt er sich jetzt in Scar fest, der ihn dadurch unfreiwillig wieder nach oben zieht. Im Original springt Simba einfach wie durch ein Wunder auf einmal hoch, nachdem er durch Scars Geständnis wütend wird.
Zudem wirkt auf mich, mit ein paar Jahren Abstand, Rafikis Kampfstil mit dem Stock im Original ein wenig übertrieben. Mit geschmeidigen Bewegungen und einer ausgeklügelten Choreografie besiegt er wie ein Kampfsportmeister die Hyänen, was ich angesichts des ansonsten eher ernsten Kampfes als dezent lächerlich und unstimmig wahrnahm. In der Neuverfilmung schwingt er den Stock als Waffe jetzt deutlich realistischer, was mir persönlich besser gefällt. Eine Kleinigkeit, keine Frage und absolut Geschmackssache.
Die dicke Sau
Die nächste Kleinigkeit, aber ich möchte sie nicht unerwähnt lassen: Im 1994er-Film geht Pumbaa von Wut erfüllt auf die Hyänen los, weil diese ihn als Sau bezeichnen. Ich habe mich bei dieser Szene gefragt: Wurde uns vorher gesagt, dass Pumbaa diese Bezeichnung nicht mag? Nein, wurde es nicht, was durchaus gegen eine der Grundregeln des Films verstößt: Bevor man etwas einlösen will, sollte man es aufbauen. Entsprechend hätte „König der Löwen“ etablieren sollen, dass Pumbaa die Bezeichnung Sau nicht mag. Bei einem Warzenschwein ist das für mich ehrlich gesagt nicht selbstverständlich.
Im Remake rastet Pumbaa dagegen aus, weil ihn die Hyänen als dick bezeichnen. Auch das wurde im Vorfeld nicht wirklich gut etabliert, aber zumindest konnte ich es diesmal direkt nachvollziehen. Wer wird schließlich schon gerne als dick bezeichnet? Da nehmen sich Menschen und Tiere vermutlich nichts…