Der Kreis: Mit dem Teddy Award ausgezeichnetes Doku-Drama um den Züricher Homosexuellen-Zirkel, der 1967 aufgelöst wurde.
Handlung und Hintergrund
Ende der Fünfzigerjahre kommt der aus dem sittenstrengen Deutschland geflohene Literaturlehrer Ernst nach Zürich. Er abonniert die Kunstzeitschrift „Der Kreis“, das zu jenem Zeitpunkt weltweit einzige Schwulenmagazin. Auf den davon organisierten Tanzabenden verliebt er sich in Friseur und Travestiekünstler Röbi, dem Gesangsstar der Verbindung. Während Röbis Mutter ihre Beziehung unterstützt, muss Ernst sie vor seinen konservativen Eltern geheim halten. Als Mitte der Sechzigerjahre Stricher schwule Kunden ermorden, macht die Polizei Opfer zu Tätern und beginnt eine brutale Hetze.
Besetzung und Crew
Regisseur
Produzent
Darsteller
- Matthias Hungerbühler,
- Sven Schelker,
- Anatole Taubman,
- Marianne Sägebrecht,
- Stefan Witschi,
- Antoine Monot, Jr.,
- Matthias Meier,
- Peter Jecklin,
- Babette Arens,
- Markus Merz,
- Martin Hug,
- Marie Leuenberger
Drehbuch
- Stefan Haupt,
- Ivan Madeo,
- Urs Frey
Musik
Kamera
- Tobias Dengler,
- Ernst Immer,
- Patrick Lindenmaier
Schnitt
Kritikerrezensionen
Cinefacts.de
Rund um die lebenslange Liebesgeschichte zwischen dem Lehrer Ernst Ostertag und dem Friseur Röbi Rapp fächert Stefan Haupt ("Elisabeth Kübler-Ross Dem Tod ins Gesicht sehen", "Utopia Blues") mit der Doku-Fiction "Der Kreis" ein wichtiges Kapitel der Schwulenbewegung auf. Zwischen Interviews mit den beiden Protagonisten, die 2007 als erstes Schweizer Männerpaar eine eingetragene Partnerschaft eingingen, und historischen Aufnahme sowie Archivfotos bereitet Haupt die Geschichte der Zeitschrift "Der Kreis" als einziges Kommunikationsmittel der homosexuellen Szene auf. Zwar wurde das Ergebnis auf der Berlinale 2014 als bester Dokumentarfilm mit dem "Teddy"-Preis ausgezeichnet. Doch die Spielszenen nehmen insgesamt den breiteren Raum ein.
Als Organisation samt Publikation wurde "Der Kreis" schon in den dreißiger Jahren gegründet. Das Magazin mit Erzählungen, Fotos und Illustrationen, stets von der Schweizer Zensur geprüft und in der Bundesrepublik gelegentlich indiziert, diente als Clubzeitschrift und Organ für die Rechte von Homosexuellen. Nach finanziellen Schwierigkeiten und einem Abonnentenrückgang musste die Zeitschrift 1967 eingestellt werden. Wesentlich freizügigere Printerzeugnisse, meistens aus dem Skandinavischen Raum, liefen dem unter der Hand vertriebenen Heft in den Sechzigern den Rang ab. Mit "Club 68" erschien allerdings bald ein Nachfolgeprojekt. Gleichsam verdeutlicht die filmische Rekonstruktion den steten Widerstreit zwischen dem um Deeskalation bedachten Herausgeber "Rolf" alias Schauspieler Karl Meier und den streitbaren jüngeren Mitarbeitern.
Anfangs wirken die Spielszenen etwas konventionell und behäbig, obwohl die Rekonstruktion der biederen Fünfziger samt Lokalkolorit stimmig wirkt. Im Mittelteil mit der Hexenjagd auf die Schwulenszene nehmen Spannung und Inszenierungsdichte stetig zu. In den frühen Fünfzigern konnte die Klubszene noch unter der recht liberalen Schweizer Haltung gedeihen. Doch mit den Morden an Homosexuellen durch Stricher, wobei die Opfer zu Tätern degradiert und die Täter als Opfer der Umstände dargestellt wurden, änderte sich die Stimmung. Zwischen dem Verbot der beliebten Ballveranstaltungen, Razzien, Verhaftungen und der Bloßstellung in der Öffentlichkeit startete eine beispiellose Hetze. Hier zieht Haupts "Der Kreis" Parallelen zur McCarthy-Kommunistenhatz in Amerika, die am Anfang kurz erwähnt wird.
Exemplarisch steht die Beziehung von Ernst und Röbi im Fokus, die mitunter in Bedrängnis gerät als Röbi im Polizeiverhör seinen Freund unfreiwillig denunziert und Ernst einem Seitensprung mit dem charismatischen Felix (Anatole Taubman aus "Northmen A Viking Saga") nicht wiedersteht. Dass die dramatischen Zuspitzungen der Wahrheit entsprechen, belegen stets Ostertags und Rapps Aussagen auf der Dokumentarebene. Daneben werden die Nebenfiguren wie Felix, Rolf oder das familiäre Umfeld stets glaubwürdig gezeichnet, weshalb sie nicht nur Staffage verkommen. Allein angesichts der Diskriminierung Homosexueller in der Sowjetunion lässt der Schweizer Oscar-Vorschlag "Der Kreis" seine anhaltende Brisanz erkennen.
Fazit: "Der Kreis" verbindet eine lebenslange Liebesbeziehung mit der Entwicklung der gleichnamigen Homosexuellenzeitschrift als eindringlicher Appell für Meinungsfreiheit und Gleichheit.
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Der Kreis Kritik
Der Kreis: Mit dem Teddy Award ausgezeichnetes Doku-Drama um den Züricher Homosexuellen-Zirkel, der 1967 aufgelöst wurde.
Mit dem Teddy Award ausgezeichnetes Doku-Drama um den Züricher Homosexuellen-Zirkel, der 1967 aufgelöst wurde.
2003 heirateten Ernst Ostertag und Röbi Rapp, zwei Pioniere der eidgenössischen Schwulenbewegung, als erstes gleichgeschlechtliches Paar der Schweiz. In gemeinsamen Interviewausschnitten erinnern sie (und andere Zeitzeugen) sich an ihre Liebesgeschichte, die 1958 begann und lange im Untergrund stattfand, einschließlich dauernder Angst vor Entdeckung, Denunziation und Repressalien. Dem Gesetz nach war die Schweiz damals zwar liberal, Homosexualität aber gesellschaftlich geächtet. Beider Geschichte ist untrennbar mit derjenigen der Literatur- und Kunstzeitschrift „Der Kreis“ verbunden, des anfangs weltweit einzigen Schwulenmagazins, wo man subversiv die Kontrollinstanzen der Sittenzensur unterlief.
Der Schweizer Stefan Haupt („Elisabeth Kübler-Ross“) wollte zunächst einen reinen Spielfilm daraus machen, flocht wegen Finanzierungsschwierigkeiten aber Doku-Aufnahmen mit ein; sie vervollständigen informativ die atmosphärisch gelungenen, treffend ausgestatteten und emotional überzeugenden fiktionalen Szenen, die mit dem deutschstämmigen Lehramtsanwärter Ernst (Matthias Hungerbühler) beginnen. Für die Aufnahme in den Kreis riskiert er seinen Job, beim ersten Tanzabend verliebt er sich in Friseur und Travestiekünstler Röbi (Sven Schelker), den Gesangsstar der Verbindung. Während Röbis Mutter (liebenswert: Marianne Sägebrecht) ihren Sohn unterstützt, halten Ernsts konservative, gutbürgerliche Eltern Schwule für „seelische Krüppel“, ohne seine sexuelle Orientierung zu ahnen.
Dass er sich zu ihren Lebzeiten nie outete, ist eine tragische Randnotiz - und nicht die einzige. Zwar war das mondäne Zürich zeitweilig eine ideale Zuflucht der Szene, weil kein inkriminierender Paragraf 175 wie in Deutschland herrschte. Aber als Stricher zwei Morde an Schwulen begingen, nahmen die Behörden dies zum willkommenen Anlass für eine Hetzkampagne gegen das Milieu. Ans heutige Russland erinnernde Demütigungen, Erpressungen und Misshandlungen eines widerlichen Polizeiapparats beendeten 1967 die Geschichte des Kreises. Der in Berlin mit dem Teddy Award sowie dem Publikumspreis ausgezeichnete Film unterbreitet ein Stück unbekannter (Züricher) Zeitgeschichte. Und das anhand einer vor Eifersucht nicht gefeiten Liebe (Auftritt: Anatole Taubman mit Bleistiftbärtchen), die ihren Traum, eines Tages in Freiheit zu leben, schließlich verwirklichen konnte. tk.
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