Anzeige
Anzeige

Der letzte Zug: 19. April 1943. In einer Berliner Amtsstube der SS will ein junger Offizier in vorauseilendem Gehorsam dem Führer zum Geburtstag ein "judenfreies Berlin" schenken. Fast 70.000 Juden sind bereits abtransportiert worden. Anhand einer bürokratisch penibel erstellten Todesliste spüren Nazischergen nun die letzten 688 jüdischen Frauen, Männer und Kinder in deren Wohnungen auf. Die junge Ruth Zilbermann und ihr Verlobter...

Erfahre mehr zu unseren Affiliate-Links
Wenn du über diese Links einkaufst, erhalten wir eine Provision, die unsere redaktionelle Arbeit unterstützt. Der Preis für dich bleibt dabei unverändert. Diese Affiliate-Links sind durch ein Symbol gekennzeichnet.  Mehr erfahren.

Handlung und Hintergrund

Im Frühjahr 1943 planen die Nationalsozialisten die Deportation der letzten verbliebenen Juden in die Todesfabriken im Osten. In den bereit gestellten Viehwaggons der Reichsbahn landet ein bunter Querschnitt der Gesellschaft, von der gutsituierten Arztfamilie über ein junges Liebespaar, vom Künstler bis zum Boxer, Akademiker oder Hilfsarbeiter, Konservativer oder Anarchist. Das alles spielt nun keine Rolle mehr. Beinahe keine mehr, denn viel haben die Gefangenen verloren, aber noch nicht ihre Würde.

Joseph Vilsmaier

1943 werden etliche Juden aus Berlin am Grunewalder Bahnhof zusammengetrieben, um sie ins KZ Auschwitz zu bringen. In einem Waggon werden u.a. ein Doktor mit seiner Familie, ein junges Liebespaar, ein Boxer mit seiner Frau und seinen beiden Kindern gepfercht. Hunger, Durst, Kälte und die Enge machen die Fahrt zur Hölle. Nur zwei Menschen werden den Transport überleben und ihre Erinnerung weitergeben können.

Anzeige

1943 machen die Nazis ernst mit dem „judenreinen“ Berlin. Mitte April geht der letzte Zug mit insgesamt 688 Gefangenen nach Auschwitz. Sechs Tage verbringen die Menschen eingepfercht in den Waggons, immer wieder kommt es zu Erschießungen, Todesfällen aus Erschöpfung oder Wassermangel. Aber gleichzeitig verfolgen einige der Männer einen kühnen Plan, sägen in stundenlanger Arbeit die Gitterstäbe durch; doch die zwei Entflohenen werden eingeholt und ermordet. Als letzte Chance bliebe, ein Loch in den Boden zu schaben.

Besetzung und Crew

Regisseur
  • Joseph Vilsmaier,
  • Dana Vávrová
Produzent
  • Ivo Pavelek,
  • Artur Brauner
Darsteller
  • Gedeon Burkhard,
  • Lale Yavas,
  • Lena Beyerling,
  • Juraj Kukura,
  • Sibel Kekilli,
  • Roman Roth,
  • Hans-Jürgen Silbermann,
  • Brigitte Grothum,
  • Ludwig Blochberger
Drehbuch
  • Stephen Glantz
Musik
  • Christian Heyne
Schnitt
  • Uli Schön

Kritikerrezensionen

    1. Das bewährte Filmemacher-Paar Joseph Vilsmaier und Dana Vávrová wagt sich an ein sehr schwieriges Thema. Schwierig auch deshalb, weil das unbeschreibliche Elend in den überfüllten Viehwaggons und die menschenverachtende Haltung nicht nur der Nazis den Insassen gegenüber viele Zuschauer, und sei es auch nur angerissen, schon irgendwoher kennen.

      Warum also dieser Film? Hat man einen Erkenntnisgewinn, historisch oder emotional, über die Katastrophe der „Endlösung“, indem man hier erneut ein paar Menschen für einen Spielfilm verdursten, ihre Hoffnung verlieren, dem Wahnsinn nahe kommen sieht? Dieser Film ist nichts Neues, und doch hat er seine Berechtigung: Die Regisseure wollen gegen das Vergessen ankämpfen und vor allem jüngeren Zuschauern zeigen, was mit jüdischen Menschen in diesem Land geschehen ist. „Der letzte Zug“ soll am 9. November in die Kinos kommen, dem Datum der Reichskristallnacht, als 1938 die offene Judenverfolgung der Nazi-Ära anfing, die in den Holocaust münden sollte.

      Vilsmaier und Vávrová zeigen im wesentlichen anhand der Schicksale dreier Paare im Waggon und ihrer Erinnerungen an bessere Tage exemplarisch, wie in einem filmischen Nachschlagewerk, welche Komponenten zur Deportation in das Todeslager Auschwitz gehörten. Da ist die zur Naturideologie gesteigerte Judenverachtung des begleitenden SS-Mannes. Die Deportierten hören nicht nur ständig, dass sie keine Menschen seien, sie müssen auch damit rechnen, wegen einer plötzlichen Laune des Uniformierten sofort erschossen zu werden.

      In einem Waggon, in dem sich ein Eimer Trinkwasser befindet, müssen 100 Menschen ausharren. Die Familie Neumann hat einen Säugling, neben ihnen sitzt ein altes Paar – das Elend wird im Laufe der Tage manche in den Wahnsinn treiben, manche sterben lassen. Die Aufmüpfigeren, wie der junge Albert Rosen und Familienvater Henry Neumann, gespielt von Gedeon Burkhard, sägen an den Eisenstäben des kleinen Fensters. Später schlagen sie ein kleines Loch in den Holzboden – werden wenigstens einige von ihnen noch entkommen können?

      Wer die Gesichter an den Eisenstäben vom Bahnsteig aus sieht, wendet sich meistens stillschweigend, oder offen gleichgültig, wieder ab. Der polnische Heizer der Dampflok ist ein exemplarischer Antisemit. Diese Einstellung war zu der Zeit auch in den osteuropäischen Ländern verbreitet, man weiß das zum Beispiel aus Claude Lanzmanns neunstündiger Dokumentation „Shoah“ von 1985. Doch welche jungen Menschen werden diese Chronik des organisierten Wahnsinns, mit dem Deutschland ganz Europa heimsuchte, noch zu sehen bekommen?

      Ein weiteres Exempel aus „Der letzte Zug“ zeigt, wie die Not der Entrechteten ausgenutzt wurde: Die Verdurstenden pressen ihre letzten Schmuckstücke durch die Ritzen des Waggons, damit Reinigungskräfte den Wasserschlauch auf das Fenster richten. Handwerklich solide gemacht, sehr komprimiert, sehr exemplarisch gerafft, personalisiert anhand von Individuen, die als Charaktere – weil der Leidensprozess im Vordergrund steht – sehr wenig Spielraum erhalten.

      Manchmal agieren die Figuren, als wären sie in der heutigen Zeit beheimatet, manchmal befolgen sie auch nur schnelle Regieanweisungen, die etwa gelautet haben könnten: Zeige durch Lächeln mit geschlossenen Augen, wie du dich in scheinbar grundlose Zuversicht rettest. Das sind Kleinigkeiten jedoch, in einem Film, der jungen Zuschauern all das zeigen will, was ältere aus vielen einzelnen, früheren Werken zusammenklauben mussten. Die symbolhafte Verdichtung vieler angeschnittener Aspekte des Holocaust bedarf jedoch wahrscheinlich einer zusätzlichen Erläuterung, gerade wenn das Publikum zu jung ist, um die Beispiele durch Wissen einordnen zu können.

      Fazit: Sechs Tage im Viehwaggon nach Auschwitz: Handwerklich solides Drama, das zur exemplarischen Erinnerung an den Holocaust komprimiert wird.
      Mehr anzeigen
      1. Beeindruckend gelungen ist das filmische Wagnis, dem unvorstellbaren Grauen der Judenausrottung Namen und Gesichter zu geben, einen Wagon „zur Vernichtung bestimmter“ Menschen auf der sechstägigen Eisenbahnfahrt nach Auschwitz zu begleiten. Der behutsam und verantwortlich inszenierte Film hat Kraft und Wucht, ist ein Herz und Verstand bewegendes Plädoyer für Menschlichkeit. Auch für Schüler ab der Oberstufe besonders zu empfehlen.

        Jurybegründung:

        688 Juden werden 1943 in einem Zug von Berlin-Grünewald nach Auschwitz transportiert. Sechs grauenvolle Tage dauert die Fahrt in das Vernichtungslager. Nur zwei können rechtzeitig fliehen.

        Was bedeutet es, einen Leidensweg leben zu müssen? Wie leben im Angesicht des Todes, wie die Würde bewahren unter den Bedingungen der Entwürdigung? Diese ungewöhnliche Perspektive entwickelt der Film mit großer Intensität am Beispiel einer Gruppe von Menschen, die zu den letzten Juden gehören, die bis 1943 noch in Berlin gelebt haben. Von der SS brutalst zusammengetrieben auf dem Bahnsteig finden sich Menschen, die eben noch in ihrer bürgerlichen Wohnung schliefen, eingepfercht in einem Vieh-Waggon wieder.

        Wie radikal sich ihr Dasein gewandelt hat und wie extrem ihre Situation ist, zeigt der Film chronologisch vom ersten bis zum sechsten, letzten Tag. Je weiter die Zeit voran schreitet, desto mehr und desto sichtbarer schwinden die Verhaltensweisen aus der Zeit der Normalität: Höflichkeit, gesittetes Aussehen, Rücksichtnahme. Bald beginnen Hunger und Durst zu quälen, die Hitze des Wagons wird unerträglich. Säuglinge sterben. Mehr und mehr schwindet auch die Körperkraft. Hoffnungslosigkeit und Resignation machen sich breit, Anzeichen von Wahnsinn treten auf, als die ersten Toten im Wagon liegen. Bald wird man sie stapeln müssen…

        Erinnerungen an schöne friedvolle Zeiten - dies ein kluges dramaturgisches Element auch für das Kinopublikum, um den Film aushalten zu können - helfen anfangs noch, sich der extremen Situation zu entziehen. Draußen, jenseits der Fenstergitter des Wagons wenden Nonnen sich ab, wenn sie den Abtransport der Juden sehen, spielen Wehrmacht-Soldaten auf dem Rasen, werden SS-Opfer an einem Galgen gehenkt. Einige Männer im Wagon versuchen, einen Fluchtweg zu schaffen und arbeiten rastlos mit primitivem Werkzeug. Für ein paar Spritzer Wasser lassen sich polnische Arbeiter mit Schmuckstücken aus dem Wagon bezahlen. Einige Wehrmacht-Soldaten haben Mitleid und schieben Brotstücke durch die Fenstergitter. Ukrainische SS-Soldaten machen sich einen Spaß daraus, die Menschen im Zug zu quälen.

        Der Film zeigt den Albtraum eines Daseins unter traumatischen Bedingungen ungeheuer plastisch. Grauen und Leid werden förmlich physisch spürbar. Der Film rührt an ein Tabu, das unvorstellbare Grauen anschaulich zu machen, geht damit höchst verantwortungsvoll und eindrücklich um. Produzent Artur Brauner hat die Massenvernichtungen in Polen am eigenen Leib erfahren, er floh aus dem Ghetto, entkam nur knapp dem Tod. Zwölf Angehörige seiner Familie wurden Opfer des Massakers in der Schlucht von Babij Jar. Filme gegen das Vergessen sind und waren Artur Brauners größtes Anliegen. „Der letzte Zug“, dessen darstellerische und inszenatorische Leistungen beeindruckend sind, hat Kraft und Wucht wie ein Vermächtnis. Die FBW-Jury fand den Film explizit auch besonders geeignet für Schüler ab der Oberstufe.

        Quelle: Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW)
        Mehr anzeigen
      Anzeige