Kriegsfilme aus Deutschland haben gelinde gesagt einen schweren Stand. Denn da ist dieses gewaltige Legitimationsproblem, sind doch beide Weltkriege von deutschem Boden ausgegangen. Andererseits verlangt das Genre nach Geschichten von Kampf und Heldentum ob als Faszinosum und Sensation oder als Warnung und Kritik. Auf jeden Fall aber mit zur Identifikation einladenden Charakteren: die aber wieder allzu leicht als Apologien des deutschen Militarismus verstanden werden können...
Nun hat Regisseur Nikolai Muellerschoen vor vier Jahren einen Film über Manfred von Richthofen konzipiert, der jetzt zum 90. Todestag des Roten Baron ins Kino kommt. Eine ohne Filmförderung finanzierte 40-Millionen-Produktion, die der in Kalifornien lebende Filmemacher nicht einem Hollywood-Studio anvertrauen wollte (oder es dort nicht unterbringen konnte?) und die also nun von Deutschland aus die Welt erobern soll. Schließlich ist von Richthofen vor allem auch im Ausland noch heute bekannt und respektiert. Und deshalb sind neben bekannten deutschen Darstellern mit Lena Headey als love object und Joseph Fiennes in einem Gastauftritt internationale Stars (wenn auch nicht von der A-Liste) dabei; und gedreht wurde auf englisch (was wiederum leider zu einer recht miesen deutschen Synchronisation führte).
Und so einerseits um erfolgreich zu sein, andererseits, um der Historie gerecht zu werden, drittens, um nicht in den Ruch des Militaristischen zu geraten muss der Film einen Spagat hinlegen zwischen Kriegsgeschichte und pazifistischem Geist, muss einen sympathischen Helden zeigen und sich vor dem Vorwurf blutlüsterner Militärpropaganda schützen. Ein Spagat muss das sein, der dem Mythos der ritterlichen Luftkämpfer bedient, ohne das elende Massensterben unten auf den Schlachtfeldern zu vergessen war doch Weltkrieg Nr. 1 auch der erste große soldatische Massenmord in den Schützengräben von Frankreich. Der die Begeisterung der jungen Piloten beschreibt, die weniger dem Krieg als vielmehr der Technik, der Taktik, der Jagd, dem respektvollen wettbewerblichen Duell in den Wolken auf Augenhöhe mit dem Feind galt die aber gleichzeitig durch ihren Kampf im Himmel den massenhaften anonymen Tod im Felde unterstützen. Ein Spagat ist das, bei dem Muellerschoens Roter Baron mehrmals auf die Schnauze fällt.
So gibt es zum Beispiel kaum Luftkämpfe dabei geht es doch genau darum. Hatten die Macher Angst, dass ihnen Kriegslüsternheit vorgeworfen würde? Oder hatten sie schlicht nicht genügend CGI-Mittel, um das Kämpfen (und Sterben) in der Luft zu zeigen? Dabei ist ja klar, dass es bei den feindlichen Gefechten im Luftraum nicht nur einfach um den Effekt, um die Lust an der Jagd, um die potentiellen visuelle Kraft des im dreidimensionalen Raum beweglichen Flugzeuge gehen kann. Es geht ja bei von Richthofens Jagstaffel in der Luft nicht bloß darum, einen Fliegenden Zirkus zu inszenieren, sondern auch um die Darstellung von taktischem und fliegerischem Geschick des Barons das ist ja der Kern des Mythos, der Kern auch des Films, der aber einfach weggelassen, im Ungefähren gelassen wird. Und so bleibt der legendäre Ruf nur Behauptung, wird nie (be)greifbar. Und wenn dann doch mal ein Luftkampf gezeigt wird nach einer dreiviertel Stunde, dann unelegant, ohne Raffinesse, zersetzt mit Großaufnahmen der fliegenden Kämpfer, die freilich der Übersichtlichkeit hinderlich sind.
Man will halt einen Helden haben, der nicht heldenhaft sein darf. Dabei aber sitzen die Filmemacher schlicht dem Missverständnis auf, im Kriegsfilm einen Helden zu zeigen sei sogleich affirmativ, apologetisch, ja vielleicht auch revisionistisch oder reaktionär. So zieht Der Rote Baron immer wieder den Schwanz ein, lässt zum Beispiel entgegen den Genreregeln den Zuschauern keine Chance zum Abschied von Fliegerkameraden des Barons, was aber weniger einen kühnen Bruch mit den Konventionen denn eine Unbeholfenheit im Umgang mit der Dramaturgie zu sein scheint das Abgeschossenwerden, der Tod der Piloten wird einfach weggelassen und nur über die Reaktionen des Barons, also gebrochen und über Bande erzählt. Und wie im weitgehenden Fehlen von Luftkämpfen mangelt es auch durch das weitgehende Fehlen der direkten Sterbensdarstellung an Unmittelbarkeit, die auch eine pazifistische Botschaft im Kriegsfilm braucht.
Und andererseits wird Manfred von Richthofen eben doch als Held inszeniert, und den Klischees des Genres wird doch entsprochen. Da gibt es dann gleich am Anfang eine allzu kitschige Initiation des jungen Manfred in einem sonnendurchfluteten Wald, mit einem Reh und einem Gewehr und einem Pferd und einem Flugzeug am Himmel, dem das Kind fasziniert folgt; da wird dann verschämt der Vizekommandeur in Richthofens Jagdfliegerstaffel Doering genannt (statt dem später huchje Obernazi Hermann G.); da ist von Richthofen halt doch der integre Mensch, der nun mal im Krieg fliegen und Feinde abknallen muss und dem der Kick des Fliegens auch den Tod vieler, vieler Gegner wert ist. Da ist dann eine obligatorische Liebesgeschichte mit einer eher fehlbesetzten Lena Headey, da ist eine symbolische Begegnung auf freiem Feld mit dem kanadischen Feindpiloten Roy Brown, der fast von Richthofens Freund sein könnte und dem später (Ironie, Ironie!) der Abschuss des Roten Baron zugeschrieben wird. Da ist die Respektlosigkeit des Flieger-Ass gegenüber seinen Vorgesetzten im Wissen, der Beste zu sein, die ihn als individualistisch, anständig, unbeschwert und mit gesundem Menschenverstand ausgestattet zeigen, da ist eine völlig unglaubwürdige Begegnung mit dem deutschen Kaiser, dem der Baron den Krieg erklärt und den Frieden predigt; da ist weils halt dazugehört ein Bruderzwist zwischen Manfred und Lothar, in dem es um sportlichen Ehrgeiz versus kriegerische Törungsambitionen im Luftkampf geht.
Und um all diese Konventionen, ja: Klischees zu potenzieren, wird Dialog drübergegossen, der aber die Wandlung des Barons zum Pazifisten im Krieg auch nicht glaubwürdiger machen kann. Jagd, Kampf, Freiheit, Spiel, Traum: das sind Schlüsselbegriffe, in einen Paar-Satz-Monolog des Barons gedrängt. Die Krankenschwester Käte vertritt dazu die Gegenposition des modern-friedlichen Menschen, des guten Gewissens, die Manfred in einer Schocktherapie per Lazarettbesuch bekehrt: Nie zuvor waren wir größere Bestien, nie zuvor war das Grauen größer. Was zu von Richthofens Schlussfazit führt, der ja nun einen Blick hat für die Gräuel auf den Schlachtfeldern, über die er fliegt, während er pflichterfüllend den Tod von oben bringt, der von den Generälen als Propagandaheld ausgeschlachtet wird (auch das eher Behauptung denn Darstellung im Film): Sie verwenden mein Foto, um Hoffnung vorzutäuschen, wo keine mehr ist, und also folgert der Rote Baron: Ich werde nicht für Berlin den unsterblichen Gott spielen.
Und also fliegt er bis in den Tod, um die Propaganda lügen zu strafen was natürlich eigentlich so verlogen ist wie der ganze Film: Feinde abzuschießen und den eigenen Mythos zu pflegen mit dem Alibi, damit die Kriegspropaganda von Heldentum zu hintertreiben; beziehungsweise eben: einen Kriegsfilm zu drehen, der einerseits Pazifismus predigt und den Mythos von Heldentum unterlaufen will, andererseits aber (aus Unbeholfenheit?) genau diesem Grundmuster des Genres wiederum entspricht. Und dann wird im Abspann ein Reamonn-Lied: These open skies will take me to you promoted, um auch noch für crossmediale Vermarktung offen zu sein.
Fazit: Wer die Ambivalenz von Helden im Krieg haben will, sollte sich an Clint Eastwood halten; und wer effektiv choreographierte Luftkämpfe des Ersten Weltkriegs sehen will, sollte sich Flyboys zulegen.