Der Horrorfilm „Der Schacht“ auf Netflix war seinerzeit in aller Munde. Mit einer Fortsetzung hatte niemand gerechnet, aber sie kommt und zwar schon bald. Zuvor kommt noch ein neuer Trailer.
Der spanische Horrorfilm „Der Schacht“ („El Hoyo“) von Galder Gaztelu-Urrutia aus dem Jahre 2019 spielt mit einer einfachen und dennoch genial verstörenden Idee. In einem vertikalen Gefängnis müssen jeweils zwei Zellnachbarn von den Essensresten der oberen Stockwerke leben. Von Etage zu Etage wird die Nahrung immer knapper, was in den unteren Ebenen zu Hunger, Kannibalismus und Tod führt.
Es kommt ein zweiter Teil von „Der Schacht“ auf Netflix
Plötzlich und unerwartet erreichte uns seinerzeit im Juli 2024 der Netflix-Teaser zum zweiten Teil von „Der Schacht“, womit tatsächlich niemand gerechnet hatte. Die Informationen zum zweiten Film sind eher rar, aber der erste richtige Trailer weist uns den Weg:
Bekannt ist, dass diesmal Hovik Keuchkerian („Haus des Geldes“) und Milena Smit („Parallele Mütter“) die Hauptrollen übernommen haben und Galder Gaztelu-Urrutia erneut die Regie inne hatte.Wann startet „Der Schacht 2“ auf Netflix?
Wann wir mit dem kritischen Horrorspektakel rechnen können, hat der Anbieter schon preisgegeben. Ab dem 4. Oktober 2024 könnt ihr den Film bei Netflix streamen.
Worum geht es in „Der Schacht“ und wie interpretieren wir das Ende?
„Der Schacht“ steht in der Tradition kapitalismuskritischer Filme wie „Snowpiercer“ und entwirft eine trostlose Allegorie der heutigen Gesellschaft. Die Botschaft des Films ist politisch: Wir leben in einem hierachischen, willkürlichen und amoralischen System, das Gier und Rücksichtslosigkeit belohnt und Nächstenliebe und Genügsamkeit bestraft.
Die oberen Etagen stehen für die Mittel- und untere Oberschicht, die auf die „Untermenschen“ herabsehen und aus Angst vor dem sozialen Abstieg egoistisch oder gar sadistisch handeln, selbst wenn sie auch mal „da unten“ waren. Die niederen Etagen stehen für die einfachen Arbeiter, die sich gegenseitig zerfleischen, da sie keine Macht über die oberen Etagen haben.
Jede Figur steht für einen Menschentyp, der auf seine Weise versucht, sich mit dem System zu arrangieren. Flüchtling Baharat versucht etwa, in die oberen Stockwerke zu gelangen, nur um von dem oberen Stockwerk gedemütigt zu werden. Die Hauptfigur Goreng ist ein naiver Idealist, der schlussendlich an dem System zerbricht und sein Mitgefangener Trimagasi versucht als Pragmatiker, um jeden Preis zu überleben.
Die Botschaft des Films ist zu Beginn noch relativ klar. Spätestens nach dem vieldeutigen Ende bringt der Film einen aber mächtig zum Grübeln. Was ist am Schluss mit Goreng und dem Mädchen passiert? Wir versuchen, das Ende zu erklären und zumindest einen Teil der Fragen zu beantworten. Dabei handelt es sich freilich um einen Interpretationsansatz von vielen.
Das Ende von „Der Schacht“ erklärt: Die Hölle, das ist das System
Goreng und Baharat versuchen am Ende, das System unter Lebensgefahr zu schlagen und ganz nach unten zu fahren und das Essen „fair“ zu verteilen. So könnten sie ein Zeichen setzen und sich womöglich aus dem System befreien. Schließlich retten sie das kleine Mädchen, das eigentlich gar nicht im Schacht sein dürfte.
Am Ende stellt sich heraus, dass der Schacht nicht wie erwartet 250, sondern sogar 333 (von der Bedeutung her die Engelszahl) Stockwerke fasst. Das heißt, selbst wenn alle ihr Essen brav aufteilen würden, müsste ein Großteil der Bewohner dennoch verhungern. Im Endeffekt ist das einzelne Individuum nur teilweise schuld an der Lage. Das kapitalistische System ist so pervers und verkommen, dass es nicht möglich ist, alle satt zu kriegen, selbst wenn sie in einem Akt der spontanen Solidarität teilen würden. Doch damit sind noch nicht alle Fragen beantwortet.
Ist Goreng am Ende tot?
Nachdem Goreng das Kind gerettet hat, fährt die Plattform noch ein Stückchen weiter nach unten ins Nichts. Er beschließt, die Plattform zu verlassen und lässt das Mädchen alleine nach oben fahren. Dort holt ihn dann der Geist seines verstorbenen Zellnachbarn Trimagasi ab und die beiden gehen ins dunkle Nichts. Doch warum tut er das? Hätte er nicht zusammen mit dem Mädchen nach oben fahren können?
Wir gehen davon aus, dass Goreng am Ende kurz vor dem Tod steht und eine letzte Fantasie hat. Die Tatsache, dass ihn ausgerechnet Trimagasi abholt, zeigt, dass er sich nach all dem Erlebten schuldig fühlt und Buße tun will. Goreng ist ein Idealist und Abbild des tragischen Romanhelden Don Quijote, ein Gegenstück zum pragmatischen und bauernschlauen Sancho Pansa/Trimagasi. Sein Ende im Keller hat damit wie auch viele andere Elemente im Film religiöse und spirituelle Untertöne. Goreng ist am Ende in einer Art Hölle gelandet, die je nach Interpretation noch schrecklicher als der Schacht oder das erlösende Nirvana ist.
Wird die Botschaft/das Mädchen etwas bewirken?
Goreng hat am Ende versucht, etwas Gutes zu tun und zumindest das unschuldige Mädchen zu retten. Doch wird das überhaupt etwas verändern? Das Kind soll den Verantwortlichen im System zeigen, dass es noch Solidarität zwischen den Menschen gibt und sie zum Beenden des Experiments bewegen. Der Film lässt jedoch völlig offen, ob sich dieser Wunsch erfüllt. Denn es ist fraglich, ob die Leiter des Schachts diese Botschaft verstehen. Zudem wissen wir bei dem gesichtslosen System gar nicht, ob es einen Anführer gibt. Das Mädchen könnte genauso gut in der Küche festgehalten werden oder von vornherein nur ein Hirngespinst Gorengs gewesen sein. Auf unsere Realität übertragen könnte das bedeuteten, dass auch wir unsere trügerische Hoffnung in die nächste Generation stecken, das System aber gleich bleibt.