Der verbotene Schlüssel hat seine großen Momente am Ende. Erst dann wird der Zuschauer des Grauens gewahr, dem die Figuren des Films ausgesetzt waren, dann fängt er an, Szenen in einem andern Licht zu sehen und Dialoge neu zu deuten, dann begreift er, wie großartig John Hurt den verzweifelt sprachlosen Ben Devereaux spielt oder was vermutlich hinter der Abneigung der Hausherrin gegen Spiegel steckt. Die letzte Einstellung zeigt deutlicher als alle vorausgegangenen die Abgeschiedenheit des Schauplatzes, aus der der Horror letztlich resultiert. Aufgenommen aus einem Hubschrauber sehen wir noch einmal das Devereaux-Anwesen, und während die Kamera langsam von dem Haus wegfährt und den Blick auf die Umgebung freigibt, füllt sich das Bild mehr und mehr und immer mehr mit dem satten Grün der Sümpfe. Hier draußen gibt es keine Nachbarn, kein Anzeichen von Zivilisation, kein Entkommen. Die geographische Isolation des Schauplatzes, die dieses letzte Bild so eindrucksvoll vermittelt, korrespondiert mit der psychologischen Isolation der Figuren.
Der lange Weg zu diesem hervorragenden Scary End führt allerdings durch 90 Minuten Genredurchschnitt, versehen mit allerlei Versatzstücken aus anderen Filmen und Reminiszenzen an das literarische Genre des Gothic-Horrors und den Voodoo-Kult: Ein abgelegenes Haus und eine vermeintliche zweiköpfige Familie mit Pflegefall das gab es doch schon mal bei einem gewissen Alfred Hitchkock. Düstere Beschwörungsformeln, diesmal nicht vom Tonband aus dem Keller, dafür von der Schallplatte auf dem Speicher, Spiegel, die mehr reflektieren als das, was das Auge wahrnehmen kann, ein dunkles Geheimnis hinter der verbotenen Tür, die zunächst verschlossen ist und nur mit dem verbotenen Schlüssel geöffnet werden kann der im Übrigen gar kein besonderer, verbotener Schlüssel ist, sondern schlicht ein Generalschlüssel, ein skeleton key, wie der Film ja auch im Original heißt.
Lediglich das Setting im heißen und vor allem feuchten Süden der Vereinigten Staaten, in den Sümpfen von Louisiana, in diesem im Verfall begriffenen Haus im Nirgendwo, in einer Gegend, die wahrscheinlich selbst auf einen Amerikaner eigentümlich und exotisch wirkt, macht den Reiz dieser ersten 90 Minuten des Films aus. Regisseur und Produzent Iain Softley hat dem viktorianischen haunted house einen Ausflug in die Subtropen spendiert und damit eine ganz eigene Atmosphäre für seinen Film geschaffen.
Auch die Darstellung der vielschichtigen Figuren Ben und Violet Devereaux durch John Hurt und Gena Rowlands tröstet über die dramaturgische Durchschnittlichkeit hinweg und trägt dazu bei, dass man sich nicht zu sehr über einen weiteren Horror-Streifen von Hollywoods Fließbändern ärgert, der Genrestandards scheinbar willkürlich aneinander reiht. Denn so verständlich dieser Ärger wäre, so ungerechtfertigt ist er angesichts der überraschenden Storywendung am Ende auch.
Das Besondere an diesem Film ist, dass er seine eigentliche Wirkung erst am Schluss entfaltet, ja entfalten kann, erst, wenn man die Geschichte noch einmal im Licht ihrer Auflösung betrachtet, wenn man retrospektiv über das Gesehene nachdenkt. So wird Der verbotene Schlüssel erst spät zu einem intelligenten und vor allem zu einem Horror-Film aber besser spät, als überhaupt nicht.
Fazit: Der verbotene Schlüssel macht zumindest Lust auf eine Reise in die Bayous von Louisiana und überrascht am Ende doch noch.