Die neue wortgewaltige Komödie von Sönke Wortmann erzählt mit einem blendend aufgelegten Cast und pointiertem Witz von einem Familienessen, welches dank des Vornamens eines ungeborenen Kindes schnell eskaliert.
Wer Familie hat, braucht sich um Gesprächsthemen beim gemeinsamen Essen keine Sorgen machen. Von dieser Wahrheit können auch Stephan und Elisabeth ein Lied singen. Sie haben Elisabeths Bruder Thomas, dessen schwangere Verlobte Anna und René, den besten Freund der Familie, zum Abendessen eingeladen. Die Stimmung ist gelöst, fast friedlich. Bis Thomas verrät, welchen Vornamen Anna und er ihrem Kind geben möchten. Eine Offenbarung, die die Gemüter mehr erhitzt als das Curry, welches in der Küche vor sich hin kocht. Und während sich Stephan echauffiert, Thomas provoziert, Anna sich angegriffen fühlt und René und Elisabeth versuchen zu vermitteln, kommen nach und nach die verschiedensten Geheimnisse ans Licht, die dazu führen, dass es am Ende des Abends nicht nur Worte sind, die durch die gutbürgerlichen Räume fliegen. Sobald sich in Sönke Wortmanns neuer Komödie DER VORNAME (basierend auf dem gleichnamigen französischen Theaterstück) die Tür zum Wohnzimmer von Stephan und Elisabeth öffnet, beginnt ein Feuerwerk an verbalen Spitzen und Gefechten. Ein Wort ergibt das andere, ein Reizthema führt zum nächsten, ein falscher Blick liefert die Vorlage für einen weiteren Streit. Wortmann weiß dies auf kongeniale Art und Weise filmisch zu inszenieren. Das Spiel der Kamera, die in immer wieder neuen Konstellationen die Figuren miteinander in Beziehung setzt, die Montage mit einem sehr genauen, auf die Wortgefechte abgestimmtem Rhythmus und das hervorragende Setting einer bildungsbürgerlichen Kulisse - alles passt hier zusammen. Und dazu ein grandioses Ensemble, dem man die große Spielfreude in jeder Minute ansieht. Ob Christoph Maria Herbst als snobistisch arroganter Uni-Dozent, Caroline Peters als gefrustete Ehefrau, Mutter und Teilzeitberufstätige, Justus von Dohnanyi als etwas zu zartfühlende Künstlerseele oder Florian David Fitz als kapitalistischer Unternehmer, der für einen guten Witz gerne mal den Familienfrieden riskiert - sie allesamt erfüllen Stereotypen und führen sie gleichzeitig ad absurdum, treiben das Klischee auf die Spitze und erfüllen ihre Figuren doch auch mit nachvollziehbar menschlichen Zügen und Tiefe. Mit Wortwitz und viel Esprit bringt DER VORNAME die heile Fassade einer Familie zum Bröckeln. Scharfzüngig, augenzwinkernd, aberwitzig.
Jurybegründung:
DER VORNAME von Sönke Wortmann ist das Remake der gleichnamigen französischen Komödie von Alexandre De La Patellière und Matthieu Delaporte mit dem Originaltitel „Le Prénom“. In der Tradition von Roman Polanski und seiner Yasmina Reza-Adaption GOTT DES GEMETZELS verfilmte der Regisseur eine bürgerliche Tragikomödie, die aufgrund latenter Konflikte und plakativer Meinungsverschiedenheit eskaliert.
Der Germanistikprofessor Stephan (Christoph Maria Herbst) und seine Frau Elisabeth (Caroline Peters), eine Deutschlehrerin, veranstalten ein Abendessen in ihrem Haus in Bonn. Anwesend sind neben dem Familienfreund und Musikvirtuosen René (Justus von Dohnányi) noch Thomas (Florian David Fitz) und dessen schwangere Freundin Anna (Janina Uhse). Der Vater des ungeborenen Jungen verursacht mit seinem Namensvorschlag, dass der als gemütliches Beisammensein geplante Abend plötzlich aus dem Ruder läuft. In der Folge sind die fünf Personen in einen absurden Streit verwickelt, werfen sich Beleidigungen an den Kopf und lassen die Diskussion immer mehr außer Kontrolle geraten, so dass es bald um die schlimmsten Jugendsünden und größten Geheimnisse der Beteiligten geht - woraus weitere Probleme entstehen.
Das Kammerspiel wird weitgehend in Echtzeit erzählt und baut auf eine bewährte Dramaturgie der Eskalation. Irrtümer ermöglichen eine doppelte Lesart, die mehrfach Aufruhr auslöst. Eine filmische Aufwertung der Theatervorlage wird durch Rückblicke und Imaginationen der Protagonisten ermöglicht.
Schauspielerisch ist DER VORNAME eindrucksvoll: Christoph Maria Herbst bietet eine intensive Leistung mit subtilen Wandlungen, die in seiner Mimik deutlich sichtbar werden - die filmischen Mittel sind darauf ausgerichtet, die Ensembleleistung glaubhaft zu vermitteln, etwa indem die Tiefenschärfe geschickt genutzt wird, um Schauspieler ins Verhältnis zu setzen. Politische Zwischentöne werden dabei fast beiläufig eingeflochten und unterstreichen den wenig versöhnlichen Charakter dieser Inszenierung.
Lediglich die Voice Over-Stimme zu Beginn und Ende des Films wurde von der Jury als ein wenig zu plakativ empfunden. Insgesamt aber kann der Film als eindrucksvolle kinotaugliche Variante eines Kammerspiels gelten, das seine theatrale Herkunft nicht verleugnet, aber auch nicht exponieren muss.
Quelle: Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW)