Max Mannheimer, geboren 1920, ist einer der wenigen KZ-Überlebenden, die heute noch über das Unsagbare sprechen. Rastlos und scheinbar unermüdlich zieht er mit seinen Vortragsreihen von Schule zu Schule, zu Gedenkstätten und Preisverleihungen, um so lang und oft wie möglich mit viel Charisma und Eindringlichkeit von den Erlebnissen des KZ-Lebens zu berichten. Regisseurin Carolin Otto begleitet diese außergewöhnliche Persönlichkeit bereits seit zwanzig Jahren und setzt aus der breiten Materialfülle ein facettenreiches Portrait zusammen, das den sympathischen Zeitzeugen auf Reisen, vor Ort in verschiedenen Arbeitslagern und in der Begegnung mit Familie und Wegbegleitern zeigt. Ein intensiver Film über das schmerzvolle und doch so notwendige Erinnern, der auch hoffnungsvoll stimmt.
Jurybegründung:
Carolin Otto hat einen Film über einen Freund gemacht, den sie schon seit den frühen 90er Jahren mit der Kamera begleitet. Und so ist dieser Film auch ein Freundschaftsdienst geworden, mit dem sie versucht, den heute fast 90jährigen Max Mannheimer in möglichst vielen Facetten seiner Persönlichkeit zu zeigen. Dabei ist die Montage des zu verschiedenen Zeiten gedrehten Materials assoziativ und folgt einer eher emotionellen Dramaturgie. Wenn man sich auf diese einlässt, stört es nicht , wenn man manchmal keine genaue Vorstellung davon bekommt, von welchem Ort und welcher Zeit die Aufnahmen stammen.
Max Mannheimer ist einer der letzten Überlebenden des Holocaust, und auf einer Ebene des Films ist er ein Zeitzeuge, der sehr eindrucksvoll und reflektiert von seinem Leidensweg durch verschiedene KZs erzählt. Nach eigener Aussage ‚leidet‘ er an einem extrem guten Gedächtnis, und so sind seine Schilderungen voller erschütternder Details, Namen von getöteten Bekannten und sehr plastisch geschilderter Gräuel. Aber der Film zeigt auch immer, auf welche Art und Weise Mannheimer erzählt, was seine Erfahrungen aus ihm gemacht haben, und wie andere Leute auf ihn und seine Erinnerungen reagieren. Man sieht, wie er vor einer KZ-Gedenkstätte fremde Besucher anspricht und ihnen seine Geschichten fast aufdrängt, wie er vor Schulkassen Vorträge hält und wie er zusammen mit der Filmemacherin die Orte seines Leidenswegs noch einmal aufsucht. Und man sieht, wie er einem alten Freund Witze erzählt, wie er sich in einem Hotelzimmer die Haare fönt oder von seiner Tochter erfährt, dass diese sein Buch, das er im Grunde für sie geschrieben hatte, nie ganz gelesen hat.
Carolin Otto hat viele Momente gesammelt, in denen jeweils ein Teil von Mannheimers schillernder Persönlichkeit pointiert und wahrhaftig zum Ausdruck kommt. Dabei hält sie selber sich mit einer angemessenen Demut zurück, stellt nur manchmal eine kurze Frage und bleibt immer mit der Kamera so nah wie möglich bei ihrem Protagonisten. Dessen Erinnerungen und Charakter werden so durch diesen Film im doppelten Sinne des Wortes aufgehoben.
Quelle: Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW)