In dieser erschütternden Dokumentation erzählen die Regisseure von den Zurückgebliebenen der im Jahr 1961 gegründeten Colonia Dignidad in Chile. Mit äußerster Sachlichkeit berichten sie über das totalitäre System und das Ausmaß von menschlicher Grausamkeit und Verdrängung. In der klassisch gehaltenen Darstellungsweise wird klar, dass es auch Jahre nach der Gefangennahme des sadistischen Sektenführers Paul Schäfer nicht allen Beteiligten und Opfern möglich ist, sich aus der indoktrinierten Gedankenwelt zu befreien. In bemerkenswert aufschlussreichen Interviews und der Abbildung des dortigen Alltags entwickelt sich ein beeindruckend authentischer Einblick in diese verschlossene Welt und ein verstörender Blick auf die offenen Wunden hinter der scheinbar so sauberen Fassade. Ein progressiver Ansatz zur Aufarbeitung eines beklemmenden Themas.
Jurybegründung:
Feiernde Menschen, Kerzen, Kuchen, Lieder. Es ist Weihnachten in Villa Baviera. Dieser Ort, die Siedlung trägt erst seit einigen Jahren diesen Namen. Der einstige Name wurde zum Menetekel für eine Stätte des Schreckens, der menschlichen Entwürdigung, der Indoktrination, der Folter. Er lautete: Colonia Dignidad. Hier war das Herrschaftsreich des Sektengurus Paul Schäfer.
Matthias Zuber und Martin Farkas ist ein eindringlicher, ein bestürzender Dokumentarfilm gelungen. Übrigens auch gerade deshalb, weil er klugerweise darauf verzichtet, noch einmal die ganze Komplexität der Geschichte dieser unseligen Kolonie zu entwerfen. Den Autoren des Films ging es um das unheimliche Erbe. Der Name verschwand, aber es blieb die Geschichte, es blieben Schuld und Verantwortung, nicht zu tilgen vor allem die Fragen nach den Opfern und den Tätern. Denn auch Villa Baviera ist ein seltsamer, ein gespenstischer Ort geblieben, weil hier nach wie vor Opfer und Täter auf engstem Raume zusammen leben, weil die Risse durch die Familien gehen.
Deutsche Seelen (ein markanter Titel!) ist ein bedrückendes dokumentarisches Zeugnis über das Trauma der menschlichen Erniedrigung und Zerstörung. Der Film versucht auch den Menschen Stimme zu geben, die ihre Selbstbestimmung eingebüßt haben und mehr als mühsam versuchen, wieder einen Weg dahin zu finden. Der Film zeigt diesen Prozess ohne Illusionen und übertriebenen Optimismus. Es sind ja immer noch ganz andere Stimmen dominant. Es spuken zuhauf die geschönten Erinnerungen.
Etwa mit dem Gestus: „Wir haben gesungen, gepredigt, wir waren glücklich.“ Die Zeugen des Films haben „ein System gelebt“ und sie haften heute noch daran („Die Wahrheit hat gegolten… Wir waren Kameraden…“). Eine „Kultur“ des Das-habe-ich-nicht-gewusst wird in all seinen erschreckenden Tiefen sichtbar, uns Deutschen ja aus anderen geschichtlichen Epochen mehr als vertraut. Und immer wieder der Blick auf schwer reparierbare Lebensverletzungen.
Zumindest kurz sei aber auch auf die überzeugende Gestaltung des inhaltlich so bemerkenswerten Films verwiesen: Interessant z. B. diese Kamerakonzeption: „Die Bilder sollen das Bedürfnis der ehemaligen Sektenmitglieder nach Überschaubarkeit, Ordnung und Sicherheit nachempfindbar machen.“ so Kameramann Martin Farkas. Die Enge der Siedlung und die Weite der Natur als Gegensatzpaar.
Auch diese Überlegung trug zur Suggestion des Films bei: „Gegen das Schreckliche, Vielschichtige, Aufgeregte der Geschichte braucht es ruhige Bilder.“ Diese „Ruhe“ der Bildkomposition führte zur formalen Klarheit, ja Strenge. Und lässt die bedrückende Vergangenheit und Noch-Gegenwart umso spukhafter und alptraumhafter aus der äußeren Idylle hervorkommen.
Deutsche Seelen - auch ein Film mit hoher Symbolkraft: Die Welt von heute kennt gar viele dieser Orte…!
Quelle: Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW)