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Druga strana svega: Geteiltes Heim: Die preisgekrönte Dokumentation der Filmemacherin Mila Turajlić widmet sich der Geschichte Serbiens anhand ihrer eigenen Familienchronik und einer Tür, die 70 Jahre nicht geöffnet wurde.

Handlung und Hintergrund

Mila Turajlic, Tochter der Mathematikerin und politischen Aktivistin Srbijanka Turajlić, ist in einer geteilten Wohnung aufgewachsen. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die ehemaligen Besitzer der Wohnung enteignet, die Räume in zwei geteilt. Seither gibt es eine Tür in der Wohnung, die seit 70 Jahren nicht geöffnet wurde. Was befindet sich dahinter? Die Antwort führt tief in die Vergangenheit des Landes und ihrer Mutter, die als politische Aktivistin gegen das Regime von Slobodan Milošević kämpfte.

„Die andere Seite von allem“ — Hintergründe

Mila Turajlic hat eine persönliche Dokumentation geschaffen, die aus dem Privaten heraus einen umfassenden Blick auf die Geschichte des heutigen Serbiens wirft. „Die andere Seite von allem“ erhielt mehrere Preise und wurde unter anderem als Best Serbian Documentary 2017 ausgezeichnet.

Besetzung und Crew

Regisseur
  • Mila Turajlic
Produzent
  • Iva Plemic Divjak,
  • Hanka Kastelicová,
  • Carine Chichkowsky
Musik
  • Jonathan Morali
Kamera
  • Mila Turajlic
Schnitt
  • Sylvie Gadmer,
  • Alexandra Milovanovic

Kritikerrezensionen

    1. Eindrucksvoller Film, der aus Sicht einer renommierten Freiheitskämpferin von den historischen Entwicklungen des heutigen Serbien erzählt und so einen wichtigen Beitrag zu heutigen Debatten leistet.

      Die ehemalige Mathematik-Professorin und bekannte serbische Widerstandkämpferin Srbijanka Turajlic ist eine ideale Protagonistin, um die komplexen historischen Zusammenhänge des ehemaligen Jugoslawiens verständlich darzustellen. Ihre eigene Familiengeschichte ist Ausgangspunkt des beeindruckenden Dokumentarfilmes. Kurz nach dem 2. Weltkrieg wurde die wohlhabende bürgerliche Familie enteignet. Ihr Haus wurde von den neuen kommunistischen Herrschern übernommen und anderen fremden Mitbewohnern zugeteilt. Nur wenige Zimmer blieben der Familie, die Türen zu den vielen anderen Räumen wurden verschlossen.
      Die Entscheidung der Filmemacherin mit der charismatischen Aktivistin, ihrer eigene Mutter, eine Zeitzeugin mit sehr persönlichem Zugang in den Fokus zu stellen, erweist sich als genau richtig. Srbijanka Turajlic ist eine starke und engagierte Persönlichkeit, eine überzeugende Politikerin, deren klugen Ausführungen man den ganzen Film über gerne zuhört. Die Regisseurin Mila Turajlic hat bewusst einen parteiischen Film geschaffen, der seine große Intensität und Emotionalität aus der subjektiven Perspektive seiner Protagonistin bezieht. Gelungen ist der jungen Filmemacherin ein abwechslungsreicher Film, der unter anderem durch die Einbeziehung von Archivaufnahmen nicht in die Falle der „talking heads“ tappt. Eine weitere Qualität des Filmes ist die angenehme Zurückhaltung der Filmemacherin selber, die stellenweise auch durchaus kritisch mit ihrer Mutter umgeht.

      Dem Dokumentarfilm gelingt es durch die geschickte Einordnung der politischen Ereignisse des Landes und seiner Bevölkerung Verständnis für Serbien zu schaffen. Er liefert damit einen hochaktuellen Beitrag zu den politischen Debatten und der Wertediskussion in Europa und sicherlich auch darüber hinaus.

      Jurybegründung:

      Eine Wohnung und ihre Bewohnerin erzählen hier eine Geschichte. Dies ist der außergewöhnliche Ansatz von Mila Turajlics autobiografischer Dokumentation DIE ANDERE SEITE VON ALLEM und durch diese Perspektive gelingt ihr ein zugleich persönlicher und komplexer Zugang zur serbischen Zeitgeschichte der letzten 100 Jahre. Die Wohnung in Belgrad gehörte ihren bürgerlichen Vorfahren, und nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Familie enteignet und die Wohnung aufgeteilt. Eine große Tür blieb 70 Jahre lang verschlossen und der Film beginnt mit einer Sequenz, in der die Mutter der Filmemacherin Srbijanka Turajlic dieses Türschloss putzt und erzählt, dass sie den darin steckenden Schlüssel kein einziges Mal benutzt hat. In einer der letzten Einstellungen des Film wird die Tür dann doch geöffnet, und so bekommt der Film eine perfekte Rahmung, wie sie nur aufmerksamen und geduldigen Dokumentarfilmern in den Schoß fallen kann. Mila Turajlics befragt ihre Mutter nach ihrer Vergangenheit, und da die ehemalige Mathematik-Professorin in den 1990er Jahren im politischen Widerstand gegen das Regime von Milosevic war und von 2001 bis 2004 der demokratischen Regierung angehörte, ist sie eine Zeitzeugin mit einem immensen Wissen um die politischen Zustände im Land. Und darüber hinaus eine charismatische Persönlichkeit mit einer ausgeprägten politischen Meinung, die sie zugleich leidenschaftlich und auf intellektuell hohem Niveau vertritt. Zu einem großen Teil wurde der Film aus der Wohnung heraus gefilmt, mit vielen Blicken aus dem Fenster heraus, darunter auch ältere Aufnahmen von Unruhen auf den Straßen. Ergänzt wird dieses Filmmaterial durch Archivaufnahmen, unter anderem von der Dankesrede der Mutter bei der Verleihung des Osavajanje Slobode-Preises, bei der sie sagt, sie sei verwirrt darüber, einen Preis als Freiheitskämpferin zu bekommen. Denn ihr Kampf für die Freiheit sei das größte Scheitern ihre Lebens. Man kann Mila Turajlic vorwerfen, dass ihr Film subjektiv ist, es ihr an Distanz fehle und sie nur der Stimme ihrer Mutter Raum gibt, aber die Regisseurin macht von Anfang an klar, dass dies ihr Ansatz ist und sie gar nicht vorgibt, hier eine ausgewogene Geschichte des Landes zu präsentieren. Nur mit diesem autobiografischen Ansatz konnten ihr so intime und authentische Einblicke in das politische Leben dieser starken, rebellischen Frau gelingen, und sie spart dabei auch nicht ihre eigenen Auseinandersetzungen mit ihrer Mutter aus, die immer im Land und in der Wohnung geblieben ist. Auch als sie aus politischen Gründen als Professorin gefeuert wurde - eine Erfahrung, von der sie ganz klar und mit einer stoischen Gelassenheit erzählt. Für sie ist auch heute noch die Demokratie in ihrem Heimatland bedroht, und sie meint, nun wäre es an der Zeit dafür, dass ihre Tochter gegen die neuen Machthaber das Wort erhebt. Aber sie könne keine Reden halten wie ihre Mutter, entgegnet Mila Turajlic - doch dafür hat sie diesen Film gemacht, der hoffentlich ähnlich wirkungsvoll ist.

      Quelle: Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW)
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