Sie sind grausam, unbarmherzig und hinterhältig, fressen kleine Kinder und hassen die Menschen: die Boxtrolls. Seitdem vor Jahren ein kleines Baby verschwunden ist, ist sich die ganze Stadt Cheesebridge sicher, dass es auf der Welt nichts Schreckenerregenderes gibt als die kleinen Männchen, die in leeren Boxen unter der Erde leben. Das Baby ist mittlerweile ein Junge namens Eggs, der glücklich und zufrieden mit den Boxtrolls in der Gemeinschaft lebt. Denn die angeblichen „Monster“ sind eigentlich ganz liebe Gesellen. Und während die Boxtrolls ihrer Sammeltätigkeit nachgehen, schickt Lord Portley-Rind, der Bürgermeister von Cheesebridge, den fiesen Archibald Snatcher los, um sie zu jagen. Der neueste Animationsfilm der Macher von CORALINE und PARANORMAN ist die gelungene Verfilmung eines Kinderbuches von Alan Snow. Wie auch schon in den anderen Filmen durchzieht ein sanfter Grusel den Film. Doch der skurrile Humor und der Gothic-Look können nicht über das zauberhaft anrührende Wesen der Hauptfiguren hinwegtäuschen. Von ihrem ersten Auftritt an schließt der Zuschauer die Boxtrolls in sein Herz. Quirlig wuseln sie umher, sind ständig am Sammeln, Basteln und Experimentieren, schauen neugierig in die Welt und haben eindeutig ihr Herz am rechten Fleck. Der Junge Eggs wird von ihnen als Familienmitglied akzeptiert und er selbst fühlt sich ganz wie ein Boxtroll, auch wenn er die Welt da oben gern kennenlernen möchte. Fulminant gestaltet sind nicht nur die Schauplätze ober- und unterhalb des Gullideckels, sondern auch die Figuren selbst. Archibald Snatcher ist ein böser Mann, der zwei Dinge will: Macht und Käse. Nach beidem strebt er maßlos - auch wenn das zu körperlichen Schäden führt, die sich für den Zuschauer urkomisch gestalten. Winnie, die Tochter des Bürgermeisters, ist naseweis und resolut, mutig und absolut verrückt nach gruseligen Horrorgeschichten. Der Junge Eggs erweist sich als Vermittler zwischen den Welten und zeigt den Bewohnern von Cheesebridge, dass man niemand nur nach Geschichten beurteilen sollte, die man über sie gehört hat. Eine wichtige Botschaft, die in diesem wunderbar schrulligen Film, auch dank vieler kleiner kreativer Einfälle, einer verspielten Musik und einer rasanten Handlung, auf unterhaltsame Weise vermittelt wird. Ein herrlich verschrobener und detailreicher Animationsspaß für die ganze Familie!
Jurybegründung:
In den Gassen von Cheesebridge geht die Angst um. Kleine Kobolde in Pappkartons, die Boxtrolls, ziehen nachts durch die Stadt und rauben Kinder und weil das so ist wird Schädlingsbekämpfer Archibald Snatcher beauftragt ein für allemal Schluss mit den Kartonkobolden zu machen. Als Entlohnung verlangt Snatcher nicht mehr und nicht weniger als einen weißen Hut, so wie die Käse essenden Honoratioren Cheesebridges sie tragen. Aber natürlich ist das die Situation, wie sie die Menschen wahrnehmen. Für die Boxtrolls sieht die Geschichte allerdings ganz anders aus.
Das Regieteam Graham Annable und Anthony Stacchi hat aus Alan Snows Buchvorlage eine sehenswerte Allegorie über die Angst vor Fremden, über Knechtschaft und die Wegwerfgesellschaft gemacht. Während sich die dekadenten Honoratioren von Cheesebridge hoch oben über der Stadt lukullischen Genüssen hingeben, recyceln die Boxtrolls den Abfall der Stadt in der weitläufigen Kanalisation darunter. Sie sind erfinderisch und scheu und eigentlich recht liebenswerte Geschöpfe. Das erinnerte die Jury an die kleinen Minions aus „Ich einfach unverbesserlich“, wenngleich die Boxtrolls nicht ganz so knuddelig sind.
Eine wohl bekannte Düsterkeit beherrscht das Setting von DIE BOXTROLLS: Die Laika-Studios, die auch schon „Coraline“ und „Paranorman“ produziert haben, sind hierfür verantwortlich. Und wie die beiden Vorgänger besticht auch dieser Stop-Motion-Film durch ästhetische Fülle, Detailreichtum und eine Flut von Ideen. Szene für Szene ein filmisches Wimmelbild für Kinder und Erwachsene. Liebevolle Handarbeit ist immer noch Trumpf bei Laika und DIE BOXTROLLS hält diese Maxime bis zu einem beispiellosen Abspann aufrecht.
Besondere Erwähnung fand in der Diskussion der Jury der Soundtrack zu DIE BOXTROLLS. Gut getimed und szenisch abgestimmt unterstützt er das Geschehen und in einem musikalischen Intermezzo bringt die Komposition von Eric Idle sogar Monty Python Spaß aufs Parkett.
Die Dramaturgie des als Abenteuerfilm, Kinder-/Jugendfilms eingereichten DIE BOXTROLLS ist stimmig, allerdings braucht es ein wenig bis er so richtig in Fahrt kommt. Nach turbulenten Abenteuern sind es schließlich die Kinder, die den Erwachsenen von Cheesebridge helfen sich aus Einfalt und Ignoranz anderen Geschöpfen gegenüber zu befreien. Und wie es von einem Kinderfilm zu erwarten ist werden Trolle und Menschen schließlich Seite an Seite mit den Menschen leben und auch der eigentliche Anstifter zum Genozid an den Boxtrolls seiner gerechten Strafe nicht entgehen. Den etwas eindimensionalen Subtext verstehen Erwachsene, genau wie Kinder.
Wer es etwas anspruchsvoller mag, der muss allerdings bis zum durchaus metaphysischen Abspann warten. In köstlichen Sequenzen hinterfragen darin die Protagonisten ihr eigenes Dasein und kommen zu seinsphilsophisch interessanten Schlüssen. Bei so viel Kreativität, Unterhaltung und Vielfalt konnte die Jury nicht umhin dem Film “DIE BOXTROLLS das Prädikat besonders wertvoll auszusprechen.
Quelle: Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW)