Dieses Urteil umschließt zweierlei: Ergriffenheit gegenüber dem Thema und Respekt vor dessen filmkünstlerischer Behandlung. Wenn der alte Film „Im Westen nichts Neues“ als der Film über den ersten Weltkrieg bezeichnet werden darf, so gilt der Film „Die Brücke“ gewiß als die bisher geschlossenste und verbindlichste Darstellung des Zweiten Weltkriegs. Es ist wohl kein Zufall, daß beiden Filmen eines gemeinsam ist, nämlich die absolute Verkürzung des Kriegsgeschehens auf das gleichnishafte Exempel, das den Krieg gleichwohl in seiner schrecklichen Totalität umgreift. Und noch ein Zweites zeichnet beide Filme übereinstimmend aus: die Unerbittlichkeit des Aussage sowie die restlose Übereinstimmung von künstlerischer Wahrheit und reportierter Wirklichkeit.
Der Film „Die Brücke“ demonstriert Wahnwitz und Widersinn des Krieges am nutzlosen Opfer einer Gruppe von Jungen, die wenige Tage vorher noch auf der Schulbank saßen. […]
Die Parallelität von Einzelschicksal und Völkerschicksal verleiht dem Film seine überzeugende Wucht und sein moralisches Gewicht.
Die für die Endphase der deutschen Kriegsführung charakteristischen Erscheinungen im menschlichen wie im militärischen Schicksal sind bis in die feinste szenische Nuance hinein glaubhaft und auch von der jüngeren Generation nachvollziehbar, die den Weltkrieg nur vom Hörensagen kennt. Gerade diese Tatsache verleiht dem Film den Rang eines gültigen Zeugnisses und ernst zu nehmenden Monitums.
Der Krieg wird hier nicht rhetorisch oder deklamatorisch ad absurdum geführt, vielmehr wird sein Widersinn von einer minuziös entwickelten Spielhandlung aufgedeckt. Wie elementar dieser Film wirklich „Film“ ist, zeigt sich darin, daß er es nicht nötig hat, das Geschehen auf der Ebene des Wortes zu erklären. Diese Feststellung verweist unmittelbar auf die Bedeutung der künstlerischen Leistung, die Bernhard Wicki vollbracht hat, der damit zweifellos in die vorderste Reihe unserer Filmregisseure getreten ist. Die Intensität und Geschmeidigkeit seiner Schauspielführung sind über jedes Lob erhaben, zumal wenn man weiß, welche Mühe es bedeutet, mit jungen, noch ungeformten Menschen eine solche Schicksalsballade vom Ausmaß der großen Tragödie zu erfassen. Es gibt in diesem Film einfach keine Szene, die es an Echtheit und Überzeugungskraft fehlen läßt. […]
Ein besonderes Lob sei ferner der Fotografie und dem Schnitt gezollt. Die Verhaltenheit der Kamera zu Beginn ist genau so klug berechnet wie die ungeschminkte Wiedergabe der Katastrophe in den Schlußbildern. Während alle Szenen des sich anbahnenden Untergangs in einer fast nebelhaften Verwischtheit bzw. bei Nacht spielen, ereignet sich das Sterben im grellen Sonnenlicht. Auch diese Differenzierung hat Gleichniskraft. Besonders kennzeichnend für die Kameraführung ist die Erfassung des Menschenantlitzes in der Großaufnahme. Hierbei entstehen Bilder von nachhaltiger Erschütterung, man denke nur an die kontrapunktisch aufgefaßten Szenen im Klassenzimmer und auf der Kampfstätte. Die Kamera wird vom Schnitt hervorragend unterstützt, so daß die Dynamik der Szenenfolge an keiner Stelle leerläuft.
Vergessen sei schließlich nicht die sorgfältige Behandlung des Tons, der oft genug das Stiefkind bei Spielfilmen ist. Der Ton bildet im vorliegenden Fall keine zufällige Begleitkulisse, sonder besitzt dramaturgische Funktion, indem er Handlungsakzente setzt, das Bild verdichten hilft und überhaupt an der Übersetzung des Geschehens ins Gleichnis entscheidend beteiligt ist.
Drei Filme sind es, die an erster Stelle genannt werden müssen bei der Frage nach einer gültigen Dokumentation des wohl bösesten und düstersten Abschnitts unserer jüngeren Geschichte: „Liebe 47“ („Draußen vor der Tür“), „Nacht und Nebel“ und der vorliegende Film „Die Brücke“.
Quelle: Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW)