Zu Anfang, noch vor dem Vorspann, begrüßen uns die wiedervereinten Take That mit freundlichem Hinweis, dass während des Abspanns die neue Single laufen wird. Und schon haben wir etwas, worauf wir uns freuen können. Zumal wir uns an den Auftritt der New Kids on the Block in einer Taverne der 1 ½ Ritter vor zwei, drei Jahren erinnern. Und wie schön, dass Til Schweiger auch hier mit von der Partie ist, in ein paar Auftritten glänzt er mit maximalem schauspielerischen Minimalismus, bevor ihn in seinem venezianischen Palast eine riesige Welle verschlingt.
Doch lassen Sie mich einige erläuternde Worte verlieren. Athos kam im Taucheranzug aus einem Kanal, Aramis stürzte sich von einer Brücke auf eine Gondel, um einen Passagier zu bekämpfen - nicht, ohne zuvor das Vaterunser gebetet zu haben, und nicht, ohne sich danach in seinem Zehn-Minuten-Zeitfenster mit einer Dame zu vergnügen. Und Porthos riss Ketten aus den Verankerungen und schleuderte Mauerstücke auf seine Peiniger (und auf Til Schweiger), wie einstmals Samson oder ein Herr der Ringe-Troll. Dann stiegen die drei zusammen mit Milady de Winter in die geheime Schatzkammer von Leonardo da Vinci, wo dieser seine geheimen Erfindungen aufbewahrte, geschützt durch einen gefährlichen Gang mit schrapnellschießenden Wänden hat da Vinci vielleicht auch tatsächlich persönlich das Drehbuch erste Fassung zu Indiana Jones verfasst, dem hier Referenz gezollt wird? Verfolgt werden sie von Til und seinen Mannen, weshalb die Musketiere die Decke sprengen, und das Wasser aus dem venezianischen Kanal schießt auf aber das hatten wir schon.
Und das war jetzt nur die Eingangssequenz des Films.
Für Paul W.S. Anderson ist es kein großer Unterschied, Science Fiction oder einen Mantel- und Degenfilm zu drehen: Man muss jeden Drehort individuell designen und jedes Kostüm herstellen. Dieses Erschaffen ganzer Welten, in die man das Publikum hineinziehen will, ist eine große Parallele beider Filmgenres. Tatsächlich nutzt er alle Möglichkeiten moderner Filmsprache, um größtmögliches Vergnügen zu inszenieren. Und das gelingt durchaus; zumal er ohnehin freimütig alles mischt, was filmisch möglich ist: Diverse komplizierte Schließmechanismen zu Geheimkammern, diverse moderne Waffen, gestaltet im Geist des 17. Jahrhunderts und das alles in 3D-Technik. Nicht digital hochgepuscht, sondern tatsächlich stereoskopisch gedreht, was wirklich gut aussieht. Auch wenn es von den visuellen Wirkungen her relativ sinnlos bleibt.
Wie in der Vorlage der Titel in die Irre führt, weil es nicht um die drei Musketiere geht, sondern um dArtagnan, der zu ihnen stößt und mit ihnen Abenteuer erlebt, wie da also zwischen Handlung und Titel eine Verschiebung stattfindet, so sind in dieser Verfilmung die Stars, die, die man eigentlich im Mittelpunkt vermuten würde, an die Seite geschoben: die vier Hauptfiguren werden von Unbekannten gespielt, Mads Mikkelsen, Milla Jovovich, Orlando Bloom und Christoph Waltz sind die Nebenfiguren. Sie verkörpern verschiedene Ausgestaltungen des Bösen zwischen fies, falsch, hämisch und intrigant. Vier Gegner für vier Musketiere: Das bedeutet, dass ständig was los ist.
Und es ist Anderson anzurechnen, dass man nie den Überblick verliert in den Kampfszenen etwa die vier gegen 40 Palastwachen auf dem Markplatz von Bamberg Verzeihung: St. Germain. Es ist eine Seltenheit, dass man hier immer weiß, wer wo warum wie gegen wen antritt und wo gleichzeitig die anderen im Off stecken. Das zeugt von inszenatorischer Sicherheit und einem Sinn fürs große Ganze der Szene, der im sonstigen Actionfilmschaffen nur kaum vorhanden ist, wenn man an all die Montagegewitter und das Durcheinander denkt, mit dem oftmals jede Klarheit zunichte gemacht wird. Nun ja: Manchmal wirkt der Film etwas zu einfach, weil die Figuren alles haarklein erklären, damit auch der einfach gestrickte Nicht-Musketier im Publikum mitkommt, und auch, weil die Handlung linear und die Figurenmotivationen monothematisch sind aber dann überrascht er wieder mit einer selbstironischen Volte oder einem kleinen Gag am Rande, und alles ist wieder OK.
Ja: Irgendwie muss man ständig lachen. Manchmal, weil einiges so bemüht ist, weil die Dialoge dämlich sind oder weil das Geschehen zu offensichtlich geklaut ist. Wirklich billig, wie sich dArtagnon mit Rochefort anlegt, weil der sein Pferd beleidigt hat Eastwood und Leone lassen grüßen. Und der Soundtrack ist so oft Note für Note bei den Pirates of the Caribbean plagiiert, dass man sich fast schämen muss. Anderes ist natürlich bewusst ironisch, da lacht man dann direkt über den Gag das parodistische Zitat feiert fröhliche Urständ in diversen Einbruchs- und Kampfszenen etwa, die aus dem modernen Actionfilm ins Zeitalter Louis XIII. verlegt wurden. Und richtig lustig, wie mit Luftschiffen über den Wolken gekämpft wird, inklusive Kanonen, Maschinengewehren, Flammenwerfern, Handgranaten, bis zwei Luftschiffe übereinandergepackt auf dem Kirchenschiff von Notre Dame landen
Hier erreicht Andersen tatsächlich die Mischung, die ihm vorgeschwebt ist, zwischen postmodernem Zitatvergnügen, überkandidelter Action und schön eskapistischer Abenteuerspannung genau wie das Vorbild, die Karibikpiraten. Nicht umsonst spielt Orlando Bloom mit. Und der König von Frankreich sieht in seiner lächerlichen Kleidung aus wie ein gewisser verrückter Hutmacher so dass Johnny Depp eben doch, wenn auch indirekt, dabei ist.
Fazit: Ein vergnüglicher Abenteuerspaß, der in seinen besten Momenten die Pirates of the Caribbean-Mischung zwischen Zitat, Witz, Unbeschwertheit und Spannung erreicht.