Estland, 1953. Das stalinistische System steht kurz vor seinem Zusammenbruch. Der Fechter Endel kommt in ein kleines, verschlafenes Städtchen am Meer, auf der Flucht vor den Schergen der russischen Polizei aus Leningrad, heute Sankt Petersburg. Die Stelle an der örtlichen Schule langweilt ihn, die konservativen Strukturen stoßen ihn vor den Kopf. Dann beginnt er, auch auf Wunsch seiner Schülerin Martha, einen Fechtclub anzubieten. Als er seinen autoritären Lehrstil ablegt und für die Schüler, vor allem für Martha und ihren Mitschüler Jaan, zu einer Art Vaterersatz wird, beginnt er sein neues Leben wertzuschätzen. Er lernt Kadri kennen, verliebt sich in sie und es scheint, als könnte er seiner Vergangenheit entfliehen. Bis der Fechtclub zu einem Turnier nach Leningrad fährt und Endel die Gefahr, in die er sich damit begibt, unterschätzt. Klaus Härös auf wahren Begebenheiten beruhende Geschichte über das Suchen nach einer Identität und die Flucht vor den eigenen Dämonen ist ein mehr als sehenswertes Filmdrama. Getragen vom grandiosen Schauspiel Märt Avandis, der seinem Endel eine beeindruckende Menschlichkeit und Authentizität verleiht, zeigt der Film ebenfalls die Zustände am Ende der stalinistischen Gewaltherrschaft. Die Kinderdarsteller Liisa Koppel (Martha) und Joonas Koff (Jaan) bilden einen brillanten Gegenpol zu dem aus der Großstadt kommenden Endel. Sie schaffen es, eine Wahrhaftigkeit in die Geschichte zu bringen, die den Zuschauer von der ersten bis zur letzten Minute fesselt. Die ruhige Kameraführung und der unaufdringliche Score tragen ihr Übriges zu einem rundum positiven Gesamteindruck bei. DIE KINDER DES FECHTERS arbeitet ein wichtiges Stück Zeitgeschichte auf, ohne dabei in den Historienkitsch oder die Belehrung abzurutschen. Ein Film, der berührt, beeindruckt und nachdenklich stimmt.
Jurybegründung:
Ein ehemaliger Fechter, der auf der Flucht vor den sowjetischen Behörden in den 1950er Jahren vor Stalins Tod in einer estnischen Schule eine Zuflucht findet, wird von seinem Direktor quasi dazu genötigt, seinen Schülern ein ungewöhnliches Angebot zu machen - und so erinnert sich der Mann, der unter falscher Identität und in ständiger Angst vor der Enttarnung durch die Behörden lebt, an seine Leidenschaft fürs Fechten. Er formt die ihm anvertrauten Schüler zu einem Team, das es schließlich bis zu den sowjetischen Meisterschaften bringt und dort gegen die besten Fechter des gesamten Reiches antreten muss, während ihr Lehrer kurz vor der Enttarnung steht. Was beinahe wie ein Märchen klingt, beruht in Klaus Härös gerade für den Auslands-Oscar eingereichten Film auf wahren Begebenheiten, die zudem das bis heute schwierige Verhältnis zwischen dem Baltikum und dem russischen Mutterland beleuchten.
Klaus Härös Film erinnert deutlich an erfolgreiche Arthouse-Hits der letzten Jahre wie DIE KINDER DES MONSIEUR MATHIEU oder WIE IM HIMMEL. Hier wie dort ist es ein Außenstehender, der eine bestehende Gemeinschaft durch sein Erscheinen gründlich auf den Kopf stellt und ihnen durch die Vermittlung neuer Fähigkeiten den Horizont und die Welt öffnet - und das gegen den erbitterten Widerstand alter Machtstrukturen, die durch den Eindringling in ihrer Legitimation bedroht sind und sich dementsprechend heftig zur Wehr setzen.
Das Erzählmuster ist bekannt und vielfach erprobt, so hält der Film wenig wirklich Überraschendes parat, man ahnt, wohin die Reise der Fechtmannschaft und ihres Trainers gehen wird, und dass die Hindernisse, die sich ihnen in den Weg stellen werden, überwunden werden können, wenn sie als Team zusammenwachsen. DIE KINDER DES FECHTERS ist ein liebenswerter Film, der die erprobten Erzählstrukturen seines Segments mit viel Können und inszenatorischem Geschick nur leicht variiert, niemals aber wirklich in Frage stellt. Zugleich aber geschieht all das mit erlesenen Bildern, einer exzellent und auf den Punkt komponierten Filmmusik, einer liebevollen Ausstattung und mit einem hinreißenden Darstellerensemble, das bis in die kleinste Nebenrolle hinein herausragend agiert.
Aufgrund der überaus einfühlsamen und gekonnten Art und Weise der Umsetzung entschied sich die Jury für die Erteilung des Prädikats „besonders wertvoll“.
FBW-Jugend-Filmjury:
(www.jugend-filmjury.com)
Der Film, der auf einer wahren Begebenheit beruht, spielt in den 1950er Jahren in einem kleinen Dorf in Estland. Die Hauptfigur Endel Nelis wird Sportlehrer an einer Schule und will den Kindern dort gegen den Willen des Direktors das Fechten beibringen. Als ein Fechtwettbewerb in Leningrad stattfinden soll, wollen seine Schüler unbedingt daran teilnehmen. Aber Endel will nicht hinfahren, da er in der [Sowjetunion verfolgt wird. Das Thema des Films ist sehr tiefgründig und ernst und regt zum Nachdenken an. Die Musik hat uns gut gefallen, weil sie ergreifend ist und die Stimmung in den einzelnen Szenen sehr gut unterstreicht. Außerdem haben die Schauspieler die einzelnen Charaktere sehr überzeugend gespielt. Besonders glaubwürdig fanden wir den Großvater sowie Endels Schüler Jaan und die kleine Martha. Obwohl der Film an einigen Stellen so traurig ist, dass einem sogar die Tränen kommen können, ist er vor allem sehr schön. „Die Kinder des Fechters“ soll aussagen, dass man selbst, wenn etwas hoffungslos erscheint, niemals aufgeben sollte. Außerdem zeigt er, dass es manchmal gut sein kann, sich zu widersetzen. Wir empfehlen diesen anspruchsvollen Film ab 12 Jahren, da man ein bisschen geschichtliches Wissen braucht und er einen sehr nachdenklich macht.
Spannend: 4 Sterne
Dramatisch: 4 Sterne
Anspruchvoll: 4 Sterne
Berührend: 5 Sterne
Melancholisch: 5 Sterne
Gesamtbewertung: 5 Sterne.
Quelle: Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW)