Paris im Jahr 1942: Die jüdische Bevölkerung leidet unter den Anfeindungen der antisemitischen Regierung. Doch noch fühlen sich die Familien sicher. Bis eines Nachts unzählige Familien aus ihren Häusern gejagt und in ein improvisiertes Lager gepfercht werden. Darunter auch tausende Kinder, die nicht begreifen, was mit ihnen und ihren Familien geschieht - und nach und nach beginnt der Abtransport in die Vernichtungslager. Der Film fokussiert einzelne Schicksale und verdeutlicht anhand dieser die ungeheuerliche Wahrheit der Geschichte. In ihrem bewegenden Drama wählt Regisseurin Rose Bosch bewusst die Perspektive der Kinder, was die Gräueltaten noch unfassbarer erscheinen lässt. Ein besonderer Verdienst des Films ist die Aufarbeitung eines bisher noch wenig bekannten Kapitels der französischen Geschichte. Gerade auch junge Zuschauer können sich gut mit den Hauptfiguren identifizieren und so einen tieferen Einblick gewinnen in persönliche Schicksale, gesellschaftliche und politische Hintergründe. Eine einfühlsame Inszenierung mit Mut zum Pathos, die, zusammen mit großartigen Schauspielern und einer detailgetreuen Ausstattung bleibende Eindrücke schafft. Ein Film gegen das Vergessen!
Jurybegründung:
Erst sehr spät wurde im französischen Dokumentar- und Spielfilm so manches Tabu in der Darstellung der deutschen Okkupation gebrochen, vor allem die Aufdeckung der französischen Kollaboration am Holocaust. Bekanntlich gestand erst 1995 Präsident Chirac Frankreichs Verantwortung für Verbrechen ein, die es im Rahmen der „Endlösung“ begangen hat.
Inzwischen ist dieser weiße Raum etwa durch Arbeiten von Marcel Ophüls, Joseph Losey oder Louis Malle so nicht mehr existent.
Der Mythos Frankreichs als Hort des „kollektiven Widerstands“ gegen die Deutschen bröckelte. Doch auch angesichts dieser Entwicklungen ist der jüngste Film von Rose Bosch über die Razzia des 16. Juli 1942 und die folgenden Ereignisse im Vélodrom d’Hiver in Frankreich nach wie vor ein nationales filmisches Ereignis von Rang.
Sein aufklärerischer Duktus fand zu Recht große Beachtung und sollte sie auch hierzulande finden!
Eine gelungene Einstimmung: In schwarz-weiß-Dokumentaraufnahmen von Hitlers Parisbesuch, unterlegt mit einem Chanson der Piaf. Dann in Farbe ein Karussell am Fuße von Sacre Coeur, eine Aufschrift „Für Juden verboten“. Ein Wehrmachtssoldat mit einer Kamera. Es folgt ein emotional beeindruckender und erschütternder dramatischer Bilderbogen einer kollektiven Tragödie, das Fresko von Leid und Schuld, von Solidarität und dem Nichtsehenwollen. Im besonderen Fokus das Schicksal der jüdischen Kinder.
Einzelne Charaktere heben sich aus dem kollektiven Erleiden heraus: der jüdische Arzt, eine Rot-Kreuz-Schwester, die Famile Zygler. Im eindrucksvollen Maße werden nachhaltige Kapitel der Razzia und der Deportation rekonstruiert, wie die Aktion der Feuerwehrleute, die Separierung der Männer, Frauen und Kinder. Die Komplizenschaft des Marschalls Pétain und seines Vichy-Regimes in kurzen makabren Intervallen. DIE KINDER VON PARIS - ein Film, der ein Strom der kollektiven Erinnerung sein will, ein Menetekel. Dabei vertraut er auf klassische oder tradiierte Erzählmuster, die Gefühle beschwören und Emotionen wachsen lassen.
Der Film soll rühren und anrühren - dies als klares stilistisches Credo ist die eindeutige Verabredung mit dem Zuschauer (in der Filmwelt von heute leicht vorschnell als anachronistisch abgetan).
Die Jury der FBW war von der Stimmigkeit dieser „Verabredung“ überzeugt und bewertete diese notwendige Botschaft als intensiv und gelungen.
Quelle: Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW)