An der Hotelbar entdecken wildfremde Menschen manchmal recht schnell eine gemeinsame Wellenlänge. Das geht auch dem berühmten Schauspieler Nino Winter (Mario Adorf) und der jungen, unbekannten Schriftstellerin Ada Hänselmann (Fritzi Haberlandt) so. Beide müssen ihren Aufenthalt ungeplant bis zum nächsten Morgen verlängern. Eine geschenkte, einsame, überflüssige Nacht wie diese ermöglicht eine Begegnung, die sonst nicht stattfände, Gespräche, die nur Sinn machen, solange es draußen dunkel ist.
Bei einer solchen Geschichte denkt man gleich an Sofia Coppolas Lost in Translation, und wenn eine deutsche Nachwuchsregisseurin das Risiko dieses Vergleichs eingeht, beweist sie Mut. Offenbar fand Lola Randl auch, dass das Thema der Hotelbegegnungen zwischen älteren Männern und jungen Frauen, die reden wollen, noch lange nicht ausgereizt ist. Ada Hänselmann stellt Nino Winter an der Bar, in der Lobby und auf dem Zimmer hauptsächlich Fragen über den Sex und die Liebe, die er in seiner charmanten Gelassenheit ganz unschlüpfrig beantwortet. Sogar ihre Laute beim Orgasmus spielen sie sich gegenseitig vor, ohne die Ebene des unverbindlichen Flirts zu verlassen.
Zwischendurch spielen sie auch Rollen aus einem ungeschriebenen Film noir: Sie beauftragt ihn, den Detektiv, eine Frau zu beschatten. Randl lässt beide dafür umkleiden und schickt sie zu Musik alter Hollywoodfilme in die dunkle Stadt, wo sie einen verdächtigen Mann entdecken. Er könnte ja der Auftragsmörder sein, meinen sie und folgen ihm später, als sie ihn am Kiosk zufällig wiedersehen. Abgesehen von diesem eigenwilligen filmischen Intermezzo, dem Baby anderer Hotelgäste, das mal kurz in Ninos Arme gelegt wird, einer Mundharmonika, auf der Ada spielt und den Spiegeleiern, die sich die beiden gegen vier Uhr morgens im Hotel braten, bleibt es beim Reden.
Aus der Reserve gelockt von Adas neugierigen Fragen, gibt sich Nino als Mensch zu erkennen, der lange nicht so glatt wie sein Image ist. Das Kammerspiel lebt von der Spannung, die sich nicht nur geschlechtlich, sondern auch aufgrund des unterschiedlichen Alters ergibt. Wenn Ada zum Beispiel sagt, sie findet das Reden über Sex im Bett gut, ist er gegenteiliger Meinung: Macht man das heute so? Mario Adorf spielt den alternden Star, der sich vor allem nach Ruhe sehnt, sehr elegant, zurückgenommen und vielleicht gerade dadurch mit starker Präsenz. Fritzi Haberlandts Rolle ist nicht so klar einzuordnen: Sie ist sprunghaft, voller Ideen, sehr kopflastig, eine Provokateurin, die sich bedeckt hält oder aber nur lernen will.
Randls visuelle Inszenierung bleibt dem Kammerspiel entsprechend unspektakulär. Einmal steht Ada am Fenster im hellen Zimmer und man sieht durch die eine Hälfte der Scheibe den Verkehr auf der nächtlichen Straße, in der anderen Hälfte spiegelt sich das Bett, auf dem Nino liegt. Das Hotel als Ort des Übergangs, des Vergänglichen, vielleicht sogar des Unwirklichen, lädt wie die Nacht dazu ein, die Identität zu lockern, die Gedanken freizulassen. Alles, was die beiden teilen, bleibt ohne Folgen, kann in die Tiefe gehen und trotzdem unbeschwert sein.
Fazit: In Die Libelle und das Nashorn führen zwei sehr verschiedene Hotelgäste eine Nacht lang beschwingte Gespräche über sehr persönliche Themen.