Eigentlich macht Debütfilmer Michael Dreher alles richtig. Ein grandioser Film nimmt seinen Anlauf, wenn sich die Kamera ganz langsam über eine Balkonbrüstung in Tanger schiebt, unendlich langsam nach unten blickt, begleitet von intensiver, spannungsgeladener Musik: damit beginnt ein Drama, eine Geschichte, die ganz direkt die Nerven des Zuschauers berührt, das direkt auf seinen Bauch zielt, besser: auf die Wirbelsäule, die vibrierende Schauer empfängt. Unten liegt ein totes Kind, ein toter Junge.
Nicolai Kinski führt als Hauptdarsteller durch den Film, er steht als Daniel Shore fassungslos seinem eigenen Leben gegenüber, das vielleicht aus zwei Leben besteht. Eine dramatisch-tragische Liebesgeschichte in Tanger wird verbunden mit den unheimlichen Erlebnissen in einem Altbau in Deutschland, in dem skurrile Bewohner hausen und ihm eine Rolle zuweisen, die er nicht kennt das ist Kafka, Existentialismus, Horror. In Tanger verliebt er sich in eine Hure, die an ihn ihre Hoffnung klammert, und er steht zugleich in einem Verhältnis zu Henry, einem Freund, den er erst seit fünf Wochen kennt, in dessen mondäner Villa er wohnen darf, mit direktem Blick aufs Meer, nach Spanien.
Im Altbau begegnet er einer überdreht-launischen Sängerin, die sich ihm an den Hals wirft, um ihn dann wieder wegzuschieben, eine gruslig-knochentrockene Verwalterin, ein seltsamer Gast namens Herr Feige. Und ein Kind, ein Junge, der immer wieder im Flur auftaucht
Merkwürdige Verknüpfungen suggeriert der Film, zwischen Tanger und Altbau, zwischen der marokkanischen Hure und der Sängerin, zwischen dem toten Buben in Tanger und dem geheimnisvollen, gespenstischen Jungen im Flur. Auch die Sängerin und die Verwalterin, Herr Feige und der Junge sind Paarungen, deren geheimnisvolle Beziehungen zueinander vielleicht nur eingebildet sind
Und das alles ist in unheimlicher Stimmung gefilmt, ganz suggestiv, ein Kreisen um ein großes Mysterium, irgendwo zwischen Traum und Alptraum, Vergangenheit und Zukunft, Einbildung und Wirklichkeit, möglicherweise zwischen den Schizophrenien von Daniel und von Shore.
Michael Dreher macht alles richtig, lässt seinen Film zum Erlebnis des Geheimnisvollen werden bis auf die letzte Minute. Wo er zuvor einen gewaltigen und zugleich leicht erscheinenden Tanz um den ominösen Kern des Films gebildet hat, entpuppt dieser sich nun am Ende als wenig. Wäre es alles! Oder nichts! Wäre es Klarheit oder Unklarheit, Bestätigung oder Verweigerung, Zusammenfügen zweier Parallelwelten oder Auseinanderziehen des Unvereinbaren, wäre es Definition oder Vakuum
! Aber es ist schlicht wenig, was rauskommt: und das ist weder das Maxi- noch das Minimum, sondern leider unzureichender Abschluss eines großartigen Films.
Fazit: Spannungsvoller, suggestiver, unheimlicher Film dem am Schluss leider die Luft rausgeht.