In einem Interview sprach Sam Raimi über die strengen Vorgaben innerhalb des Marvel Cinematic Universe und wie sich diese auf seinen Film ausgewirkt haben.
Als „Iron Man“ im Mai 2008 in die Kinos kam, war es dem weltweiten Kinopublikum noch gar nicht klar, dass es Zeuge der Geburt eines gigantischen Unterfangens war, das die Art, wie Filme produziert und konsumiert werden, entscheidend verändern sollte. Das Marvel Cinematic Universe (MCU) war da noch unter dem damaligen Marvel-Studios-Chef Avi Arad mindestens seit 2005 in Planung. Das Genie hinter dem Ganzen ist aber Kevin Feige, der heutige Präsident von Marvel Studios und COO von Marvel Entertainment.
Indem nichts dem Zufall überlassen und nach dem Comic-Schema auf viele Jahre hinaus geplant wurde, erschufen die Verantwortlichen bei Marvel Studios ein filmisches Universum, in dem nachfolgende Filme nicht mehr länger allein vom Einspielergebnis der vorherigen Werke abhängig, sondern inhaltlich bedingt waren. Während man die einzelnen Filme innerhalb des MCU für sich stehend genießen kann, ergeben sie in ihrer Gesamtheit ein Bild, das nur Insider*innen erkennen und wertschätzen können. Das Publikum ist damit nicht mehr länger nur Beobachter, sondern mittendrin, also Teil des Ganzen.
Das wiederum bedeutet allerdings auch, dass sich die Filmemacher*innen innerhalb des MCU in einem enorm eng gefassten Bereich bewegen müssen. Damit kommt nicht jede*r klar und ist auch ein häufiger Kritikpunkt von außen, da man unterstellt, die Marvel-Maschine würde den eigentlich Kreativen die Kreativität rauben. In einem Interview mit Rolling Stone sprach Sam Raimi, Regisseur des kommenden MCU-Films „Doctor Strange in the Multiverse of Madness“, über genau diese Art des Filmemachens:
„Nun, lass es mich so sagen – und das mag vielleicht so klingen, als würde ich aus dem Nähkästchen plaudern –, dass mir Marvel völlig kreative Freiheiten gelassen hat. Allerdings musste ich mich an so viele Dinge aus der Marvel-Geschichte halten, auch wenn ich völlige Freiheit hatte, haben die vorherigen Filme und die Richtung, in die sich Marvel in Zukunft bewegen will, den Weg auf eine unglaublich spezifische Weise vorgegeben. Innerhalb dieser Parameter habe ich Freiheiten, aber ich muss die Geschichte dieser Charaktere so erzählen, dass sie zugleich mit allen Werken in Verbindung steht. Wir mussten zum Beispiel sicherstellen, dass Doctor Strange nicht mehr über das Multiversum weiß, als er in ‚No Way Home‘ erfahren hat. Aber wir mussten auch sicherstellen, dass er nicht die Dinge ignoriert, die er bereits erfahren hat. Alles wurde also von dem diktiert, was zuvor war.“
In unserem Video haben wir die Stars von „Doctor Strange 2“ gefragt, was Marvel-Fans vom neuen Film erwarten können.
„Doctor Strange in the Multiverse of Madness“: Sam Raimi musste sich mittendrin neu orientieren
Ein konkretes Beispiel hatte Raimi ebenfalls im Gepäck. So habe er mitten im Schreibprozess für das Skript, wohl auch aufgrund der Corona-Lage, erfahren, dass sich die Pläne geändert hatten. „WandaVision“ sollte jetzt nicht mehr nach „Doctor Strange in the Multiverse of Madness“ veröffentlicht werden, sondern vorher:
„Wir mussten also genau beobachten, was in ‚WandaVision‘ geschah, damit wir einen richtigen roten Faden und eine Dynamik für die Entwicklung der Charaktere haben konnten. Ich habe nicht einmal alle Folgen von ‚WandaVision‘ gesehen; ich habe nur die Schlüsselmomente einiger Episoden gesehen, von denen mir gesagt wurde, dass sie sich direkt auf unsere Handlung auswirkten.“
Auch „Spider-Man: No Way Home“ hätte erst nach Doctor Stranges (Benedict Cumberbatch) zweitem Abenteuer erscheinen sollen. So mussten die Drehbücher beider Filme umfassend angepasst werden:
„Es war eine sehr chaotische, wunderbare, kreative – ich möchte nicht das Wort Sauerei verwenden, da es unfair klingt – , aber es war eine Kaskade an Ideen. Wir haben die besten davon ausgesucht und daraus in Windeseile den Stoff für dieses Universum gewoben. Das war eigentlich sehr aufregend.“
Mit dieser Art des Filmemachens kommen nicht alle Filmemacher*innen klar. Patty Jenkins, gefeierte Regisseurin der „Wonder Woman“-Filme bei Warner, verließ aufgrund der gern kommunizierten „kreativen Differenzen“ das Projekt „Thor: The Dark Kingdom“. Edgar Wright konnte seine Vision für „Ant-Man“ nicht umsetzen und zog es vor, von Bord zu gehen. Auch der eigentliche Regisseur von „Doctor Strange in the Multiverse of Madness“, Scott Derrickson, nahm seinen Hut, nachdem er nicht in der Lage war, seine Ideen für den Film umzusetzen.
„Doctor Strange in the Multiverse of Madness“ startet hierzulande ab dem 4. Mai 2022 in den Kinos.
Zu seinen Lebzeiten gehörte Marvel-Legende Stan Lee zum festen Inventar eines jeden Marvel-Films. Erkennt ihr die Filme anhand seiner Cameo-Auftritte? Testet euer Wissen: