Nach dem Supererfolg des letzten 007-Streifens Casino Royale, Daniel Craigs Debüt in der Rolle des Geheimagenten im Edelzwirn, war man sich sicher: Die neue, harte Action, wie sie die Jason-Bourne-Filme (Bourne Verschwörung bis -Ultimatum) vorgemacht haben, kommt an, also mehr davon und deutlicher das Ganze. Eine ruhige Minute in einer verwickelten Story auch neu, auch gerne gesehen? Her damit! Doch muss das wirklich, so fragten sich die Produzenten offenbar, 140 Minuten dauern? Geht das nicht schneller, viel schneller?
Man hat all das versucht. Aber Ein Quantum Trost zeigt, dass drei Wünsche auf einmal vielleicht Überraschungs-Eier erfüllen mögen, ein James-Bond-Film jedoch nicht jeden Käse beliebig mitmacht. Und tatsächlich ist die Fortsetzung von Casino Royale nicht nur mit rund 105 Minuten der kürzeste 007-Film bisher, sondern leider auch wegen des rüden Actionmarathons und der wirren aufgesetzten Handlung dazwischen einer der leider belangloseren. Allem Gedöns um die Weiterentwicklung der Figur und allzu vereinzelten Standardabweichungen zum Trotz.
Natürlich ist Ein Quantum Trost als Bond-Film immer noch um Längen besser als das übliche Kawumm-Kino. Nur war man zuletzt einfach schon weiter. Um es deutlich zu sagen: Wer Casino Royale gerade wegen seiner Originalität (vor allem innerhalb der Serie) und auch wegen Daniel Craig mochte, wird hier eines gutes Stück enttäuscht werden.
Dem Rest wiederum, dem Casino Royale zu langweilig und zu kitschig und Bond zu emotional oder ausdifferenziert geriet, findet hier mehr Spaß. Falls Sie zu diesem letztgenannten Personenkreis gehören, können Sie hier getrost mit dem Lesen aufhören und sich freuen.
Dass man sich so sehnsüchtig des 2006er Neustarts dieser fast 50jährigen, erfolgreichsten Filmserie der Welt immerzu erinnert, mag nicht wirklich fair sein. Doch Ein Quantum Trost gibt sich selbst als deutlicher Nachfolger und zweiter Teil einer Trilogie: Wer Casino Royale nicht kennt, hat es am Anfang und Ende schwer, sich in Ein Quantum Trost zurechtzufinden.
Auch diesmal ohne das Gun-Barrell-Logos zum Start steigt man sofort ein in eine wilde Autoverfolgungsjagd. Bond rast mit seinem Aston Martin dahin, ballernde Schurken auf den Fersen. LKW-Karambolagen und andere Schrottereien sind zu überstehen, schnell geschnitten, direkt, ungeheuer physisch. Zuletzt öffnet 007 den Kofferraum darin der verletzte Mr. White (Jesper Christensen), der Hintermann, den Bond am Ende von Casino Royale angeschossen hat und nun zum Verhör schleppt.
Die Action zum Auftakt macht klar: unmittelbar, atemberaubend soll es sein. So arg wie z.B. in Das Bourne Ultimatum wo schließlich gar nicht mehr zu erkennen war, was da wie wo kaputt geht oder auch nur zu sehen ist wird es in Ein Quantum Trost allerdings nicht, zum Glück.
Packend fällt auch Bonds Hatz einem verräterischen Schurken hinterher aus, über die Dächer (und Balkone) von Sierra. Selbst das kennt man vom letzten Bourne-Film. Doch 007 ist da eben eine eigene Klasse, und sei es nur, weil die Action im teuren Anzug stattfindet.
Fahrig, lieblos, unübersichtlich und nervtötend sind dagegen die Handlung und ihr Tempo die meiste Zeit des Films über. Wie und warum Bond jetzt nach Haiti muss: ratzfatz ist es, na ja, erklärt. Ebenso anderes in diesem Film, der den größten Teil seinen Szenen gefühlte drei Sekunden zugesteht. Und je mehr sich das Geschehen entwickelt, wird klar, dass das, was bei Casino Royale noch mit Sinn für Stimmung an Komplexem erzählt wurde, hier zum allzu Simplen, dem Standard geraten ist, das einfach nur umständlich dargeboten wird. Zu einem eigenen Rhythmus findet der Film darüber nicht.
Die beeindruckenden Action-Sequenzen reihen sich denn auch wie Perlen selbstzweckhaft aneinander. Man kann den Angstschweiß förmlich riechen: Oh Gott, zehn Minuten ohne dass geschossen, geprügelt und explodiert wird! In diesem Overkill an Körpereinsatz verbraucht sich Bond, wird wieder zum rabiaten Alles- und Sofortkönner (und -killer), bis hin, dass das Interesse an seiner Figur verloren geht.
Ein langes, spannendes Poker-Duell? In Ein Quantum Trost undenkbar. Einnehmende, zwischenmenschliche Beziehungen? Gar so was wie Charaktere? Nicht gewollt, nicht gekonnt, zu gut versteckt oder zum Selber-Denken, jedenfalls: Nicht wahrnehmbar.
In Haiti trifft Bond zum ersten Mal auf Camille, die sich mit Greene einlässt, um an den fiesen General heranzukommen, der so erfährt man später ihre Familie auf dem Gewissen hat. Weshalb sie, nachdem er sie dem General ausgeliefert hat (und Bond sie sogleich wieder kurz entschlossen wie sinnfrei rettet), mit Greene immer noch zusammen ist, wenn 007 sie wieder in Bolivien trifft, bleibt rätselhaft in dem konfusen So-Dahin-Erzählen. Greene will die Wasservorräte, Bond ist immer mehr unten durch bei Chefin M (Judi Dench) und der britischen Regierung und zum großen Showdown explodiert es ringsum. Das ist alles leider irgendwann wurscht, ausgewalzt oder altbekannt: Ein Quantum Trost verarbeitet gehörig die Bond-Filme der 1980er, vor allem Lizenz zum Töten.
Schön, 007 darf sich auf der Reise aus Kummer betrinken und einen toten Kompagnon kühl beklagen. Doch dabei fühlt man sich fast veräppelt, weil diese ein, zwei Momente der Besinnlichkeit und der Tragik zu eilig und zu kalkuliert geraten, in den Film hineingeschraubt werden, um etwas Herzergreifendes wie die Duschszene in Casino Royale im Portfolio zu haben. Diese Szenen bleiben fadenscheinige Behauptung, nachgeäfft; der hurtige Film schert sich nicht wirklich um sie.
Auch der Charakter Bond wird hier bestenfalls vorgetäuscht: Er, der unterwegs und viel zu eilig jeden Kontaktmann umgebracht hat, hat am Schluss gelernt, sich zu beherrschen. Wie und durch was auch immer. Hier, am Ende funktioniert der zuletzt erhobene Selbstanspruch der Serie, gibt es Spannung im ruhigem Moment. Doch zu spät, man ist darauf nicht (mehr) eingestellt von der Effekt- und Adrenalin-Geilheit des Films versaut.
Olga Kurylenko spielt in Ein Quantum Trost das permanent finster dreinblickende Bond-Girl, eine Rächerfigur, die eindimensional bleibt. Gemma Artertons Rolle ist kaum mehr als Füllmaterial. Immerhin kann sie als Reminiszenz an Goldfinger enden. Ebenso sind Mathieu Amalric als Schuft Dominic Greene (eine Neuauflage von Klaus Maria Brandauer in Sag niemals nie), einige wenige und kaum markante Auftritte vergönnt. Selten hatte ein Bond-Schurke weniger Präsenz. Auch der Schurkenplot rund um Wasser-Ressourcen ist halbgar: Zur ganz großen megalomanischen Welterpressung wollte man wohlweißlich nicht zurück. Doch statt Wasser hätte es ebenso gut doch wieder Öl sein könnrn, Brot oder Wurstsuppe; inszenatorisch hätte das keinen Unterschied gemacht.
Und Craig, Daniel Craig? Der konnte in Casino Royale eindringlich beweisen, was man, genauer: er mit der James-Bond-Figur alles in Sachen Vielschichtigkeit und Tiefe anstellen kann. Doch beim oberflächlichen Schnell-Schnell von Ein Quantum Trost und einem Bond, der meist als aktionistischer Rambo unterwegs ist, hat er es schwer bzw. nahezu Gelegenheit, seine Klasse zu zeigen. Immerhin, in den kurzen Momenten brilliert er.
Es wirkt, als hätten die Autoren Neil Purvis und Robert Wade (Stirb an einem anderen Tag) einmal mehr bewiesen, dass sie sich im Bond-Universum, seiner Dramaturgie und deren Versatzstücken bestens auskennen, sie aber nicht wirklich verstanden haben. Wobei der Oscar-prämierte Schreiber Paul Haggis diesmal wohl anders als in Casino Royale wegen des Hollywood-Autorenstreiks nicht genug zur Stelle war, um das Unheil zu verhindern. Das Nebeneinander von hölzernen Zwecksätzlein und spitzen, intelligenten Dialogen, die auch mal ein Klitzekleinbisschen länger ausfallen, ist vielleicht damit zu erklären.
Marc Forster immerhin inszeniert ordentlich wie er kann. Zwar gehen Action und Rest nicht wirklich zusammen, aber mehr sticht das ungelenke Product Placement heraus, so wenn Camille im fabrikneuen, blitzblanken Ford Ka durch die Slums von Haiti fährt.
Dann aber wieder gibt es wirklich Feines: Eine Schießerei, die stumm und fragmentarisch mit der Opernaufführung parallel geschnitten wird. Clevere Highlights hat der Film hinsichtlich des Bedrohungskosmoses, den er ganz nebenbei kreiert: Die altgediente Schurkenorganisation der 007-Welt wird wiederbelebt und zugleich neu erfunden in einem erschreckend realistischen Gewand. Statt sich in futuristischen Geheimverstecken trifft man sich nun per Funkohrstöpseln bei der Tosca-Aufführung der Bregenzer Seebühne, destabilisiert als internationale Gemeinschaft hochgestellter Persönlichkeit ganze Länder und beeinflusst auch westliche Regierungen, wohl wissend, in der immer schon skrupellosen Welt der Außen- und Interessenpolitik auch mit den Guten ins Geschäft zu kommen.
Entsprechend setzt Greene nicht seinen albernen Handlanger (der im Film auch gar nichts zu tun bekommt, außer dass er die Treppe runterfällt) auf 007 an, sondern seine neuen Freunde von der CIA, brillant verkörpert durch den schnauzbärtigen David Harbour. Was wiederum Bond-Kumpel Leiter (Jeffrey Wright) in eine Zwickmühle bringt. Mit diesem Ansatz geht der Film tatsächlich einige Schritte in die Richtung, das Gut und Böse, die Eindeutigkeit und das unbestechliche Konzept der James-Bond-Figur selbst als nicht mehr funktionstauglich zurück zu lassen. Vielleicht ist das blinde und althergebrachte Nichtigkeiten- und Krawallkonzept denn auch als Angst vor der eigenen Courage zu deuten?
Nochmal: Als überbordende Achterbahnfahrt ist auch dieser Bond-Film ein Garant für gute Laune. Schade ist nur, dass diejenigen, denen James Bond ohnehin nur dumpfe Karussellfahrt sein soll und jene, denen die Serie stets schon teurer, plumper Quatsch war mit Ein Quantum Trost so zu ihrem Recht kommen. Der Rest schaut in die Röhre.
Bond as usual. Gut so oder aber bedauerlich, weil drangegeben wird, was man sich erst mit Casino Royale so großartig und überzeugend erarbeitet hat.
Fazit: Nett und flott als anspruchsloser Actionfilm, aber wenig inspiriert und unwürdig belanglos als Fortsetzung des 007-Hits Casino Royale.