Ein Schritt zu viel: In dem gut gespielten Sugar-Daddy-Krimidrama verliert ein reicher Banker sein Herz an eine junge Frau.
Wovon träumen reiche alte weiße Männer? Natürlich von einer jungen Frau. Das ist zwar ein Klischee, aber auch einigermaßen realistisch. Wo solche Träume enden können, erzählen Ulli Stephan (Buch) und Katharina Bischof (Regie) mit ihrem Film „Ein Schritt zu viel“. Während viele Krimis im Grunde Dramen sind, ist dieses Drama eigentlich ein Krimi: Ein junger Mann liegt tot im eigenen Blut, ein älterer ruft einen Krankenwagen. Er versichert, er habe das Opfer so aufgefunden. Das wäre ein ganz gewöhnlicher Krimiauftakt, wenn der Ältere nicht zuvor in einer Art Prolog von einem Kollegen berichtet hätte, einem Zocker, der immer größere Summen verspielt und ihm erzählt habe: Je näher man dem Untergang sei, desto mehr spüre man, dass man noch lebe. Damals, sagt der Mann, habe er das nicht verstanden.
Damit ist der Kern der Geschichte, die sich über einen Zeitraum von fünf Jahren erstreckt, umrissen: „Ein Schritt zu viel“ handelt vom Untergang. Natürlich zieht sich auch die Frage nach den tödlichen Umständen durch den Film, aber zunächst mal geht es um Liebe: Friedrich Benning (Nicki von Tempelhoff) ist Banker, Mitte fünfzig, vermögend und geschieden. Eines Tages lädt ihn sein Freund und Kollege Lars (Marc Hosemann) zu einer ausgelassenen Nacht mit zwei attraktiven jungen Frauen ein. Als Friedrich klar wird, dass Lars die beiden bei einem teuren Escort-Service engagiert hat, ist er zunächst schockiert; aber dann will er Nicole (Lilith Häßle) wiedersehen. Die Jura-Studentin lässt sich auf eine Beziehung ein, selbst wenn der großzügige Friedrich gewisse Besitzansprüche an den Tag legt: Er möchte nicht, dass sie weiter für die Escort-Agentur arbeitet, und kauft ihr ein Apartment. Das geht so lange gut, bis Nicole den Software-Entwickler Josch (Daniel Sträßer) kennenlernt. Als die beiden ein Kind erwarten, will sie die Beziehung zu ihrem Gönner beenden, aber der Banker schlüpft nun in eine Vater- und Oparolle.
Der besondere Reiz dieser eigentlich ganz einfachen „Sugar Daddy“-Geschichte liegt in ihrer Erzählweise: Der Film trägt die früheren Ereignisse in Form von geschickt mit der Rahmenhandlung verknüpften Rückblenden nach, so dass sich erst nach und nach das ganze Bild ergibt. Das visuelle Konzept folgt dabei einem bewährten Muster: Die Aufnahmen aus früheren Tagen sind hell, bunt und freundlich, die Gegenwart ist trist und farblos. Natürlich werden Friedrich und Nicole von einer Kommissarin (Nicole Marischka) befragt, aber „Ein Schritt zu viel“ ist dennoch kein Krimi, weshalb die Ermittlungen eher beiläufig stattfinden.
Obwohl die Handlung alle Voraussetzungen dafür mitbringt, verzichten Stephan und Bischof darauf, die Geschichte als Tragödie eines lächerlichen Mannes zu erzählen. Der Banker benimmt sich keineswegs wie ein verliebter alter Trottel. Da er viel Geld hat, bedeutet es ihm nichts; deshalb finanziert er Nicole, Josch und ihrer Tochter wie selbstverständlich eine größere Wohnung. Friedrich macht zwar in den Gegenwartszenen einen leicht verwahrlosten Eindruck, aber eine charakterliche Entwicklung durchlaufen vor allem Josch und Nicole: Parallel zu den Bildern, die ihre Farben verlieren, kommt der jungen Frau auch die anfängliche Unbeschwertheit abhanden; gegen Ende wirkt sie fast verhärmt. Auch Josch wandelt sich und büßt seine Rolle als Sympathieträger mehr und mehr ein.Für Katharina Bischof ist „Ein Schritt zu viel“ nach einigen Kurzfilmen und diversen Serienfolgen die erste Langfilmregie, aber das ist ihrer Arbeit nicht anzusehen. Ganz vorzüglich ist auch die Führung der Schauspieler; Lilith Häßle spielt hier ihre erste Fernsehfilmhauptrolle. Einziges Manko des Films sind die überflüssigen Zwischenkommentare in die Kamera. tpg.