"Ende der Schonzeit" ist ein Heimatfilm, ein bäuerliches Drama: Es geht um den fehlenden Hoferben, um die Zwangslage des Bauern-Ehepaares, um einen konfliktträchtigen Lösungsansatz mit emotionalen Implikationen und schlimmen moralischen Folgen. Wenn die Kuh kalben soll, bringt man sie zum Stier, das ist Fritz Devise er ist knorrig, kantig, hart und gefühlskalt. Er spürt Zuneigung zu Emma, zeigt sie aber nie. Und Emma fügt sich ein ins patriarchalische Leben, arbeitet fleißig und ruhig, ohne je aufzumucken; bis sie durch Albert eine ganz andere Welt kennenlernt, in der der Körper nicht nur für die harte Arbeit da ist.
In ihrem Spielfilmdebüt zeigt Franziska Schlotterer das langsame Öffnen einer Frau hin zu ungekannter Sinnlichkeit, ein leises Erblühen von Liebe: Ein Dreiecksverhältnis, forciert vom Ehemann, hinter dessen Rücken freilich etwas geschieht, womit er nie gerechnet hätte. Auch er kennt körperliche Lust nicht, er weiß nur um die Absicht, die dahinter steckt, das Zeugen von Nachwuchs. Behutsam und nie voyeuristisch behandelt Schlotterer die aufkeimende körperliche Liebe zwischen Emma und Albert, und die wachsende Eifersucht bei Fritz, die er nie für möglich gehalten hätte. Die Welt im Schwarzwald ist alles andere als heil.
Vor allem auch deshalb nicht, weil das Ganze zur Nazizeit spielt. Albert ist ein jüdischer Flüchtling, der über den Rhein in die sichere Schweiz will, und den Fritz und Emma bei sich verstecken. Womit ganz neue Zwänge und Abhängigkeiten entstehen: Albert muss tun, was Fritz wünscht, andererseits ist er auch derjenige, der das Bauernpaar aus dem Dilemma der Kinderlosigkeit führen kann; und er kann Emma emotional von sich abhängig machen, immerhin das; wenn er ihnen schon auf Gedeih und Verderb ausgeliefert ist.
Diese Bande von miteinander und ineinander verwickelten Charakteren sind wohl austariert. Mit nicht immer ganz subtiler Symbolik entwickelt Schlotterer ihr Melodram. Freilich wirken die Darsteller etwas zurückhaltend, sie spielen fast mit angezogener Handbremse, und nie scheinen sie tatsächlich auf dem Hof zuhause zu sein. Brigitte Hobmeier und Hans-Jochen Wagner, so perfekt sie ihr schauspielerisches Handwerk beherrschen, wirken wie in ihre Umgebung gestellt, ohne dazuzugehören. Auch der zeitliche Rahmen, die 1940er fungieren nur als eine zusätzliche Bedrohung, als Element, um das Melodram zu steigern wirklich eingebunden in die Story an sich ist es aber nicht.
Das Fehlen eines gesprochenen Dialekts trägt erheblich zum Mangel an Authentizität bei: Ein bäuerliches Drama aus dem Schwarzwald, dem jede schwäbisch-alemannische Mundart ausgetrieben ist und in dem die gepflegte Hochsprache allenfalls ab und an mit verwischten und verschluckten Silben daherkommt, kann nicht lebendig wirken.
Fazit: "Ende der Schonzeit" ist ein bäuerliches Melodram aus der NS-Zeit, das zwar handwerklich gelungen ist, dessen Darstellung der bäuerlichen Welt dennoch gestellt und steril wirkt.