In Südkorea liegt Dogil Maeul, das „Deutsche Dorf“, das für koreanische Gastarbeiter errichtet wurde, die nach über 30 Jahren in Deutschland zurück in ihre alte Heimat gezogen sind. Von drei Koreanerinnen und ihren deutschen Ehemännern im Rentenalter berichtet Dokumentarfilmerin Sung-Hyung Cho (Full Metal Village) auf ihre gewohnt amüsante und sensible Weise ohne dabei die Tragik der einzelnen Schicksale außen vor zu lassen. Ihr „Heimatfilm“ findet grandiose Sinnbilder für deutsche Traditionen zwischen Würstchen, Pünktlichkeitsanspruch und Schrankwänden sowie für die Möglichkeiten und persönlichen Grenzen eines ungewöhnlichen Kulturaustausches. Dabei sind es vor allem die liebenswürdigen und manchmal etwas schrulligen Protagonisten, die den Zuschauer mit ihrer unverfälschten Offenheit fesseln.
Jurybegründung:
Es hat ein wenig was von einem „Teutonic Park“ - dieses kleine Dorf auf einer südkoreanischen Insel, in dem ein paar typisch deutsche Häuschen gebaut wurden, in die ein paar typisch deutsche Männer mit ihren koreanischen Frauen eingezogen sind. Als solch ein Themenpark wird es offensichtlich auch von jenen Koreanern verstanden, die es an den Wochenenden in Strömen besuchen, dabei die schönen Vorgärten zertrampeln und ihren Kindern gestatten, die Bewohner als „Langnasen-Opas“ zu bezeichnen. Diese Ebene der Geschichte hat Sung-Hyung Cho mit einigen hochkomischen Sequenzen eingefangen, aber am Anfang des Films scheint sie selber ja auch das dort gefundene skurrile Deutschtum auszustellen.
So zeigt der Handwerker stolz seine Betonmischmaschine, deutsches Brot und deutsche Wurst werden gefertigt und ein Autofahrer singt sein Klagelied über „Frauen am Steuer“. Als eine in Deutschland lebende Koreanerin hat die Regisseurin natürlich einen genauen Blick für diese Details und wenn da koreanische und deutsche Befindlichkeiten aufeinanderstoßen, ist sie eine der wenigen, die sich in beide Seiten hineinversetzen kann. Zudem hat sie soviel Talent und Selbstbewusstsein, dass sie ihre Aufnahmen für sich sprechen lassen kann, also ganz auf eine Erzählerstimme im Off verzichtet. So muss der Zuschauer wohl oder übel genau hinsehen und hören, wenn etwa ein deutscher Rentner mit seinem angeheirateten koreanischen Verwandten auf dem Sofa sitzt und beide keine gemeinsame Sprache sprechen, so dass das Ganze in eine absurde Angel-Pantomime mündet.
Bei all diesen Szenen versucht Sung-Hyung Cho nie zu kaschieren, dass sie mit dabei ist und es diese Situationen ohne die Kamera so gar nicht geben würde. Dies macht sie schon mit einer der ersten Einstellungen deutlich (der alte Koreaner fragt angesichts der Kamera: „Macht ihr hier Messungen?“ ) und seltsamerweise wirkt der Film gerade deshalb so ehrlich.
Eine kluge, dramaturgische Entscheidung war es auch, mit den, einem deutschen Publikum eher vertrauten, deutschen Männern anzufangen und erst in der zweiten Hälfte des Film die koreanischen Frauen ihre zum Teil sehr berührenden Geschichten erzählen zu lassen. Hier wird dann auch die Komplexität der Situation dieser drei Paare immer deutlicher. Wenn die Frauen davon erzählen, was ihnen in Deutschland widerfahren ist, spiegeln sich diese Erfahrungen in ihrem jetzigen Leben, weil nicht nur ihre Männer in Korea offensichtlich Fremde sind und bleiben werden sondern auch sie selber jetzt als Fremde in ihrer Heimat leben.
Diese tragikomische Entwurzelung kann wohl nur eine in Deutschland lebende und arbeitende Koreanerin so vielschichtig und einfühlsam vermitteln. Deshalb ist das Dorf am Schluss des Films keine Kuriosität mehr, sondern tatsächlich eine Endstation der Sehnsüchte.
Quelle: Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW)