Berlin, Deutschland im Jahr 2014. Auf einer Straße liegt ein Mann. Adolf Hitler. Er weiß nicht, wo er ist, warum er da ist und wie er vor allem dahin gekommen ist. Verwirrt macht er sich auf, erst einmal seine Umgebung zu erkunden. Doch das, was er sieht, irritiert ihn zutiefst. Und er beschließt, „sein“ Land zurückzuerobern. Mit ER IST WIEDER DA, der Verfilmung des gleichnamigen Erfolgsromans von Timur Vermes, gelingt David Wnendt eine Meisterleistung: Mühelos gelingt ihm der Spagat zwischen unterhaltsamer Komödie und bissiger Satire, bei der dem Zuschauer mehr als einmal das Lachen im Halse stecken bleibt. Durch die Vermischung inszenierter Szenen und dokumentarischen Materials, das teilweise mit versteckter Kamera aufgenommen wurde, entsteht eine erstaunliche Authentizität, was auch an der sehr geschickten Kameraführung und der Auswahl der Protagonisten liegt. Wenn „besorgte Bürger“, rechte Parteifunktionäre oder Stammtischrevolutionäre in ganz Deutschland mit dem wiedererwachten Diktator reden, ihre Sorgen und Nöte besprechen oder gar mit Ehrfurcht in der Stimme ein Selfie oder einen Händedruck erbeten, dann ist man als Zuschauer amüsiert und entsetzt zugleich. Dem Spiel des Ensemble zuzusehen, ist aufgrund des pointiert geschriebenen Drehbuchs und einem perfekten Timing in Montage und Darstellung ein wahrer Hochgenuss. Ob Christoph Maria Herbst als karrieregeiler Möchtegernchef, Fabian Busch als treu-naiver Nachwuchsredakteur oder Katja Riemann als machtgetriebene Walküre, die für gute Quoten ihre Seele verkauft - sie alle spielen ihre Figuren lustvoll und gekonnt. Und wie es Oliver Masucci gelingt, aus einer Figur wie Adolf Hitler, deren Gestik, Mimik und Auftreten längst schon zum medienkulturellen Gedächtnis gehören, etwas so eigenständiges zu erschaffen, das ist erstaunlich und beeindruckend. Er verkörpert Hitler nie als Karikatur, stellt ihn nicht als lächerlich bloß, sondern bleibt in jedem Moment ernsthaft. Nur so gelingt es, die wahre Bedrohung durch diese Figur darzustellen, die nach und nach zum Verführer einer formbaren Masse wird. Man glaubt Masucci die Entschlossenheit, die er ausstrahlt und sieht dabei zu, wie zunächst die Fernsehlandschaft, und dann ganz Deutschland ihm verfällt. Geschickt werden so auch die Mechanismen des Medienapparates einschließlich Kalkül und Klüngelei bloßgestellt, ER IST WIEDER DA ist geistreiche Medien- und Politsatire zugleich. Und dazu ein Film, der aktueller nicht sein könnte. Denn er wirft die Frage auf, ob es auch heute noch möglich ist, dass ein ganzes Land der Faszination eines Diktators erliegt. Die Antwort, die der Film gibt, lässt den Zuschauer schaudernd und nachdenklich zurück. Ein Film über Deutschland. Bissig, böse, genial.
Jurybegründung:
Was wäre, wenn der leibhaftige Adolf Hitler plötzlich in einem Berliner Hinterhof auftauchen würde? Dies ist die Prämisse des Bestsellers von Timur Vermes, den David Wnendt nun nicht ganz werkgetreu adaptiert hat. Denn neben der Mediensatire, in der Adolf Hitler von einem Privatsender als Comedian groß herausgebracht und vom Publikum gefeiert wird, hat sein Film auch semi-dokumentarische Teile, in denen gezeigt wird, wie im heutigen Deutschland darauf reagiert wird, wenn eine Hitlerfigur in der Öffentlichkeit auftritt. Diese Methode kennt man von den TV-Shows und Filmen von Sacha Baron Cohen, und wie bei ihm sind diese Sequenzen zugleich komisch und entlarvend. Für viele der gezeigten Passanten ist der Auftritt von Hitler in ihrem alltäglichen Leben ein Gag, und so wollen asiatische Touristen vor dem Brandenburger Tor Fotos von sich und der Hitlerfigur schießen. Aber schon, dass viele Passanten vor ihm den Hitlergruß machen, ist nicht mehr komisch, sondern erschreckend und in Gesprächen auf der Straße offenbaren viele Passanten ganz offen ihre Sympathien für rechtsradikales und fremdenfeindliches Gedankengut. Wenn dann Fußballfans neben ihm gröhlend die Deutschlandfahne schwenken und einen Punk, der dagegen seine Parolen ruft, vor der Kamera verprügeln wollen, ist dies ein böses Bild vom heutigen Deutschland. Aber oft bleibt unklar, wieviel bei diesen Sequenzen inszeniert ist, und mit diesen Unschärfen spielt Wnendt virtous. So ist der Punk in der geschilderten Szene ein Darsteller, die Fußballfans dagegen nicht. Viele Szenen wie etwa jene, in der sich Adolf Hitler vor einer türkischen Frau in einer chemischen Reinigung zuerst die Reichsuniform und dann auch noch die Unterhose auszieht, wirken völlig authentisch, aber dann entpuppen sich andere Sequenzen, die in genau dem gleichen Stil aufgenommen wurden, als offensichtlich fiktiv.
Oliver Masucci fällt als Hitlerdarsteller nie aus der Rolle. Zum Teil improvisiert er sehr schlagfertig und er übertreibt nicht. Er imitiert Hitlers Tonfall, aber nie so, dass er zur Karikatur wird, und oft reicht es, wenn er nur dasteht, ein paar Schritte macht und wenige Sätze sagt, die dann aber genau treffen. So ist etwa sein erster Fernsehauftritt auch darum so eindrucksvoll, weil er einfach schildert, wie das Deutschland des Jahres 2014 auf einen Menschen, der von 1945 in diese Zeit versetzt wurde, wirken muss. Und diese Worte rütteln die Zuschauer so auf, dass dieser vermeintliche Adolf Hitler-Darsteller schnell ein Medienstar wird. Fabian Busch spielt einen kleinen Redakteur des fiktiven Fernsehsenders, der gerade gefeuert wurde, Adolf Hitler entdeckt hat und die ersten Filme mit ihm macht. Christoph Maria Herbst gibt nach Stromberg wieder einen intriganten Bürodespoten und Katja Riemann ist überzeugend als eine Senderchefin, die in der Vermarktung von Adolf Hitler die Chance auf einen großen Coup sieht. Hier ist die Mediensatire „Schtonk!“ offensichtlich ein Vorbild, aber Wnendt geht schnell darüber hinaus, wenn er auch hier die bundesdeutsche Realität in seine Spielhandlung einfließen lässt. Er lässt seinen Hitler in realen Fernsehshows wie denen von Jörg Thadeusz und Frank Plasberg auftreten und eine ganze Reihe von YouTube-Stars verbreiten auf ihren Plattformen ihre Kommentare zu den Auftritten Adolf Hitlers. Dessen Popularität sinkt zwischenzeitlich rapide, als eine Filmaufnahme auftaucht, in der er einen Hund erschießt. Eine makabere, schön gesetzte Pointe. Doch dann dreht Wnendt seine Spirale der Selbstreferentialitäten noch weiter. Sein Adolf Hitler schreibt das Buch „Er ist wieder da“, das prompt zu einem Bestseller wird (was mit einer realen Spiegel-Bestsellerliste belegt wird), das Buch wird verfilmt, sodass die Dreharbeiten zu Szenen gezeigt werden, die zuvor im Film zu sehen waren, und Fabian Busch tritt in einer Einstellung als doppelter Sawatzki auf: sowohl als Regisseur des Films wie auch als Filmfigur. Dieses Spiel mit den Erzähl- und Realitätsebenen macht den Film sehr unterhaltsam, aber es ergibt auch dramaturgisch Sinn, denn so wird man immer wieder mit der Frage konfrontiert, was denn nun wirklich wäre, wenn Adolf Hitler wieder auftauchen würde. In Zeiten, in denen wieder Flüchtlingsheime angesteckt werden, ist dies nicht nur ein sehr komischer, sondern auch ein wichtiger Film. Denn es zeigt sich, dass Bertolt Brechts Satz immer noch gilt: „Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch.“
Quelle: Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW)