Mit seiner Firma hat der junge erfolgreiche Unternehmer Christian Grey Milliarden verdient. Als die junge Literaturstudentin Anastasia Steele den begehrten Junggesellen für die Uni-Zeitung interviewen möchte, kann auch sie sich der Faszination durch den geheimnisvollen Mann nicht entziehen. Sie selbst ist schüchtern, zurückhaltend und strotzt nicht gerade vor Selbstvertrauen. Doch genau das scheint Christian an ihr zu interessieren. Immer näher kommen sich die beiden, bis Christian Anastasia eines Tages ein Angebot macht: Er möchte mit ihr einen Vertrag schließen. Der Vertrag beinhaltet Sex nach Regeln, und zwar nach Christians Regeln. Sie soll ihm gehorchen, von ihm beherrscht werden. Anastasia reagiert abweisend. Doch die Faszination ist stärker und lässt Anastasia eine Welt der Lust und Leidenschaften betreten, die sie vorher nicht kannte. Christian erfüllt ihr jeden Wunsch. Außer Nähe und Zuneigung. Und genau das ist es, was sie am meisten begehrt. Im Grunde ist die Geschichte der Anastasia in FIFTY SHADES OF GREY ein Märchen. Eine junge unscheinbare Frau verliebt sich in einen Traumprinzen, der ihr alle Wünsche erfüllt und sie zu seiner Prinzessin macht. Doch in Sam Taylor-Johnsons Verfilmung des gleichnamigen Erfolgsromans, der sich über hundert Millionen mal verkauft hat, erhält dieses Märchen eine prickelnde sexuelle Note. Denn wenn Christian Grey, dem Jamie Dornan mit seinem Spiel eine faszinierende Mischung aus Unnahbarkeit und unterdrückten, unter der Oberfläche brodelnden Gefühlen verleiht, seine Geliebte Anastasia in sein „Spielzimmer“ ruft, dann warten dort Seile, Peitschen, Fesseln und Handschellen auf die junge Frau. Glaubwürdig verkörpert Dakota Johnson Anastasia, die naiv und unsicher Christians Welt betritt und die im Laufe der Zeit durch die BDSM-Praktiken nicht nur ihre eigene Lust, sondern auch ihr Selbstvertrauen als Frau erkennt. Kühle und stilsichere Eleganz durchziehen die klar komponierten Bilder, die Kamera liefert elektrisierende Aufnahmen, die Liebes- und Sexszenen sind geschmackvolle Bildchoreografien, die viel erahnen lassen, ohne alles zu zeigen. FIFTY SHADES OF GREY ist ein sinnlich-erotisches und modernes Märchen über Kontrolle, Verführung, Begierde und Leidenschaften. Prickelnd und faszinierend.
Jurybegründung:
Der Film von Sam-Taylor-Johnson kann als Literaturverfilmung, als Drama, als Romanze und als Erotikfilm betrachtet werden. Eine eindeutige Genre-Zuordnung ist also schwierig. Aber gehen wir einmal davon aus, dass es sich um ein Drama handelt, das Elemente der Romanze und des Erotikfilms aufweist und Erwartungen erfüllen muss, die sich aus der Adaption eines der meistverkauften Bestsellers aller Zeiten ergeben.
Die Geschichte ist bekannt: Eine 21-Jährige Literaturstudentin verliebt sich in einen jungen Milliardär, der sie in ein sadomasochistisches Rollenspiel verwickelt. Das kennen wir bereits aus den 1980er Jahren, als Mickey Rourke mit Kim Basinger 9 1/2 Wochen lang ähnlich verkehrte. Was hat sich geändert? Der Mann ist traumatisiert. Unter der ehemals postmodernen Oberfläche findet sich heute ein empfindsamer Mann, dessen sexuelle Identität empfindlich gestört ist. Daher kommt die Vorliebe für BDSM. Diese muss geheilt werden. Wer kann das? Am ehesten eine junge Frau, die diesen Mann bedingungslos liebt. Sie lässt sich also eine ganze Menge gefallen. Was sie sich aber nun genau gefallen lassen muss, welche sexuellen Praktiken der Film wie zeigt und mit welchen dramaturgischen Mitteln das Wechselspiel von Nähe und Distanz, von Ablehnung und Anziehung, von rastlosem Begehren und geduldiger Vernunft inszeniert ist, darin ist die Qualität des Films zu messen.
Die Dramaturgie hat märchenhafte Züge. Die junge Anastasia gerät in eine faszinierende fremde Welt. Durch ihre Persönlichkeit (neugierig, liebenswert, altruistisch, gebildet) ist sie dazu geeignet, diese Welt von ihren Dämonen zu befreien. Auf eine Art ist sie wie Dorothy in WIZARD OF OZ, nur ist die Welt hier eine banale Konsumwelt. Zudem ist „Oz“ vor allem auch die Seele von Christian Grey und die ist in seinem BDSM-Raum gefangen. Was sich dort abspielt, sind sexuelle Praktiken und Spielarten, die eventuell nur noch für einen geringen Teil des Publikums Grenzüberschreitungen darstellen sollten. Ob das, was wir sehen, erotisch ist oder nicht, hängt vom Betrachter ab, da sind die ästhetischen Geschmäcker natürlich sehr verschieden. Die Entwicklung der Beziehung zwischen den beiden Protagonisten ist solide und nach klassischem Muster aufgebaut und hält daher eher wenige Überraschungen bereit. Es finden sich auch Redundanzen in der Narration. Die beiden Hauptdarsteller wissen jedoch zu überzeugen und der Film hat seine großen Momente, so etwa, wenn Anastasia und Christian die Punkte des Vertrags durchgehen, der ihre Beziehung und ihre sexuellen Praktiken regeln soll. Diese Szene überzeugt durch eine reizvolle Ambivalenz. Außerdem zeigt sich hier besonders deutlich die gesellschaftliche Relevanz des Films (wie auch schon der Romane). Es geht um die Liebe in Zeiten des Kapitalismus. Welche Träume und Sehnsüchte, aber auch Realitäten, Beziehungen in unserer Gegenwart beeinflussen, darüber lässt sich anhand des Films trefflich diskutieren.
Quelle: Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW)