Beruhend auf dem gleichnamigen Buch von James Bradley (dem Sohn des Sanitäters John Bradley) inszenierte Clint Eastwood gleich zwei Filme: Flags of our fathers und Letters from Iwo Jima, der die Ereignisse aus japanischer Sicht schildert und 2007 in die Kinos kommen wird. Wie also einen Film beurteilen, der eigentlich nur ein halber ist denn Flags of our fathers blendet die japanische Position konsequent aus, der Feind erscheint allenfalls als anonymes Wesen in Uniform, das es zu erschießen gilt. Doch wer ein Kriegepos voller monumentaler Kampfszenen erwartet, liegt falsch. Eastwood konzentriert sich über weite Strecken auf die Ereignisse in den Vereinigten Staaten. Nach dem rund halbstündigen Schlachtengewirr um Iwo Jima verschiebt sich der Schwerpunkt des Films mehr und mehr an die Heimatfront.
Doch zunächst die alles entscheidende Schlacht: in entsättigten, beinahe schwarz-weiß wirkenden Bildern kämpft sich eine Truppe unerfahrener, fast naiver Soldaten durch den schwarzen Vulkansand von Iwo Jima, durch eine Welt, in der der Tod allgegenwärtig ist. Wie eine verlassene Toteninsel erscheint das Eiland zunächst, als die amerikanischen Marines zur Eroberung ansetzen. Doch dies entpuppt sich schnell als Trugschluss: die Japaner verteidigen nach Kräften ihre Insel. Die Schlacht um das strategisch günstig liegende Iwo Jima ging als eine der blutigsten in die Geschichte ein: Fast 7 000 Amerikaner und 21 000 japanische Soldaten (von 22 000) fielen den Kämpfen zum Opfer. Doch trotz präziser Kameraführung und exzellenter Tongestaltung, bei der man jedes Sandkorn unter den Stiefeln der Marines knirschen hört, entwickeln die auf Island gedrehten groß angelegten Schlachtszenen nur selten jene Beklemmung, die man aus vergleichbaren Kriegsfilmen kennt.
Zurück in den Vereinigten Staaten werden Ira, John und Rene von einer Veranstaltung zur nächsten weitergereicht, um für den Kauf von Kriegsanleihen zu werben. Ihr habt für einen Berg im Pazifik gekämpft, jetzt kämpft ihr für einen Berg von Geld, wird ihnen lapidar erklärt. Dafür ist der politischen Führung alles recht: die Szene, in der die Flagge gehisst wird, wird in großen Stadien für die Öffentlichkeit nachgestellt oder als Vanilleeis mit Erdbeersoße präsentiert, die wie Blut über das Heldenbild fließt. Von Anfang an demontiert Regisseur Eastwood das Bild der Helden, die den Amerikanern zu Hause neue Hoffnung bringen sollen. Denn die klinisch reine Inszenierung in den USA hat nichts gemein mit den grausamen Kampfhandlungen, die die neuen Helden der Nation in Japan erlebt haben. Das ganze ist eine verdammte Farce, echauffiert sich der Indianer Ira, der am meisten unter der Situation leidet.
Gewitter, die Blitze der Fotografen und die monumentalen Feuerwerke der Feierlichkeiten evozieren immer wieder Schlacht und Kugelhagel und werden zum Auslöser zahlreicher Flashbacks, die die Figuren und mit ihnen die Zuschauer zurück nach Iwo Jima befördern. In der zweiten Hälfte des Films nehmen dann solche Szenen die Überhand, in denen James Bradley sich an die Erzählungen seines Vaters, des Sanitäters erinnert. Die Erzählstruktur, mit der Oscar-Preisträger Clint Eastwood versucht, die verschiedenen Ebenen zusammenzuhalten, in dem er zwischen den einzelnen Ebenen hin- und herspringt, schadet Flags of our fathers jedoch mehr, als sie ihm nützt. Denn so gelingt es ihm nicht, ein erzählerisches oder emotionales Zentrum aufzubauen. Auch die schematisierten Auslöser der Rückblenden verkommen mehr und mehr zum rein für die Logik der Erzähltechnik benötigten Moment.
Die flache Figurenzeichnung tut ein Übriges dazu, dass sich die Geschichte schnell totläuft: der alkoholkranke Indianer Ira, der mit den Kriegserlebnissen nicht umgehen kann, der Sanitäter John als harmloser all american boy und der Medienliebling Rene, der wegen der schicken Uniform zu den Marines gegangen ist, wirken wie ein gewollter Querschnitt durch die Bevölkerung, der nur wenig Raum lässt für die Entwicklung der Charaktere. Clint Eastwood und Produzent Steven Spielberg haben sich bewusst dafür entschieden, die Hauptrollen mit jungen, weniger bekannten Schauspielern zu besetzen, die das naive Auftreten der unerfahrenen Soldaten glaubhaft verkörpern könnten. Doch es gelingt diesen unverbrauchten Gesichtern Ryan Phillippe, Jesse Bradford und Adam Beach nur selten, ihre Charaktere mit Inhalten zu füllen, die über stereotype Allgemeinplätze hinausgehen.
Ein Problem aber ist viel essentieller und führt zu einem fundamentalen Widerspruch innerhalb des Films: Schon früh zeigt Eastwood, dass die Erlebnisse der Soldaten und ihre Präsentation in der amerikanischen Öffentlichkeit nur wenig gemein haben. Gründlich entlarvt er die PR-Maschinerie und demontiert er das Bild der Kriegshelden, die selbst nie welche sein wollten. Von dem Bild der Retter der Nation, das die Offiziellen kreieren, blättert schnell die Farbe ab, und kurze Zeit nach Kriegsende geraten die vermeintlichen Helden von Iwo Jima in Vergessenheit. Als sie die amerikanische Flagge gehisst haben, war diese für sie ein Symbol ohne Inhalt, eine Pflichtübung ohne besondere Bedeutung, auf Befehl ihres Kommandanten ausgeführt, nicht aus Liebe zum Vaterland. Es gibt keine Helden. Helden sind etwas, das wir geschaffen haben, lässt der Regisseur den alten John Bradley am Sterbebett sagen. Doch so sehr Eastwood die Helden und die Kriegspropaganda einerseits auseinander nimmt, so hebt er andererseits auch die Kameradschaft der Soldaten hervor. Und kreiert damit einen neuen Heldentypus keinen öffentlichen, der eine Flagge aufstellt, sondern einen, der für seine Freunde gestorben ist. So traut sich der Regisseur zwar, die Kriegspropaganda zu kritisieren (denn er hat diesen Film sicher nicht ohne Grund gerade zu Zeiten des Irakkriegs gedreht) das Konzept des Heldentums selbst in Frage zu stellen wagt er jedoch nicht.
Fazit: Clint Eastwood hat viel gewollt und ist auf hohem Niveau gescheitert.