Florence Foster Jenkins ist in den 1930er und 1940er Jahren eine der Königinnen der amerikanischen High Society. Sie hat Geld im Übermaß und könnte es sich mit ihrer Position als Kunstmäzenin und Förderin von Musikern gut gehen lassen. Doch Florence will Musik nicht nur lieben, sie will sie auch leben. Daher entscheidet sie sich, eigene kleine Gesangsdarbietungen für ihre Freunde vorzubringen, unterstützt und organisiert von ihrem Mann St. Clair, der penibel auf jedes Detail achtet. Vor allem darauf, Florence die schmerzhafte Wahrheit vorzuenthalten: dass sie schlicht und einfach nicht singen kann. Ihre Töne sind zu schief, zu laut, zu disharmonisch. Kurzum: ein Angriff auf die Ohren des Publikums. Da dieses aber nur aus Freunden der „Künstlerin“ besteht, sagt ihr niemand die Wahrheit ins Gesicht. Bis sich eines Tages die Gelegenheit ergibt, in der legendären Carnegie Hall öffentlich aufzutreten. Und St. Clair vor die größte Herausforderung überhaupt stellt. Der neue Film von Stephen Frears erzählt mit perfekt ausbalancierter Mischung aus Tragik und Komik die wahre Geschichte der Florence Foster Jenkins, die als „schlechteste Sängerin der Welt“ Berühmtheit erzielte. Es ist gleichzeitig urkomisch und tief berührend, mit wieviel Enthusiasmus und Optimismus Florence bereit ist, die Welt mit ihrem „Talent“ im Sturm zu erobern. Die großartige Meryl Streep spielt sie mit Verve und einer mitreißenden Hingabe, die den Zuschauer in jeder Sekunde aufs Köstlichste unterhält und gleichzeitig zu Herzen rührt. So macht sie auch klar, dass diese Frau, trotz ihrer Talentlosigkeit, zwei Dinge abgöttisch liebte: Die Musik und ihren Mann St. Clair. Hugh Grant spielt den Mann an Streeps Seite mit ebenbürtiger Größe und einer immer wieder durchblitzenden Ambivalenz. Denn St. Clair ist seiner Frau in Treue und ehrlicher Liebe ergeben, hat aber auch seine ganz eigene egoistische Agenda. Der Pianist Cosmé wird von Simon Helberg herrlich komisch als naiv-schüchterner und unbeholfener junger Künstler verkörpert, der zunächst ehrlich entsetzt über die fehlenden Gesangskünste seiner Geldgeberin ist und ihr dann immer mehr in Freundschaft und Bewunderung zugetan ist. Seine Figur ist der Stellvertreter für den Zuschauer, der Florence Foster Jenkins immer mehr ins Herz schließt. Das Drehbuch von Nicholas Martin erlaubt großartig komödiantische Momente, wenn Streep als Florence vor das Publikum tritt und das komplette Fehlen eines Gesangstalents an den Tag legt oder St. Clair in hektischer Umtriebigkeit versucht, seine Frau vor der Wahrheit zu bewahren. Doch immer wieder spürt man dank Frears leichtfüßiger Inszenierung auch die Wärme und Wahrhaftigkeit aller Figuren und erkennt die große Liebesgeschichte, die Florence und St. Clair verbindet. Ein perfekt abgestimmter Score, ein bis in die Details stimmiges Set-Design und eine wunderbare Kamera runden den Film ab. 1944 starb Florence Foster Jenkins. Auf ihrem Grabstein sind die Worte eingraviert, mit denen auch der Film sie verabschiedet: „Die Leute können vielleicht behaupten, dass ich nicht singen kann, aber niemand kann behaupten, dass ich nicht gesungen hätte.“ Eine durch und durch charmante, warmherzige und stilvolle filmische Verbeugung vor einer Frau mit kleinem Talent. Aber einem großen Herzen.
Jurybegründung:
Meryl Streep kann alles - auch entsetzlich schlecht singen! Und sie wirkt dabei nicht lächerlich, sondern wird im Laufe des Films in der Rolle der exzentrischen reichen Erbin, die im New York der 40er Jahre unbedingt als Opernsängerin reüssieren will, immer mehr zu einer tragischen Figur. Dabei hat Stephen Frears hier in erster Linie eine Komödie gemacht, bei der man zuerst auch darüber lacht, dass eine nette ältere Dame glaubt, eine gute Sängerin zu sein und dabei keinen einzigen Ton trifft. Komisch ist auch, wie alle um sie herum sie in diesem Irrglauben bestärken, und dazu gehören sogar solche angesehenen Musiker wie Arturo Toscanini. Doch Florence Foster Jenkins ist eine sehr großzügige Förderin des Musiklebens von New York und deshalb redeen ihr alle nach dem Mund. Am schwersten fällt dies noch dem Pianisten Cosmé McMoon, der eingestellt wird, um sie bei ihren Gesangstunden zu begleiten und zuerst oft mit einem Gesichtsausdruck des völligen Verblüffens miterlebt, wie unbegabt seine Arbeitgeberin tatsächlich ist. Er ist im Film der Beobachter und mit seinen Augen (und Ohren) sieht (und hört) auch das Publikum. Bestärkt in der Verwirklichung ihres Traumes wird die Titelheldin vor allem durch ihren Ehemann St. Clair Bayfield, der zum einen das Lügengebäude um seine Gattin herum errichtet und als adeliger englischer Schauspieler ohne eigenes Vermögen von ihrer Großzügigkeit profitiert. Andererseits liebt er sie aber offensichtlich wirklich und versucht alles, um Schaden (also die Wahrheit) von ihr fernzuhalten. Hugh Grant brilliert in dieser ambivalenten Rolle, deren verschiedene Facetten er glaubwürdig, witzig und sehr charmant darstellen kann. Und so ist dies auch eine schöne Liebesgeschichte, in der Bayfield seine Frau aus den besten Intentionen heraus in eine Situation bringt, die zugleich komisch und tragisch ist. Stephen Frears hat einen aufwendig ausgestatteten Historienfilm inszeniert, der die großbürgerliche Gesellschaft vom New York der 40er Jahre zelebriert, aber in dem unterschwellig auch die Bedrohung durch den Zweiten Weltkrieg deutlich wird. Diese Mischung aus nostalgischem Grundton, scharfem Witz und berührendem Drama erinnert an Filme von Woody Allen wie beispielsweise RADIO DAYS. Stephen Frears hat nach THE QUEEN und PHILOMENA nun schon den dritten, auf allen Ebenen überzeugenden Film über eine starke ältere Frau gedreht, der zudem auf einer wahren Geschichte basiert.
Quelle: Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW)