Gebrochene Charaktere, die mit inneren Dämonen zu kämpfen haben, zählen zu den beliebtesten Themen des amerikanischen Kinos, sei es im Mainstream-Bereich oder dem Independent-Kino. In "For Ellen" zeichnet Regisseurin So Young Kim ("In Between Days", "Treeless Mountain") das eindrucksvolle Porträt eines narzisstischen Musikers, der sich auf dem Weg zum endgültigen Durchbruch kaum um seine Familie kümmerte und sie dadurch endgültig zu verlieren droht. Das Tischtuch zu seiner Frau ist längst zerschnitten, und der Zugang zu seiner Tochter Ellen scheint ebenso verbaut. Auf ihre berechtigte Frage, warum er sich bislang wenig für sie interessierte, rettet sich Joby Taylor letztlich nur in Ausflüchte, ohne einen plausiblen Grund liefern zu können.
Für Hauptdarsteller Paul Dano ("Little Miss Sunshine", "Ruby Sparks - Meine fabelhafte Freundin"), der das Familiendrama auch mitproduzierte, stellt dieser unzuverlässige Möchtegern-Rocker mit seinen schwarz lackierten Fingernägel und Ringen eine Paraderolle dar. Anstatt sich ernsthaft um seine Karriere zu kümmern, hängt der sprunghafte Joby Träumen nach, betrinkt sich nachts in Kneipen und konzentriert sich auf One-Night-Stands, zumal sich manche Mädchen von seinem Outlaw-Outfit beeindrucken lassen. Die verschneite Kleinstadt zwischen ausgeprägter Arbeitslosigkeit und wenig einladenden Konsumtempeln bildet den passenden Hintergrund für die allmähliche Sackgasse, in die sich der unzuverlässige Sänger zu manövrieren droht.
So Young Kim, die seit ihrem zwölften Lebensjahr in Amerika lebt, und ihr Mann Bradley Rust Grey ("The Exploding Girl") gehören zu den alten Bekannten der Berlinale, wo "For Ellen" ebenso seine Deutschlandpremiere erlebte. Stets sind beide gemeinsam für Produktion und Schnitt ihrer Werke verantwortlich. Erstmals arbeitete Kim hier mit US-Stars wie Dano, Jena Malone ("Sucker Punch") sowie dem gegen seinen Typ besetzten Komödianten Jon Heder ("Napoleon Dynamite") als Jobys Anwalt und heimlichen Fan. Geblieben ist ihr ruhiger, mitunter dokumentarisch angehauchter Inszenierungsstil, der den Darstellern Raum zur Improvisation gibt. Während sich Grey stärker für Coming-of-Age-Themen interessiert, bevorzugt seine Frau die Innenwelt von Kindern. Als Ausgangslage diente für die junge Mutter So Young Kim ihr eigener Vater, den sie nur einmal im Leben begegnete.
Entsprechend tastend und unbeholfen reagieren Joby und Ellen dann aufeinander, wenn es schließlich doch zur lange herbei gesehnten Begegnung kommt. Die unterschwellige Spannung der zweiten Hälfte entsteht aus der Frage, wie Joby, dem nichts wirklich gelingen will, auf seine fremde Tochter reagiert und ob er nicht ein weiteres Mal alles ruiniert. Schließlich hat er keine Ahnung von den Bedürfnissen oder Vorlieben seines Kindes und hält sich erneut nicht an getroffene Absprachen. Nicht nur Paul Dano glänzt im Part der ambivalent angelegten, anfangs wenig sympathischen Figur. Erneut macht sich So Young Kims Talent für die Arbeit mit Kindern, was schon den nachwirkenden "Treeless Mountain" auszeichnete, positiv bemerkbar, wobei sie bei der in Scope fotografierten Geschichte um späte Verantwortung nicht auf Humor verzichtete.
Fazit: Mit der langsam erzählten, eindringlichen Familiengeschichte "For Ellen" liefert Hauptdarsteller Paul Dano eine starke Leistung als unzuverlässiger Rockmusiker.