Freunde: In dem grandios gespielten Drama mit Justus von Dohnányi und Ulrich Matthes will ein Mann seinen besten Freund davon abhalten, sich umzubringen.
In dem grandios gespielten Drama mit Justus von Dohnányi und Ulrich Matthes will ein Mann seinen besten Freund davon abhalten, sich umzubringen.
Wer der Meinung ist, das deutsche Fernsehen werde vor und hinter der Kamera viel zu sehr von Männern dominiert, wird sich durch diesen Film bestätigt fühlen: Das Zweipersonenstück heißt „Freunde“ und nicht Freundinnen. Autor, Regisseur, Redakteur, selbstverständlich auch die beiden Hauptdarsteller: alles Männer. Immerhin war mit Leah Striker eine Kamerafrau für die Bildgestaltung verantwortlich. Natürlich ließe sich die Geschichte der Freunde, die sich nach langer Zeit wiedersehen, auch mit Frauen erzählen, zumindest größtenteils; allerdings hätte sie dann ohne jene Pointe auskommen müssen, die gegen Ende entscheidenden Anteil an der Wende des Dramas hat. Immerhin spielt eine Frau die heimliche Hauptrolle; sie wirkt bloß nicht mit.
Der Film beginnt mit den Vorbereitungen für einen Suizid. Patrick (Justus von Dohnányi) hat am Morgen seine Frau Anja beerdigt und will nun auch selbst aus dem Leben scheiden. Während er den tödlichen Cocktail zubereitet, nähert sich ein Mann dem riesigen Haus: Malte (Ulrich Matthes) war einst Patricks bester Freund, die beiden haben in ihrer Jugend jede freie Minute auf dem großzügigen Anwesen von Patricks Eltern verbracht, oft auch zu dritt, denn Anja war damals mit Malte zusammen. Als er abschiedslos in die Welt hinauszog, hat sie Patrick geheiratet. Womöglich hat sie kurz vor ihrem Tod geahnt, dass der Gatte ohne sie nicht weiterleben will; jedenfalls hat sie Malte gebeten, seinen alten Freund am Tag der Bestattung zu besuchen.
Gäbe es nicht das Whiskyglas mit den aufgelösten Tabletten, wäre diese Produktion des Hessischen Rundfunks bloß eine toll gespielte Hommage an Männerfreundschaften. So jedoch schwebt Patricks Todeswunsch wie ein Damokles-Schwert über der Geschichte. Als Malte durchs Haus stromert und mit dem Glas zurückkehrt, wird ihm angesichts der Reaktion des Freundes klar, was Patrick vorhatte. Spätestens jetzt erinnert die Geschichte an Frank Capras Klassiker „
Ist das Leben nicht schön?“ (1946) mit James Stewart. In der Tragikomödie bewahrt ein Schutzengel einen Mann davor, sich von einer Brücke zu stürzen, indem er ihm verdeutlicht, wie seine Heimatstadt aussehen würde, wenn er nie geboren worden wäre. Auch Malte versucht natürlich, Patrick klarzumachen, warum er sein Dasein nicht wegwerfen sollte, zumal der Freund einen gut dreißig Jahre alten Sohn hat. Die Frage, ob Malte Erfolg hat, sorgt naturgemäß für eine gewisse Spannung. Der Rest sind Erinnerungen an alte Zeiten und das Alter. Beide Männer sind um die sechzig und somit in einer Phase, in der Dinge, die man zum ersten Mal erlebt, meist nicht mehr so angenehm sind wie erste Erlebnisse in jungen Jahren.
Die Handlung klingt nach Bühnenstück, zumal sie sich zu großen Teilen in Patricks Elternhaus abspielt, aber „Freunde“ ist trotzdem kein Kammerspiel: Das Anwesen strömt mit seiner dunklen und antiquiert wirkenden Einrichtung zwar einen morbiden Charme aus, ist aber riesig, ebenso wie der Park drumherum. Dem Suizidvorhaben zum Trotz hat David Ungureit, Autor einer Vielzahl stets anspruchsvoller (Tragi-)Komödien, seine Geschichte immer wieder um kleine Humoresken ergänzt: Der Kühlschrank ist leer, aber Malte entdeckt eine uralte Packung Miracoli; aus dem verschlossenen Weinkeller von Patricks Vater angeln sie sich zudem eine Flasche Lambrusco, der später weitere (und bessere) Weine folgen werden. Der Jazz von Stefan Will verbreitet ohnehin eine sehr entspannte Stimmung. Schauspielerisch ist „Freunde“ ohnehin herausragend, aber das ist angesichts der Qualität von Ulrich Matthes und Justus von Dohnányi keine echte Überraschung.
Tilmann P. Gangloff.