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Furusato: Episodische Dokumentation über Menschen, die nach dem Reaktorunglück in Fukushima in der evakuierten Zone geblieben sind und ihre Heimat nicht verlassen wollen.

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Handlung und Hintergrund

Es ist das Land ihrer Mütter und Väter, manche Familien reichen bis zu 1.000 Jahre zurück. Seit der Reaktorkatastrophe in Fukushima ist das Gebiet in einem Radius von 30 Kilometern rund um die Stadt evakuiert. Trotzdem leben dort immer noch Menschen. Immerhin ist das ihre Heimat. Doch die alte Landschaft ist nicht mehr, auch wenn es so aussieht. Der Geigerzähler macht das Unsichtbare sichtbar. Der Filmemacher Thorsten Trimpop hat diese Menschen besucht und zeichnet ein verstörendes Porträt der japanischen Gesellschaft.

„Furusato“ — Hintergründe

Furusato, so heißt ein japanisches Kinderlied, der Begriff bedeutet übersetzt ungefähr „alte Heimat“. Das Wort weckt nostalgische Gefühle, die nirgendwo mehr fehl am Platz wären als in dem Gebiet rund um Fukushima, wo im Jahr 2011 die schwerste Nuklearkatastrophe seit Tschernobyl stattfand. In seinem ruhigen Dokumentarfilm hat Thorsten Trimpop Menschen besucht, die in der evakuierten Zone leben. Die Geschehnisse und Aussagen bleiben größtenteils unkommentiert, sein Film bietet bedrückende Einblicke in einen fast unmöglichen Alltag.

Besetzung und Crew

Regisseur
  • Thorsten Trimpop
Produzent
  • Tobias Büchner
Drehbuch
  • Thorsten Trimpop
Musik
  • Benedikt Schiefer
Kamera
  • Thorsten Trimpop
Schnitt
  • Daniel Mooney,
  • Stefan Oliveira Pita

Kritikerrezensionen

    1. Minamisoma ist eine Provinzstadt im Osten Japans, malerisch gelegen zwischen zwei Bergketten und dem Meer. Früher war die Gemeinde ein im ganzen Land bekanntes Surfer Paradies. Heute gehört sie zur nuklearen Sperrzone in Fukushima. Am 11.März 2011 tötete hier ein Tsunami mehr als 20.000 Menschen und löste im Kernkraftwerk Fukushima Daiishi eine komplette Kernschmelze aus, durch die Radioaktivität vom Wind landeinwärts getragen wurde. Fünf Jahre später ist ein Großteil der Stadt Minamisoma weiterhin unbewohnbar. Die Regierung hatte die Kleinstadt in zwei Bereiche unterteilt: ein Stadtteil wurde komplett evakuiert und im anderen gilt immer noch nur eine Empfehlung den Ort zu verlassen. Viele Menschen warten darauf, in ihre alten Häuser zurückkehren zu können. Aber eigentlich wissen sie, dass ihre Heimat, ihr „Furusato“, verloren ist. Der Film beginnt mit einer beeindruckenden Animation, die die Erdbeben im Zeitraum der Katastrophe zeigt. Es sind Tausende Beben, die wie Einschläge in eine verwundbare Landkarte erscheinen. Der Film vermeidet jeglichen Kommentar und so kann sich die Wirkung der Grafik voll entfalten. So gibt Thorsten Trimpop die Stimmung für seinen Dokumentarfilm vor, in dem er sich in eben jene Gebiete begibt, in dem die Menschen mit großer Angst und noch größeren Zweifeln geblieben sind. Er begleitet sie bei dem fast unmöglichen Alltag in einer menschenverlassenen und vergifteten Umgebung. Trimpop kommentiert die Geschehnisse wenig, lässt die Verzweiflung und die Frustration in den Gesichtern der Menschen für sich sprechen. Eine Frustration auch über eine Regierung, die die Menschen im Unklaren darüber lässt, wie sicher sie jetzt wirklich sind in ihrer alten Heimat. Auf der Tonebene ist neben den Aussagen der Bewohner oft nur der gespenstisch mechanische Ton des Geigerzählers zu hören. Durch diese geschickt komponierte Tonebene ist die Bedrohung durch die nukleare Verwüstung konstant spürbar, wogegen auf der Bildebene wenig davon zu sehen ist. So macht Trimpop das Problem der nuklearen Gefahr überdeutlich. Man sieht sie nicht - und doch weiß man um sie. Am Ende des Films findet, wie schon seit über tausend Jahren, ein Samurai Pferderennen statt. Für ein paar Tage scheint alles ein bisschen so zu sein wie früher. Und doch wissen alle: So wie früher kann es nie mehr werden. Eine brisante, kluge und wichtige filmische Auseinandersetzung mit einem hochaktuellen Thema.

      Jurybegründung:

      Das Land ist verwundet - und durch die Nuklearkatastrophe für immer geschädigt. Die meisten Menschen haben die Gegend rund um die Stadt Fukushima nach dem Unglück im März 2011 auch schon längst verlassen, wurden evakuiert oder zogen weg, weil die Strahlenbelastung zu hoch war. Doch einige blieben, und von ihnen erzählt Thorsten Trimpop in seiner außergewöhnlichen Dokumentation. Dabei überlässt er ihnen das Wort, lässt sie davon reden, wie und warum sie weiterhin in der extrem strahlenbelasteten Region leben, die ihre Heimat ist. Eine junge Frau will den Pferdehof, den ihr Vater in der fünften Generation der Familie führt, auch nach ihm weiterbetreiben. Doch viele ihrer Fohlen erkranken an einer geheimnisvollen Nervenkrankheit und sterben bald danach. Andere kehren für eine kurze Zeit in ihre Häuser in der evakuierten Zone zurück, sehen etwa nach, ob der Traktor noch anspringt, müssen aber bald wieder gehen und alles so, wie es ist, zurücklassen. Leere Straßenzüge und Landschaften sehen aus wie in einem Museum, und in einer Sequenz am Anfang des Films lässt Trimpop die Kamera dann auch über eine Modellbaulandschaft fahren. Er zeigt, wie hilflos die Versuche der Regierung sind, die radioaktive Verseuchung im Zaum zu halten. Winzige Staubkörner werden eingesammelt und ihre Verstrahlung gemessen. Fast jeder in diesem Film scheint einen Geigerzähler parat zu haben und diese werden auch ständig benutzt. Die verseuchte Erde wird abgetragen und in schwarzen Plastiktüten unter freiem Himmel gelagert. Die Menschen leiden, haben Angst und werden krank - aber sie bleiben, auch wenn einer von ihnen fatalistisch sagt, es könne dort kein Glück für ihn mehr geben. Sie sprechen gelassen und reflektiert über ihr Schicksal und ihre Heimat, und es gelingt Trimpop, deutlich zu machen, wie verheerend die Katastrophe auch das Lebensgefühl der Menschen verändert hat. Dabei ist sie weitgehend unsichtbar: die Häuser und Landschaften sind unversehrt - die Strahlung ist nicht direkt wahrnehmbar und nur durch die Messungen zu erkennen. Menschen erzählen von ihren Erkrankungen durch Verstrahlungen. Ein Ingenieur, der in dem Kernkraftwerk gearbeitet hat, erzählt von seinen Schuldgefühlen, isst dann aber auch Fisch, der frisch in Sichtweite der Reaktoren gefangen wurde. All das zeigt Trimpop sachlich, in ruhigen Einstellungen, wobei er nur selten Bilder von Zerstörung und Tod zeigt, wie etwa jene von ausgeweideten und verwesenden Pferdekadavern. Stattdessen beobachtet er genau und zeigt, wie es zugeht in der Zone und wie es möglich sein kann, dass einigen Menschen ihr Zuhause wichtiger ist als Gesundheit und Glück.

      Quelle: Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW)
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