Mit „Ghost in the Shell“ kommt die langerwartete Realverfilmung des gleichnamigen Kult-Animes von Mamoru Oshii in die Kinos. Für alle Fans des Genres haben wir in der Filmgeschichte gekramt und sechs Cyberpunk-Filme zusammengetragen, die ihr euch als waschechte Science-Fiction-Fans nicht entgehen lassen dürft.
In einer allzu nahen Zukunft ist ein großer Teil der Menschheit mit technischen Implantaten ausgestattet. Unter ihnen ist auch „The Major“ (Scarlett Johansson), die nach einem Unfall als unzerstörbare Kampfmaschine wiedererweckt wurde. Als ein mysteriöser Terrorist sich in die Gehirne der Bevölkerung einhackt, liegt es an ihr, die Verbrechenswelle zu stoppen. Doch dabei wird Major mit einer unangenehmen Wahrheit rund um ihre Vergangenheit konfrontiert, die sie ihre gesamte Existenz anzweifeln lässt. Neben Johansson sind internationale Stars wie Juliette Binoche, Michael Pitt, Pilou Asbæk und Takeshi Kitano zu sehen. Neben der spektakulären Optik stehen in dem Science-Fiction-Film von Rupert Sanders („Snow White and the Huntsmen“), wie es sich für das Genre gehört, philosophische Fragen im Zentrum.
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„Ghost in the Shell“ entwirft dabei wie alle Cyberpunk-Filme eine düstere Zukunftsvision, in der die Menschheit in eine existenzielle Krise gerät. Durch den technologischen Fortschritt überschreitet wir immer mehr unsere biologischen Grenzen. Doch was passiert, wenn der Verstand oder gar die Seele technisch manipuliert werden? Ab wann hört das Menschsein auf und wann fängt künstliche Intelligenz an? Erreichen wir etwa eine neue Ebene des Bewusstseins? Und was ist die Konsequenz: Höhere Stufe der Evolution oder apokalyptischer Untergang?
Dabei zeigen Cyberpunk-Filme nicht etwa eine weit erntfernte Science-Fiction-Welt, sondern kommentieren die Gegenwart, die besonders heutzutage durch Smartphones, Social Media oder das Internet der Dinge immer mehr ins Virtuelle abgleitet. Der berühmteste Vertreter des Genres ist natürlich die revolutionäre „Matrix„-Trilogie der Wachowski-Geschwister, die einen regelrechten Futurismus-Hype nach sich zog. „Blade Runner“ wäre das zweite Beispiel für einen essentiellen Science-Fiction-Film, der die Themen künstliche Intelligenz und Identitätskrise mit bahnbrechenden visuellen Effekten kombiniert. Wir wollen uns in unser Liste allerdings weniger bekannten Vertreter widmen und Cyberpunk-Filme vorstellen, die ihr vielleicht noch nicht gesehen habt.
Strange Days (1995)
Der stylische Action-Thriller von Kathryn Bigelow („Zero Dark Thirty„) widmet sich dem Verhältnis von künstlichen Erinnerungen, Voyerismus und Realitätsverlust. Kurz vor der Millenium-Wende geht der abgehalfterte Cop Lenny Nero (Ralph Fiennes) auf die Jagd nach einem Serienkiller. Wie so viele Menschen ist Nero von der Droge SQUID abhängig, die es einem ermöglicht, die Erlebnisse von Menschen in jedem Detail mitzufühlen. Dabei taucht er in die perverse Parallelwelt von virtuellen Junkies ein, in der der nächste Kick alles bedeutet.
Videodrome (1983)
Der visionäre Filmemacher David Cronenberg ist für seine verstörenden Filmwelten bekannt. Schon in seinem Gaming-Thriller „eXistenZ“ hat er das Eintauchen in eine mediale Fantasiewelt thematisiert. Für unsere Liste haben wir uns jedoch den Vorgänger „Videodrome“ ausgesucht. In der Horror-Mediensatire sind die Zuschauer süchtig nach Trashfernsehn mit möglichst viel Sex und Gewalt. Keiner hat das Prinzip so gut verstanden wie der schmierige TV-Produzent Max Renn (James Woods). Als er eine ominöse Snuff-Sendung entdeckt, in der scheinbar echte Menschen gefoltert und getötet werden, wird er von surrealen Halluzinationen geplagt. „Videodrome“ ist nichts für zartbeseitete und bietet ziemlich eklige Spezialeffekte, für die Cronenberg von Horror-Fans so geliebt wird. Also Obacht, vor dem nächsten „Game of Thrones“ Binge-Watching-Abend!
A Scanner Darkly (2006)
Der Indiefilm unter den Cyberpunk-Streifen basiert auf einem Buch des Kultautors Philip K. Dick („Der dunkle Schirm“), der auch die Idee zu „Blade Runner“ verfasste. In der nahen Zukunft leben die Menschen in einem Überwachungsstaat, nachdem ein großer Teil der Bevölkerung von einer halluzinogenen Superdroge abhängig geworden ist. Auch Undercover Agent Fred, gespielt von Matrix-Star Keanu Reeves, ist im Laufe der Zeit der Droge verfallen. Im Gegensatz zu einem Großteil der Bevölkerung kann er seine Anonymität jedoch durch einen Jedermann-Anzug wahren, der Freds Aussehen und damit seine Identität regelmäßig ändert. Als er eines Tages einen schwierigen Auftrag bekommt, gerät sein Doppelleben endgültig ins Wanken. In dem Animationsfilm von Richard Linklater („Boyhood„), der im Rotoskopie-Verfahren erstellt wurde, haben Stars wie Robert Downey Jr., Woody Harrelson und Winona Ryder einen Auftritt.
Ex-Machina (2015)
„Ex Machina“ ist ein eher subtiler Vetreter des Genres, in dem die überwältigende Großstadtästhetik einem bedrückenden Kammerspiel im stylischen Waldbunker weicht. Der exzentrische Tech-Milliardär Nathen (Oscar Isaac) lässt ein Gewinnspiel veranstalten, bei dem ein persönliches Meet-and-Greet ausgelost wird. Der Gewinner ist der einfache Mitarbeiter Caleb (Domhnall Gleeson), der den neuesten Geniestreich des Erfinders testen soll: eine waschechte Androidin (Alicia Vikander) und die vielleicht erste Künstliche Intelligenz. Je weniger man über die Handlung des elegant inszenierten Science-Fiction-Meisterwerks verrät, umso besser. Dabei glänzt das ungewöhnlich reife Regiedebüt von Alex Garland mit einer klaustrophischen Stimmung und Verweisen auf wissenschaftlichen Theorien von Ludwig Wittgenstein bis Noam Chomsky.
Tron (1982) (Tron Legacy 2010)
Das Original von 1982 glänzte mit, für die damalige Zeit, spektakulären visuellen Effekten, durch die eine virtuelle Realität erschaffen wird. Dabei geht es um den Programmierer Kevin Flynn (Jeff Bridges), der in einem Computerspiel Gladiatoren-Kämpfe absolvieren muss, um seine Freiheit wiederzuerlangen. Es handelt sich um den ersten Film, der lange Szenen mit computergenereierten Effekten enthielt. In der Fortsetzung „Tron Legacy“ wird die Mythologie rund um das virtuelle Paralleluniversum vertieft und die Grenzen der menschlichen Schöpferkraft aufgezeigt.
Tetsuo (1989)
„Tetsuo“ von Shin’ya Tsukamoto ist etwas experimentell - um es mal vorsichtig auszudrücken. Dabei geht es um einen Geschäftsmann, der aus Versehen einen seltsamen Mann umfährt (im amerikanischen „Metal-Fetischist“ genannt). Kurz darauf bemerkt er, dass sein Körper von einer mysteriösen Krankheit infiziert wurde. Sein Fleisch wird nach und nach von Metallteilen zerfleischt und der Rest des Films gerät zur grotesken (Alb-)Traumsequenz, in der der menschliche Körper rigoros zerlegt wird. Was der kontrastreiche Schwarz-Weiß-Film genau aussagen will, ist nicht klar: Kritik an der menschlichen Technik-Obsession? Parabel auf die Furcht vor dem arachaischen Rückfall durch den technologischen Fortschritt? Im Grunde ist das aber auch völlig egal. Am Ende ist es ein herrlich verstörender und sexuell provokativer Kunstfilm, der das Attribut Punk definitiv verdient hat.
Ehrennennungen: Die besten Cyberpunk-Geschichten kommen natürlich, wie schon „Ghost in the Shell“ aus Japan. Weitere empfehlenswerte Animefilme und -serien zum Thema sind unter anderem „Akira„, „Neon Genesis Evangelion“ und „Psycho-Pass“. Die britisch-amerikanische Anthologie-Serie „Black Mirror“ ist zwar nicht im eigentlichen Sinne Cyberpunk, einige der Folgen behandeln aber die typischen Themen des Genres und zeigen die düstere Seite des technischen Fortschritts.
„Ghost in the Shell“ kommt am 30. März 2017 in die deutschen Kinos - bis dahin ist also noch etwas Zeit, euch mit den obigen Vorschlägen gebührend auf das Filmhighlight einzustimmen - wir wünschen viel Spaß dabei!