Diese deutsch-taiwanesische Koproduktion handelt von der folgenreichen Begegnung zweier Frauen. Die junge Taiwanerin Ai-ling reist nach Hamburg, um mehr über ihren verstorbenen Vater zu erfahren. Sie verliebt sich in die eigenwillige Künstlerin Sophie, doch bevor Sophie sich der neuen Beziehung rückhaltlos hingeben kann, kommt Ai-ling unter mysteriösen Umständen ums Leben. Um den Verlust zu verarbeiten reist Sophie nach Taiwan, wo sie auf die Reporterin Mei-li trifft, von der eine unerklärliche Faszination ausgeht. Mit ihrem Dokumentarfilm Den Tigerfrauen wachsen Flügel tauchte Monika Treut bereits tief in die Kultur Taiwans ein, die nun in Ghosted zur Grundlage einer mystischen Geschichte wird. Aber der Film ist mehr als nur eine Liebesgeschichte im Spannungsfeld der unterschiedlichen Kulturen. So vielseitig wie das Leben selbst entpuppt sich die Meditation über die Konfrontation mit dem Fremden und die spirituelle Welt, die man jenseits der Oberfläche finden kann - wenn man bereit ist, mit anderen Augen zu sehen.
Jurybegründung:
Die Hamburger Künstlerin Sophie Schmitt (Inga Busch) ist nach Taiwan gekommen, um dort ihre Videoinstallation „Remembrance“ zu präsentieren, die sie ihrer Gebliebten Ai-ling (Huan-Ru Ke) gewidmet hat, die in Hamburg unter ungeklärten Umständen ums Leben kam. Ai-ling war damals entgegen der Bedenken ihrer Mutter zu ihrem Onkel nach Hamburg gekommen, um mehr über ihren früh verstorbenen Vater in Erfahrung zu bringen. In Hamburg hatten Ai-ling und Sophie sich kennen und lieben gelernt.
Bei der Ausstellungseröffnung sucht die schöne und selbstbewusste Mei-li (Ting-Ting Hu) Kontakt zu Sophie. Sie gibt vor, Journalistin zu sein und zeigt ein auffälliges Interesse am Schicksal von Ai-ling und ein erotisches Interesse an Sophie. Fasziniert und etwas verunsichert reist Sophie nach Deutschland zurück. Kurz darauf taucht Mei-li in Hamburg auf. Sophie ist irritiert, aber auch beeindruckt von ihrer Hartnäckigkeit, bis sie feststellen muss, dass Mei-li heimlich Ai-lings Tod recherchiert. Sophie findet heraus, dass Mei-li weder für eine taiwanesische Zeitung arbeitet noch offiziell nach Deutschland eingereist ist. Schließlich reist sie noch einmal nach Taiwan, um zusammen mit Ai-lings Familie beim Geisterfest Abschied von ihrer Geliebten zu nehmen und Versöhnung zu finden. Auch der Geist Ai-ling / Mei-li kann nun in Ruhe verschwinden.
Der Film von Monika Treut erzählt eine Liebesgeschichte zwischen zwei Welten. Er handelt von den Missverständnissen zwischen den Kulturen und dem unterschiedlichen Umgang mit dem Tod. Ghosted ist inspiriert von chinesischen Geistermythen, in denen vor allem die traditionell unterdrückten Frauen große Freiheiten haben. Mutig, erotisch und zielstrebig können sie ihren eigenen Wünschen folgen, aber auch Rache nehmen an Menschen, die ihnen Leid zugefügt haben. Beim jährlichen Geisterfest werden Zeremonien abgehalten, um die Toten zu besänftigen und den Lebenden Glück und Segen zu bringen.
Der Film ist nicht linear erzählt, sondern spielt in verschiedenen Zeitebenen, die ineinander geschoben werden. Dies entspricht dem Charakter der Geister, die Zeit und Raum überwinden, aber auch den Phasen der Trauer, in denen die Erinnerungen an die Toten im Alltag wiederkehren. Sophie leidet unter dem Verlust der Geliebten. Erst jetzt wird ihr bewusst, was Ai-ling ihr bedeutet und was sie nicht gelebt hat.
Der Wechsel der Zeitebenen findet seine Entsprechung auf der Bildebene, in die immer wieder Fotos und Ausschnitte aus Sophies Videoarbeiten eingewoben sind. In diesen Aufnahmen wirkt Ai-ling, die im Hamburger Alltag oft unsicher und angespannt schien, gelöst und verführerisch. Hier wird die Faszination spürbar, die Sophie für sie empfunden haben muss, aber im Alltag nicht ausleben konnte.
Auch die Bilder der Städte Hamburg und Taipeh mischen und überlagern sich. Der Film zeigt faszinierende Stadtansichten, manchmal ist unklar, wo man sich gerade befindet. Bunte Leuchtreklamen und Hochbahnen vermitteln das Bild einer modernen Großstadt. Dabei können die Bahnen auch symbolisch gesehenen werden, als Mittel der Verbindung, die Distanzen überwinden, aber durch ihre Strassen auch Städte und deren Strukturen durchschneidet. Die Fahrt von Mei-li und Sophie auf dem Motorroller durch Taipeh findet ihre Entsprechung auf dem Plakat des Films, bei dessen Vorführung Ai-ling und Sophie sich in Hamburg erstmals begegnen - eine kleine Hommage an das taiwanesische Kino. Die kulturellen Unterschiede werden im Film nicht explizit problematisiert oder gewertet, sondern in die Geschichte eingebettet.
Sophie bewegt sich mit forschem Gang und energischen Bewegungen durch die Welt, während Ai-ling als ehemalige Tänzerin zart und schwebend erscheint. Mei-li, die als Journalistin auftritt, wirkt zwar fordernd und hartnäckig, bleibt aber immer geheimnisvoll. Bis zum Ende bleibt man im Zweifel, ob sie eine reale Person ist oder nicht. Dieser Eindruck wird verstärkt von einer schwebenden Kamera (Bernd Meiners), die Vieles im Vagen lässt. Blicke in Spiegel oder durch Videokameras sorgen für Verfremdung.
Erst gegen Ende des Films erfährt der Zuschauer, wie Ai-ling ums Leben kam. Es war ein Unfall, kein Drama, kein Selbstmord und auch die dubiosen Geschäftspartner des Onkels hatten nichts damit zu tun.
Die Jury lobte den Film als eine interkulturelle Liebesgeschichte, die berührt und in ihrer filmischen Umsetzung überzeugt. Einige Jurymitglieder fanden den Film zu kühl und distanziert erzählt, die Darsteller an manchen Stellen die Darsteller in ihrem Spiel zu wenig emotional. Wie in einem Krimi weckt der Film so manche Erwartung, werden verschiedene Fährten ausgelegt, die nach Ansicht einiger Jurymitglieder nicht alle zu einem überzeugenden Ende gebracht werden. Insgesamt ist Ghosted aber ein schön gemachter spannender Film, der viele interessante Momente und schöne Bilder zeigt und den Zuschauer so bis zum Schluss fesselt.
Quelle: Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW)