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Lazzaro felice: Bei den Filmfestspielen von Cannes für das Beste Drehbuch ausgezeichnetes Drama über einen Bauernjungen, der auf einer Tabakplantage als Arbeitssklave lebt.

„Glücklich wie Lazzaro“ im Kino

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Handlung und Hintergrund

Auf der Tabakplantage der Gräfin Marchesa Alfonsina de Luna (Nicoletta Braschi) scheint die Zeit stehengeblieben zu sein: Obwohl die Leibeigenschaft im Italien der 1980er-Jahre abgeschafft ist, konnte die Nachricht noch nicht in die entlegene Region vordringen. Die grausame Königin der Zigaretten herrscht willkürlich über ihre Arbeiter. Ihr Sohn, der rebellische Tancredi (Tommaso Ragno), langweilt sich jedoch auf dem Gut und lässt seine Entführung inszenieren. Dadurch fliegt das ganze Unternehmen auf, die Arbeiter werden befreit.

Zu den Arbeitern gehört auch der junge Lazzaro (Adriano Tardiolo). Der Knecht wird nicht nur von Tancredi ausgenutzt, auch die Bauern missinterpretieren seine genügsame Art als Einfalt. Trotzdem entwickelt sich zwischen Lazzaro und Tancredi eine eigenwillige Freundschaft, die dazu führt, dass Lazzaro dem Adeligen hilft, die Entführung vorzutäuschen. Nach dem Scheitern der Unternehmung kommt Lazzari in die Stadt. Doch auch hier herrschen Ausbeutung und Armut.

„Glücklich wie Lazzaro“ — Hintergründe

Die gefeierte Regisseurin Alice Rohrwacher, die mit ihrem Vorgängerwerk „Land der Wunder“ bereits den Großen Preis der Jury von Cannes erhielt, legt mit dem Parabeldrama „Glücklich wie Lazzaro“ ein zeitloses Sittenbild vor. Vor der Kamera stand dabei auch ihre Schwester Alba Rohrwacher. „Glücklich wie Lazzaro“ feierte bei den Filmfestspielen von Cannes 2018 seine Weltpremiere und wurde mit dem Preis für das Beste Drehbuch ausgezeichnet.

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Einen Hinweis auf die Handlung des Dramas gibt bereits der Titel, der auf die beiden Bedeutungen der biblischen Figur Lazarus anspielt. Im Johannesevangelium wird Lazarus von Jesus von den Toten aufgeweckt, im Lukasevangelium wiederum befindet sich das Gleichnis vom armen Lazarus, der bei einem Reichen die Brocken begehrt, die auf der Tafel übriggeblieben sind. Verkörpert wird die Figur im Film von dem Newcomer Adriano Tardiolo.

Besetzung und Crew

Regisseur
  • Alice Rohrwacher
Produzent
  • Carlo Cresto-Dina,
  • Gregory Gajos,
  • Pierre-François Piet,
  • Tiziana Soudani,
  • Michael Weber
Darsteller
  • Sergi Lopez,
  • Adriano Tardiolo,
  • Nicoletta Braschi,
  • Alba Rohrwacher,
  • Tommaso Ragno,
  • Agnese Graziani,
  • Luca Chikovani,
  • Natalino Balasso
Drehbuch
  • Alice Rohrwacher
Kamera
  • Hélène Louvart
Schnitt
  • Nelly Quettier
Casting
  • Chiara Polizzi,
  • Ulrike Müller

Kritikerrezensionen

    1. Der faszinierend kunstvolle Spielfilm von Alice Rohrwacher erzählt von Lazzaro, der genügsam und zufrieden mit sich und der Welt inmitten einer kleinen Gemeinde in einem abgelegenen Tal in Italien lebt. Bis die Verkettung der Ereignisse das Leben aller für immer verändert.

      Jeder erteilt ihm Befehle, keiner nimmt ihn wahr. Und doch ist Lazzaro, der junge Mann, der selten spricht und immer gehorcht, ein glücklicher Mensch. Er braucht nicht viel zu seinem Glück in dem Tal, wo er mit den anderen zusammenlebt. Das Tal selbst gehört einer reichen Gräfin, die die Bewohner wie Leibeigene ausnutzt. Als sie eines Tages ihren gelangweilten Sohn zu sich holt, findet dieser Gefallen an Lazzaros Gesellschaft. Doch eines Tages geschieht ein Unglück. Ein Unglück, welches für Lazzaro das Ende seiner Lebensreise bedeuten könnte. Aber in Wahrheit erst der Anfang ist. Der neue Film von Alice Rohrwacher begeistert durch seine faszinierende Mischung von dokumentarisch anmutenden authentischen Aufnahmen und dem Stilmittel des magischen Realismus. Die kargen Umstände im abgelegenen Tal und später in der anonymen Großstadt fängt der Film komplett realistisch und ungeschönt ein. Die Last der harten Arbeit erscheint für den Zuschauer fast greifbar, so sehr wird die Kamera ein Teil des Geschehens. Und doch findet Rohrwacher genau die richtigen filmischen Mittel, um das Leben der Gruppe mit einer fast schon verträumten, malerischen Harmonie darzustellen. Das kichernde Flüstern der Schwestern, das Zerstäuben des gedroschenen Heus in der Sommerluft, das Zirpen der Zikaden unter den Orangenhainen und die epochale Orgelmusik auf den Straßen der Großstadt - Rohrwacher arbeitet mit Licht, Tiefenschärfe, Musik und Sound, um die Atmosphäre des Films immer mehr zu verdichten. Und inmitten dieser fast schon träumerisch anmutenden Szenerie wirkt Lazzaro selbst wie ein Wesen, das nicht von dieser Welt zu sein scheint. Adriano Tardiolos feine Gesichtszüge lassen Lazzaro wie einen Engel wirken. Und immer mehr auch wie einen Märtyrer, der das Leiden der Welt in sich aufnimmt und seine Unschuld nie verliert. Wie ein Mahnmal des Guten steht Lazzaro dabei auch inmitten einer von Kapitalismus und Gier korrumpierten Gesellschaft - eine kritische Haltung, die Rohrwacher immer streift, nie aber ins Zentrum ihrer Erzählung stellt. GLÜCKLICH WIE LAZZARO ist ein mitreißender und begeisternder Filmfluss, dem man gerne folgt. Hohe Filmkunst, die glücklich macht.

      Jurybegründung:

      Alice Rohrwachers dritter Spielfilm führt uns auf atmosphärisch dichte und poetische Weise in eine archaisch anmutende Welt einer unterdrückten Dorfgemeinschaft abseits der Zivilisation des modernen Italiens. An der Seite des genügsamen und gutherzigen Lazzaro erleben die Zuschauer in der ersten Hälfte des Films fast physisch spürbar das harte bäuerliche Leben. Nah dran mit der Kamera, die wie ein zusätzliches Mitglied der Gemeinschaft wirkt, entstehen packende, fast dokumentarische Bilder. Die assoziativ arbeitende Montage unterstützt diesen dokumentarischen Eindruck durch das Insertieren von atmosphärischen Momenten und Details. Das perfekte Zusammenspiel von Laien und Schauspielern schließlich komplettiert diesen stilistisch spannenden Neorealismus, der sich in der zweiten Hälfte dann in eine Art magischen Realismus verändert. Denn hier beginnt sich das moralisch Integre in Person des Lazzaro in einer geisterhaften Existenz zu konservieren. Als moderne Version des biblischen Lazarus inszeniert Rohrwacher ihre Hauptfigur zu einem Heiligen, einem Engel, dem Symbol einer vergangenen Zeit, der Natur und der Verwurzelung. In einem wunderschönen Moment, in dem Orgelmusik aus einer Kirche der Reichen sich einfach der Dorfgemeinschaft anschließt, manifestiert sich die Aura des Religiösen um Lazzaro.
      Auf faszinierende Art bricht dieser zweite Teil des Films plötzlich schrittweise auf. Peu à peu verschiebt sich seine Realitätsebene und öffnet sich auf magische Weise den individuellen Lesarten der Zuschauer. Es ist ein Plädoyer für menschliche Gemeinschaft und Zusammenhalt im Angesicht der Skrupellosigkeit des kapitalistischen Systems und seiner Nutznießer. Dieser äußerst intensive Film, dessen herausragender Sound für zusätzliche Spannung sorgt, hat die Jury mit seinen vielschichtigen Bezugsebenen und einer sorgfältigen Gestaltung nachhaltig überzeugt.

      Quelle: Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW)
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    2. Glücklich wie Lazzaro: Bei den Filmfestspielen von Cannes für das Beste Drehbuch ausgezeichnetes Drama über einen Bauernjungen, der auf einer Tabakplantage als Arbeitssklave lebt.

      In eine wundersame, hermetisch abgeschlossene Welt entführt Alice Rohrwacher den Zuschauer in ihrem dritten Film, dem Cannes-Wettbewerbsbeitrag „Glücklich wie Lazzaro“, unter anderem besetzt mit ihrer Schwester Alba Rohrwacher in einer der Hauptrollen.

      Die Geschichte basiert auf dem wahren Fall einer Gräfin, die ihre Angestellten auf ihrer Tabakplantage noch in den Achtzigerjahren aufgrund der von der Außenwelt komplett abgeschnittenen Lage wie Sklaven hielt, ohne Bezahlung, ohne Rechte, ohne Kontakte über ihre kleine Kommune hinaus. Was für die italienische Filmemacherin aber erst einmal der Ausgangspunkt für eine märchenhafte Zwischenwelt ist, in der Zeit keine Rolle zu spielen scheint, wahrlich ein „Land der Wunder„, um mit dem Titel von Rohrwachers Vorgänger zu sprechen, der 2014 in Cannes mit dem Großen Preis der Jury geehrt wurde. Langsam lässt der Film sein Publikum ein Gefühl für das Leben dort bekommen, wo niemand Geld hat und selbst eine Glühbirne ein Luxusobjekt ist.

      Lazzaro ist ein junger Mann in dieser sonderlichen Gemeinde wie aus einem Film der Tavianis, der von den Ausgebeuteten ausgebeutet wird, weil er keine eigenen Bedürfnisse kennt und ohne Klage oder erkennbare Müdigkeit das macht, was andere ihm auftragen, eine durch und durch unschuldige Seele. Er ist ein Heiliger wie auch der ultimative Esel Balthasar, dessen Güte nach Belieben ausgenützt wird. Besonders vom albinoblonden Sohn der Gräfin, der seine Langeweile damit stillt, Lazzaro absurde Aufträge zu geben. Bis ein Unfall passiert und kurz darauf das verbrecherische System der Gräfin aufgedeckt, die Arbeiter befreit und in die reale Welt entlassen werden, zu der sie keinerlei Bezug haben. Hat man sich bis dahin an diese Existenz gewöhnt, die so ganz eins ist mit der Natur und ihren kuriosen Gesetzen, wird man nun mit einer erzählerischen Volte, die nicht verraten werden soll, aber sich bibelfesten Zuschauern zumindest ungefähr anhand des Filmtitels erschließen könnte, in die Gegenwart geschleudert, wo sich Lazzaro in der Stadt auf die Suche nach dem Sohn der Gräfin begibt. Rohrwacher nutzt dieses Szenario, um en passant kluge Betrachtungen zur aktuellen politischen Lage in Italien anzudeuten, aber auch um die himmlische Mission ihres Films zu ihrem logischen Ende zu führen. „Glücklich wie Lazzaro“ ist ein ebenso faszinierender wie frustrierender Film, weil er zwar voll und ganz in seine Welt eintaucht, aber sein Publikum auch zwingt, sich mit Figuren zu identifizieren, deren Weltfremdheit man ihnen nur schwer abkaufen will. ts.
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