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Göttliche Lage - Eine Stadt erfindet sich neu: Kritische Dokumentation über ein Luxus-Bauprojekt in Dortmund, das in einem ehemaligen Stahlwerksgelände eine Wohlfühl-Oase entstehen lässt.

Handlung und Hintergrund

Das 2001 stillgelegte Stahlwerksgelände Phoenix-Ost in Dortmund-Hörde soll einem ganz besonderen Bauprojekt weichen: Hier entsteht für rund 200 Mio. Euro um einen künstlich angelegten See herum eine Luxus-Wohnsiedlung. Weder die Menschen, die an dem Projekt arbeiten, noch diejenigen, die in der Gegend wohnen, können sich diese Immobilien leisten. Die Deindustrialisierung im Ruhrpott findet damit einmal mehr zugunsten der voranschreitenden Freizeitgesellschaft statt, die in jedem neuen Angebot den Wellness-Faktor sucht.

Besetzung und Crew

Regisseur
  • Ulrike Franke,
  • Michael Loeken
Drehbuch
  • Ulrike Franke,
  • Michael Loeken
Musik
  • Eike Hosenfeld,
  • Moritz Denis,
  • Tim Stanzel
Kamera
  • Michael Loeken,
  • Jörg Adams,
  • Dieter Stürmer,
  • Rüdiger Spott,
  • Reinhard Köcher,
  • Gertrud Schweers,
  • Michael Chauvistré,
  • Leif Karpe,
  • Dusan Solomon
Schnitt
  • Bert Schmidt
Ton
  • Ulrike Franke

Kritikerrezensionen

    1. Im September 2006 begannen im Dortmunder Stadtteil Hörde die Bauarbeiten für ein ehrgeiziges Projekt: Auf dem ehemaligen Gelände eines Stahlwerks von Thyssen Krupp entstand der Phoenix-See. Ein großer See mit hochwertiger Wohnbebauung an seinen Ufern in einem Stadtteil, der bisher von Industrie geprägt war. Das Ziel war eine „Verbesserung der Dortmunder Lebensqualität“. Doch dachte die „Phoenix-See-Entwicklungsgesellschaft“ mit all ihren Bau- und Werbemaßnahmen wirklich an alle Dortmunder? Und was sagen die Einwohner von Hörde zu all dem? Freuen sie sich über die steigenden Miet- und Baupreise, die „Erlebnisgastronomie“ an der Promenade, das neue Außenbild ihres Stadtteils? Der Film von Ulrike Franke und Michael Loeken ist eine Langzeitbeobachtung eines komplexen Projekts, einer Stadt und ihrer Einwohner, mit all den Problemen und auch Möglichkeiten, die sich dadurch ergeben. Franke und Loeken werten dabei nie, sie zeigen. Sie zeigen die engagierte Projektplanerin, die Werbung für etwas macht, von dem sie gar noch nicht weiß, wohin es sich entwickeln könnte. Sie zeigen den Vorsitzenden des Heimatvereins, der scheinbar gegen Windmühlen kämpft, um ein Relikt der Stahlindustrie davor zu bewahren, im wörtlichen Sinne „unterzugehen“. Und sie zeigen den alten Kern von Hörde, die Anwohner, die Ladenbesitzer, den Straßenpolizisten, die auf das Projekt schauen, mit Angst und Argwohn über mögliche Konsequenzen für ihr Leben. Und die dennoch mit Gleichmut abwarten wollen, was passiert. GÖTTLICHE LAGE erzählt seine Geschichte völlig unaufgeregt und mit einer wohltuenden Ruhe, ohne zu urteilen und ohne Schwarz-Weiß-Malerei. Eine Kritik am System der Planung ist immer spürbar, wird aber nie plakativ zum Ausdruck gebracht. Der Film endet im Jahr 2013. Den See gibt es schon, doch die teils unfreiwillig komischen Probleme der Planung bestehen weiterhin. Ein lehrreicher und kluger Film über ein Langzeitprojekt, der Parallelen zur Städteplanung in Deutschland ganz allgemein zulässt.

      Jurybegründung:

      Über 160 Jahre wurde auf dem Phoenix Gelände im Dortmunder Stadtteil Hörde Stahl produziert, jetzt entsteht auf dem Areal des ehemaligen Stahlwerks von Thyssen Krupp ein neues Wohn- und Naherholungsgebiet rund um einen künstlich angelegten See: den Phoenix-See. Ziel des ehrgeizigen Projekts ist es, einen „Standort für die Zukunft“ und „Räume für moderne Arbeits- und Lebensformen“ zu schaffen. Aber das Wohnen am Seeufer ist luxuriös und für die Menschen, die um das ehemalige Werksgelände herum leben und arbeiten, unerschwinglich. Zwei Welten prallen aufeinander: die Bewohner an den Rändern des neuen Stadtteils, die Planer und die neuen Bewohner an den Ufern des Sees. Am Ende gibt es, wie ein ehemaliger Stahlarbeiter sagt, „kein Bier, kein Stahlwerk, kein Pütt. Es wird nur noch Freizeit gemacht.“

      Über mehrere Jahre haben die Filmemacher Ulrike Franke und Michael Loeken das Wohnen und Leben nach dem Wandel von der Industrie- zur Freizeitgesellschaft intensiv begleitet und beobachtet. Herausgekommen ist ein faszinierender, von der ersten bis zur letzten Minute spannender und lehrreicher Film über die Komplexität von Stadtentwicklung und die vielschichtigen Interessen, die in diesem Prozess zusammentreffen. Dabei werten die Filmemacher nicht, sondern zeigen am Beispiel einiger sehr gut ausgewählter Protagonisten die Probleme und Möglichkeiten, die sich aus dem Projekt ergeben. Eine leichte Ironie und ein kritischer Unterton sind immer spürbar, werden aber nie plakativ zum Ausdruck gebracht, und keiner der Beteiligten wird diskreditiert.

      Als zu Beginn der Blick über die riesige Industriebrache gleitet, hat man den Eindruck, dass auch die Planer selbst, während sie ihre Informationstafeln aufstellen, Zweifel hegen, ob ihr utopisches Vorhaben eines Tages Realität werden könne. Die ehemaligen Stahlarbeiter beobachten die Umwälzungen mit einer Mischung aus Skepsis und abwartendem Gleichmut. Ihre Arbeitsplätze haben sie bereits verloren, und die weitere Entwicklung geht, trotz aller freundlicher Bemühungen der Planer, über ihre Köpfe hinweg. Archivaufnahmen machen eindrucksvoll deutlich, wie eng Arbeit und Leben in Hörde einst verbunden waren. Jetzt kämpft der Vorsitzende des Heimatvereins um ein Relikt der Industriekultur, die Thomasbirne (zur Veredelung von Roheisen) der ehemaligen Hörder Kesselschmiede, die er vor der Verschrottung bewahrt hat und die nun als Symbol der untergehenden Stahlindustrie ihren Platz auf der „Kulturinsel“ im See finden soll.

      Ein Streifzug durch die Straßen am Bauzaun macht den Niedergang des Stadtteils Hörde deutlich. Einige Fenster sind vernagelt, Glas ist zerbrochen. Der Streifenpolizist kümmert sich freundlich um Ordnung und das Wohlergehen der Anwohner. Ein Haus am Seeufer werden sie sich nicht leisten können, und vielleicht bedroht die Gentrifizierung durch den Zuzug wohlhabender Menschen und steigende Grundstückspreise auch ihren unmittelbaren Lebensbereich. Doch die Kioskbetreiberin will zunächst ausharren, zumindest solange sie keine Schulden machen muss, und der ansässige Malermeister hat große Pläne für die Restaurierung eines Altbaus.

      Als die neuen Anwohner des Seeufers ihre Häuser beziehen, macht sich auch bei ihnen gewisse Enttäuschung breit: Die Grundstücke sind schmal, und man kommt seinen Nachbarn näher als erwartet. Die minimalistische Ästhetik der Bauhaus-Architektur, auf die die Planer so viel Wert gelegt haben, wird alsbald umgeben von japanischen Steingärten und urbayrischer Kücheneinrichtung. Auch in anderen Bereichen müssen die Stadtentwickler erkennen, dass ihre schönen Planungen von der Natur und vom Leben attackiert werden: Auf dem See siedeln sich - sehr zur Freude der Anwohner - Enten an, die das komplizierte ökologische Gleichgewicht bedrohen, und auch Jugendliche nutzen das Ufer auf ihre ganz eigene Weise.

      Mit viel Ausdauer und einem genauen Blick aufs Detail dokumentiert der Film am Beispiel des Dortmunder Phoenix Sees den Strukturwandel in Deutschland und lässt uns teilhaben an einem sozialen Experiment, das noch lange nicht abgeschlossen ist und das man in ähnlicher Form an vielen Orten in Deutschland verfolgen kann.

      Quelle: Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW)
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