Kurztext
Drei Sportler, drei Schicksale, drei unglaubliche Geschichten. Der Dokumentarfilm von Michael Hammon begleitet den blinden Marathonläufer Henry Wanyoike, die querschnittgelähmte Schwimmerin Kirsten Bruhn und den australischen Rennrollstuhlfahrer Kurt Fearnley auf ihrem Weg zu einem der größten Sportereignisse der letzten Jahre: den paralympischen Sommerspielen in London 2012. Die Leistungssportler erzählen von sich und der Liebe zum Sport, enthüllen aber auch Persönliches und blicken zurück auf die schlimmste Zeit in ihrem Leben, als jeder von ihnen glaubte, von dem körperlichen Handicap besiegt worden zu sein. Doch irgendwann gelang es allen, die Kraft des Willens über die Behinderung des Körpers siegen lassen. Ob am Ende tatsächlich eine Goldmedaille winkt, ist für die Bedeutung dieses Films nicht wichtig. Hammon, selbst exzellenter Kameramann, findet Bilder, die die Faszination dieser Menschen an ihrem jeweiligen Sport über die Leinwand auf den Zuschauer übertragen. Man spürt, ob im Wettkampf oder fernab davon, den Schmerz, die Erschöpfung, aber auch das adrenalingeladene Glücksgefühl, welches die Protagonisten durchströmt. Und so teilt man ihre Empfindungen, Ängste und Hoffnungen. Ein bewegender Dokumentarfilm, der nicht mitleidig bedauert, sondern große Bewunderung und Respekt für diese außergewöhnlichen Menschen und Sportler weckt.
Gutachten
Wieder einmal geht es um sportliches Gold, das erreicht werden kann oder soll. Dieses Edelmedaillenziel wurde bereits thematisiert in den Dokumentarfilmen über die Fußballweltmeisterschaft in „Deutschland. Ein Sommermärchen“ oder „Projekt Gold. Eine deutsche Handball-WM“. Doch dieser Film hier ist ein anderer. Nicht nur, dass keine Mannschaften im Mittelpunkt stehen, sondern drei einzelne Sportler aus drei Kontinenten. Dazu kommt die Tatsache, dass sie ganz unterschiedliche Einzelsportarten repräsentieren, wobei eine weniger bekannt ist als die anderen.
Ihre Gemeinsamkeit bildet nicht die Mannschaft, sondern dass sie aus unterschiedlichen Gründen und sehr verschieden behindert sind und dass sie als Leistungssportler bereits erfolgreich waren und bleiben wollen. Der Filmtitel weist auf (welt)umfassende Anliegen des Films selbst hin: Überall kann er gezeigt und gesehen werden, allerorten kann so etwas möglich sein.
Das Schicksal der Drei in diesem wunderbar geschnittenen Film macht betroffen und zugleich Mut. Gezeigt werden die Lebens- und Leidensgeschichte von Kirsten Bruhns, der querschnittsgelähmten Schwimmerin aus Deutschland, die des blinden Marathonläufers Henry Wanyoike aus Kenia und die des australischen Rennrollstuhlfahrers Kurt Fearnley. Die Kamera begleitet sie in ganz normalen und - genauso intensiv - in besonderen,und spezifischen Situationen. So entstehen Bilder, die beim Zuschauer Erstaunen hervorrufen und Fragen wecken: Wie ist das möglich? Wie hält man das aus und durch? In anderen Szenen erreichen Ton und Bild, dass man mitfiebert, lächelt oder erschrickt. Details wie das T-Shirt mit „Yes You Can“ erlangen Symbolkraft, genau wie die Archivaufnahmen von den Paralympics 2012 in London mit dem Einfangen der allgemeinen Stimmung bei diesem Großereignis oder auch dem punktuellen Focus auf andere Sportarten und Sportler.
Zu den Stärken dieses an den Originalschauplätzen gedrehten Filmes gehört, dass das lokale und kulturelle Umfeld verortet wird und dass die unterschiedlichsten Menschen ins Bild und zu Wort kommen, die dazu beitragen: „Du kannst mehr als Du denkst“. Da bewältigt der blinde Henry Wanyoike die scheinbar unmögliche physische und psychische Belastung, ein blindes Mädchen in die Schule zu geleiten. In einer anderen Sequenz zieht er seinen Guide, mit dem er beim Training und im Wettkampf durch ein Seil verbunden ist, über die Ziellinie, denn er ist schneller und ausdauernder als der Nichtbehinderte.
Der Film verdeutlicht auch, dass in vielen Bereichen ein Umdenken begonnen hat. Ist es wirklich schon so lange her, dass man Behinderte noch vor der Öffentlichkeit versteckte? Dass man sie nicht so akzeptierte wie jeden anderen auch? Die drei Protagonisten erhalten jede Unterstützung, Hilfe zur Selbsthilfe und sie helfen selbst. Ihr Projekt Gold ist kein Sommermärchen aber ein besonders wertvoller Film.
Quelle: Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW)