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Goliath96: In ihrer verzweifelten Sehnsucht nach Nähe und Verständnis versucht eine alleinerziehende Mutter, wieder Kontakt zu ihrem erwachsenen Sohn zu bekommen, der sich seit zwei Jahren rigoros in seinem Zimmer abschottet. Sie ahnt nicht, daß sie dabei Gefahr läuft, ihn für immer zu verlieren…

Handlung und Hintergrund

Die Stimmung in der Dreizimmerwohnung von Kristin Dibelius (Katja Riemann) ist gespenstisch: Seit zwei Jahren hat sie nicht mehr mit ihrem Sohn David (Nils Rovira-Munroz) gesprochen, der sich komplett in sein Zimmer zurückgezogen hat. Nachts hört sie seine Schritte, die Toilettenspülung. Was David in seinem Zimmer genau macht, weiß sie eigentlich gar nicht. Zwischen den beiden hat sich ein gegenseitiges Aus-dem-Weg-gehen etabliert. Dann verliert Kristin ihren Job und beschließt, ihren Sohn aus seiner Isolation zu befreien.

Durch eine Bekannte ihres Sohnes erhält Kristin den Tipp, dass David sich unter dem Nickname Goliath96 auf einem Forum für Drachenbau herumtreibt. Sie selbst meldet sich unter dem Pseudonym Cinderella97 in dem Forum an und sucht den Kontakt zu David. Tatsächlich gelingt es ihr, seine Neugier zu wecken. Doch sie ahnt nicht, welche Türen sie damit aufgestoßen hat, als sie wieder eine emotionale Beziehung zu ihrem abgeschotteten Sohn sucht.

„Goliath96“ — Hintergründe

Das Spielfilmdebüt von Marcus Richardt zeigt Katja Riemann („HERRliche Zeiten“) in Höchstform. Die erste Hälfte des Filmes trägt die Darstellerin quasi allein, bevor das Kammerspiel durch Nils Rovira-Munroz („Herzflimmern“) als zurückgezogener Sohn der alleinerziehenden Mutter hinzukommt. Im Chat begegnen sich die beiden, ohne dass der Sohn davon weiß, dass er mit seiner Mutter spricht — keine ganz unproblematische Ausgangssituation, die nicht von ungefähr an den „König Ödipus“ erinnert.

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Die im Film behandelte Selbstisolation von Teenagern wird als Hikikomori bezeichnet und ist vor allem in Japan zu einem breiten Phänomen geworden. Schätzungen zufolge haben sich in Japan 50.000 Jugendliche aus der Welt zurückgezogen und in ihrem Zimmer eingeschlossen, wo sie allein, ohne soziale Beziehungen leben. Auch der deutsche Film „1000 Arten Regen zu beschreiben“ mit Bjarne Mädel hat das Thema als Familiendrama verarbeitet.

Besetzung und Crew

Regisseur
  • Marcus Richardt
Produzent
  • Rike Steyer
Darsteller
  • Katja Riemann,
  • Nils Rovira-Munoz,
  • Elisa Schlott,
  • Jasmin Tabatabai,
  • David Wurawa,
  • Nadine Schori,
  • Marie Nasemann,
  • Laura Eichten,
  • Tobias Kay,
  • Erwin Leder,
  • Crisjan Zöllner,
  • Rebekka Ehlers,
  • Joey Marlon Altmann
Drehbuch
  • Marcus Richardt,
  • Thomas Grabowsky
Kamera
  • Wedigo von Schultzendorff
Casting
  • Uwe Bünker

Kritikerrezensionen

    1. GOLIATH96 mit Katja Riemann erzählt als berührendes Drama die Geschichte einer Mutter, die versucht, durch ein Internetforum wieder Kontakt mit ihrem Sohn aufzunehmen, der sich seit zwei Jahren in seinem Zimmer eingeschlossen hat.

      Seit zwei Jahren versteckt sich David in seinem Zimmer. Der junge Mann hat den Kontakt zur Welt abgebrochen, seine einzige Verbindung nach außen ist das Internet. Auf die verzweifelten Versuche seiner Mutter Kristin, ein Gespräch durch die geschlossene Tür zu führen, reagiert er nicht. Kristin ist verzweifelt. Als sie aber durch einen Zufall erfährt, dass David sich als „Goliath96“ in einem Drachenbau-Forum im Netz angemeldet hat, sieht sie eine Chance, so den Kontakt zu ihrem Sohn wiederherstellen zu können. Sie meldet sich im Forum an, als „cinderella97“. Und es klappt. Doch je vertrauter die Gespräche der beiden im Netz werden, desto weniger scheint Kristin die Situation unter Kontrolle zu haben. Denn Goliath verliebt sich. Und zwar in Cinderella. Für seinen Film GOLIATH96 nutzt Regisseur Marcus Richardt das Phänomen des „Hikikomori“. Dieses Phänomen bezeichnet Menschen, die den Kontakt zur Gesellschaft entweder ganz abbrechen oder ihn auf das Nötigste beschränken. Der Film wählt die Perspektive einer alleinerziehenden Mutter, um sich dem Phänomen auf berührende und menschlich nachvollziehbare Weise zu nähern. Konsequent zeigt daher der Film auch zu Beginn nur sie, ihren Alltag und ihre Welt. Katja Riemann spielt Kristin als nach außen hin gefasst wirkende Frau, die unabhängig ihr Leben lebt, aber von der Verzweiflung, ihren Sohn verloren zu haben, und der Erinnerung an ein früher so enges Verhältnis, fast niedergerungen wird. Wie Kristin sich in eben jener Verzweiflung zu einem solchen Schritt wie dem Angeben einer falschen Identität im Netz hinreißen lässt, ist ein interessanter und starker Twist der Geschichte und bleibt durch das intensive Spiel Riemanns nachvollziehbar. Dass im zweiten Teil des Films auch die Geschichte des Sohnes erzählt wird, erhöht die Komplexität der geschickt gebauten Geschichte. Der eher kalten und von Gefühlen entfremdeten Atmosphäre trägt auch die Auswahl der Locations Rechnung. Das Haus wirkt merkwürdig unbewohnt, die Stadt kalt und anonym, selbst die Parkszenen trist und leblos. Den krassen Gegensatz dazu bilden die sonnendurchfluteten hellen Bilder einer schöneren gemeinsamen Zeit, in der ein roter Drachen am Meer seine Runden über dem Horizont dreht. GOLIATH96 ist ein gesellschaftlich hochaktuelles Mutter-Sohn-Drama, das bis zum Ende seine Spannung und Atmosphäre halten kann.

      Jurybegründung:

      Marcus Richardts Film widmet sich einem Phänomen, welches die Japaner „Hikikomori“ nennen. Immer mehr Jugendliche oder junge Erwachsene reagieren auf den gesellschaftlichen Druck mit totalem Rückzug und verlassen nicht einmal mehr das heimische Zimmer, was vor allem für deren Angehörige eine enorme Belastung darstellt. Bereits Isabel Prahls Film 1000 ARTEN REGEN ZU BESCHREIBEN hat sich diesem Phänomen gewidmet, doch Marcus Richardt wählt mit GOLIATH96 einen anderen erzählerischen Ansatz.

      Dabei gelingt es dem Film gut, die ganze Grundsituation aufzubauen und dem Zuschauer nach und nach das ganze Drama einer alleinstehenden Frau zu vermitteln, der nach ihrem Mann, der die Familie ohne ein Wort verließ, auch noch der eigene Sohn abhandengekommen ist. Zwei Jahre, so erfährt man später, dauert der Rückzug von David bereits an und die Auswirkungen auf das Leben seiner Mutter sind enorm: Als ihr gekündigt wird, kann sie aufgrund des damit verbundenen Ortswechsels keine neue Stelle in einer anderen Stadt annehmen, so dass aus der psychologischen Belastung zunehmend auch eine existenzielle wird. Erst die zufällige Entdeckung der Mutter, dass ihr Sohn in einem Forum für Drachenbau aktiv ist, öffnet ihr einen Zugang zu dessen Lebenswelt - die allerdings bleibt nicht ohne Folgen. Denn ohne zu wissen, wer sich in Wirklichkeit dahinter verbirgt, verliebt sich David alias Goliath96 in Cinderella97.

      Die Enge der (Nicht)Beziehung zwischen Mutter und Sohn fängt die Kamera mit Gespür für klaustrophobische Räume und gedeckt-düstere Farben ein und fasst so die Grundstimmung des Films in stimmige Bilder.

      Ein wenig schwieriger gestalten sich vor allem die Chat-Sequenzen zwischen Mutter und Sohn, die Teilen der Jury als nicht so gut gelungen erscheint und aus ihrer Sicht manchmal ein wenig banal anmuteten. Zudem erschienen manche Wendungen und Entwicklungen der Jury zu deutlich und gewollt, um vor allem auf psychologischer Ebene überzeugen zu können.

      Dank des engagierten Spiels der beiden Hauptdarsteller*innen Katja Riemann und Nils Rovira-Munoz konnten diese Kritikpunkte nach Meinung der Jury aber ausgeglichen werden, so dass GOLIATH96 gerade ein Publikum, das noch nichts über das Phänomen der „Hikikomori“ weiß, für dieses enorm belastende Verhalten sensibilisieren und interessieren könnte.

      Quelle: Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW)
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