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„Good Boy“: Nervenzerfetzender Horrorthriller mit tollen Twists und einem großen Problem

„Good Boy“: Nervenzerfetzender Horrorthriller mit tollen Twists und einem großen Problem
© Blue Finch Films Releasing / 24 Bilder

„Good Boy“ überzeugt mit einer ganz besonderen Prämisse, Nervenkitzel und wirklich überraschenden Wendungen. Umso mehr enttäuscht die schlichte Botschaft, die am Ende bleibt. Mit Verspätung kommt der Film jetzt endlich ins Kino.

Zu Beginn möchte ich euch empfehlen, diese Kritik vor dem Film am besten gar nicht zu lesen. „Good Boy“ ist ab jetzt im Kino und der knapp 80-minütige Film wird euch am meisten Spaß machen, wenn ihr euch völlig überraschen lasst. Hier liegt die große Stärke dieses Werks zwischen Horror und Thriller.

Worum geht es in „Good Boy“?

Der charmante und höchst kultivierte Christian (Gard Lokke) ist ein reicher Single und lernt über Tinder die Psychologiestudentin Sigrid (Katrine Lovise Opstad Fredriksen) kennen. Der schüchterne junge Mann und die offene, lebenslustige junge Frau verstehen sich auf Anhieb. Doch es stellt sich heraus, dass Christian einen ungewöhnlichen Mitbewohner hat: Frank (Nicolai Narvesen Lied) ist ein Mann in einem Hundekostüm. Sigrid ist zunächst schockiert, doch sie informiert sich über Puppplay und entscheidet, der Sache trotzdem eine Chance zu geben.

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Wenn ihr wollt, dass sich kurzzeitig die Nackenhaare sträuben und das Blut zu Eis gefriert, eine nervöse Unruhe einsetzt, die euch bis zum Schluss nicht mehr loslässt, solltet ihr den folgenden Text erst lesen, wenn ihr „Good Boy“ gesehen habt. Und ihr solltet ihn sehen! Also schaut euch den Trailer an, dann wisst ihr, was ihr wissen müsst und wir sprechen uns wieder, wenn ihr im Kino wart.

– Ihr wollt Spoiler? Gern geschehen! Hier kommen sie (so sanft wie möglich) –

Was macht „Good Boy“ so besonders gut?

Der norwegische Film, geschrieben und inszeniert von Viljar Boe, ist absolut fesselnd, weil er von der ersten Minute an unsere Neugier weckt. War da gerade ein Mensch im Hundekostüm? Was hat es wohl damit auf sich? Die Atmosphäre ist nahezu anheimelnd und es fängt auch alles ganz harmlos an. Wir sehen Christian als einen freundlichen und liebevollen Menschen, der wohl einen Hang zum Puppplay und dafür auch den richtigen Freund gefunden hat. Offensichtlich sucht er online nach einer Freundin und macht sich ein Tinder-Date aus.

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Mit Sigrid erleben wir ihn zuvorkommend, verständnisvoll und schüchtern. Er nimmt sie mit nach Hause, doch nachdem er ihr Frank vorstellt, ist Sigrids Begeisterung versiegt. Sie will nach Hause und er fährt sie hin.
Die Beziehung zwischen dem Hund Frank und Christian ist ihr suspekt. Doch ihre Mitbewohnerin ermutigt sie, noch einmal darüber nachzudenken, denn immerhin ist Christian ein Multi-Millionär, dessen Eltern verstorben sind. Das Internet zeigt ihr, dass von der Puppplay-Szene keine Gefahr ausgeht und tatsächlich überdenkt sie ihre Entscheidung. Hier trifft der Film nicht allzu subtil eine gesellschaftspolitisch relevante Aussage, die auf Klassenunterschiede abzielt. Denn letztlich beeinflusst Christians Reichtum ganz maßgeblich Sigrids Entscheidung, sich weiter auf ihn einzulassen. Sprich: Wie weit gehen die ärmeren Schichten, um aus ihrem beschränkten Dasein auszubrechen? Wie groß ist die manipulative Macht, die reiche Menschen bekommen, weil die anderen davon träumen, ihren Lebensstandard aufzubessern?

Wir tauchen also ein in eine Dreierbeziehung, wie sie wahrscheinlich die wenigsten unter uns schon einmal erlebt haben und Boe versteht es, uns gut zu manipulieren. Es fühlt sich alles eher an wie ein ganz spezielles Rom-Com-Setting und wir können den Gesprächen der beiden entnehmen, dass Christian seinem Freund aus Kindheitstagen das Leben ermöglicht, das er sich am meisten wünscht. Das erzeugt Sympathie und lullt uns vortrefflich ein. Das Zusammenleben der beiden hat laut Christian keine sexuelle Komponente, Frank hat einfach gar keinen Sex. Ein Fakt, der Sigrid sichtlich entspannt, aber auch neugierig macht.

Die beiden unternehmen einen kleinen Urlaubstrip zu dritt in das Wochenendhäusschen von Christian. Dann kommt einer der unbezahlbaren Momente in diesem Film, denn der Hund wendet sich in einem vermeintlich unbeobachteten Moment an Sigrid und spricht erstmals. Was er sagt, ist ein Schock für Sigrid wie für uns. Ab jetzt ist nichts mehr wie es war, aber tatsächlich noch nicht eindeutig genug, um den Schrecken zu schlucken und sich wieder in eine komfortablere Gemütszone zu bewegen. Viele Fragen tauchen auf. Kann man dem Hund überhaupt trauen? Wie wird sich Sigrid aus der Situation befreien? Was ist Christians Ziel? Die folgenden Geschehnisse erlauben keine Entspannung mehr und immer wieder erleben wir neue kleine Schreckmomente. Christian weiß mehr als Sigrid denkt, doch seine Fassade bleibt perfekt und damit täuscht er sie und uns.

Am Ende trifft Sigrid eine irrationale Fehlentscheidung, wie in vielen Horrorfilmen üblich, und die letzte Szene des Films sorgt dafür, dass wir unser mulmiges Gefühl nicht sofort abschütteln können und noch ein Weilchen grübeln, wie genau dies Ende zu erklären ist (dazu kommt noch ein Artikel).

Kurzum: Besonders gelungen an diesem Film finde ich neben der außergewöhnlichen Prämisse, wie er mit unseren Erwartungen und Emotionen spielt, wie wir ebenso wie die Hauptfigur Sigrid auf mehreren Ebenen manipuliert werden und dass er wirklich ohne jede Länge von der ersten bis zur letzten Minute fesselt. Kleinere Ungereimtheiten im Drehbuch sind damit verziehen.

Wisst ihr welche Filme euch außer „Good Boy“ in 2024 das Blut in den Adern gefrieren lassen wollen? Das Video verrät es euch.

„Good Boy“: Schade um die verpasste Chance wirklich außergewöhnlich zu sein

Der oben angesprochene erste Satz des Hundes lautet ungefähr: „Der Typ ist ein Psychopath, wir müssen hier sofort weg“. Christian ist also ein psychisch gestörter Mensch, vielmehr ein extremer Narzisst und Soziopath. Und wir alle denken kurz „Fifty Shades of Grey“ und fragen uns, ob die Namensgleichheit der Protagonisten in beiden Filmen einfach nur Zufall ist? Wie dem auch sei, dass hier dieser Weg eingeschlagen wird, tut dem Film als spannendem Horrorthriller keinen direkten Abbruch, macht mich aber gesellschaftspolitisch betrachtet ziemlich wütend.

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Mal wieder muss die BDSM-/Pupplay-Szene damit leben, dass ihnen eine psychisch gestörte Konnotation aufgedrückt wird. Das ist besonders schade, weil es wenige hervorzuhebende Gegenbeispiele im Unterhaltungsbereich gibt und diese Community ohnehin mit starker Stigmatisierung zu kämpfen hat. Auch wenn Christian eine sexuelle Komponente in der Beziehung zu Frank bestreitet, kommt es am Ende des Films zu einer Szene, die diesen Bezug doch zumindest extrem nahelegt. Frank, der sich mit Sigrid zur Flucht verabredet hat, wird von Christian dafür bestraft. Was dann folgt, ist keine einvernehmliche Gewalt, sondern Folter. Im Rahmen dessen wird Frank aber auch übers Knie gelegt und bekommt den nackten Hintern versohlt, was so wirkt, als würde hier Spanking mit Folter gleichgesetzt. Das ist einfach schade, weil es völlig unnötig ist. Ebenso wie der Soziopathen-Move. Boe hätte mit seiner ziemlich genialen Idee jegliche Geschichte über eine Dreierbeziehung der besonderen Art erzählen können, aber er entscheidet sich für den letztlich unspektakulärsten Weg, der gesellschaftlich ohnehin vorhandene Ressentiments gegen Angehörige der BDSM-Szene noch weiter vertieft, statt sie aufzubrechen und ihnen etwas entgegenzusetzen. Am Ende bleibt die Botschaft stehen, lass dich nicht mit devianten Personen ein, meide alles, was du nicht kennst und dir auf den ersten Blick seltsam erscheint, denn sonst findest du dich gegen deinen Willen in Situationen wieder, in denen du nie sein wolltest.

Trotzdessen ist Boe mit „Good Boy“ ein Film gelungen, der anders ist und in jedem Fall zum Nachdenken und Debattieren einlädt und im besten Fall führt die Auseinandersetzung nach dem Film mit sich selbst oder anderen dazu, dass man sich intensiver mit der Puppplay-Community beschäftigt und ein anderes, besseres Verständnis entwickelt.

Die Spielzeiten in eurer Stadt findet ihr bei uns.

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