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Große Freiheit: Epischer Gefängnisfilm über einen Mann, der nach dem Zweiten Weltkrieg wiederholt wegen seiner homosexuellen Neigungen in den Knast geschickt wird.

„Große Freiheit“ im Kino

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Handlung und Hintergrund

Hans Hoffmann (Franz Rogowski) liebt Männer. Dieser Umstand ist im Nachkriegsdeutschland nicht nur verpönt, sondern steht aufgrund von Paragraph 175 weiterhin unter Strafe. Nach seiner harten Zeit im KZ wird er ohne Pause inhaftiert. Im Gefängnis teilt er sich eine Zelle mit dem Mörder Viktor (Georg Friedrich), der eigentlich nichts mit einem „175er“ zu tun haben will. Im Laufe der Jahre wird sich jedoch ein gewisses Vertrauen zwischen Viktor und Hans aufbauen, man kennt sich. Denn Hans ist Wiederholungstäter und lässt sich nicht vorschreiben, wie er zu leben und zu lieben hat.

Ob draußen oder im Gefängnis, Hans findet zunächst in Oskar (Thomas Penn) einen Mann, mit dem er glücklich sein könnte, doch das Gefängnisleben ist für den Zartbesaiteten nichts. Später wird Hans im Gefängnis den Musiklehrer Leo (Anton von Lucke) kennen und lieben lernen, hält jedoch bewusst Abstand, um niemanden in Gefahr zu bringen. Und dann wäre da noch Viktor, der Bulle, der sich mit seinem Leben hinter Gittern zwar arrangiert hat, doch dem eine Drogenabhängigkeit zum Verhängnis werden könnte. Es liegt nun an Hans seinem Freund im Knast den Rücken frei zu halten.

„Große Freiheit“ – Hintergründe, Besetzung, Kinostart

Der berüchtigte Paragraf 175 war über 120 Jahre lang zwischen 1871 bis 1994 in verschiedener Form in Deutschland in Kraft und stellte sexuelle Handlungen zwischen zwei Männern unter Strafe. Die Verschärfung unter dem Nazi-Regime stellte bereits den Verdacht unter Strafe und ließ 10 Jahre Haft folgen, auch die Nachkriegszeit hielt in der DDR bis 1957 und in der BRD bis 1968 in fast unveränderter Form an dem Paragraphen fest.

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„Große Freiheit“ ist stellvertretend für die Schicksale derer, die Opfer dieser abstrusen Strafverfolgung wurden. Etwa 50.000 Männer wurden zwischen 1950 und 1969 in der BRD nach dem Paragraphen verurteilt.

Für Regisseur Sebastian Meise war bereits beim Schreiben des Drehbuchs die Traumbesetzung mit Franz Rogowski („Victoria“) und Georg Friedrich („Wilde Maus“) sichere Sache, die beide schließlich zusagten. Gedreht wurde in einem inzwischen nicht mehr benutzten Gefängnis aus DDR-Zeiten.

Die Uraufführung von „Große Freiheit“ fand bei den Cannes Filmfestspielen 2021 in der Untersektion „Un Certain Regard“ statt, wo das Gefängnis-Epos mit dem großen Preis der Jury ausgezeichnet wurde. Am 18. November 2021 ist der deutsche Kinostart von „Große Freiheit“. Das Drama wurde als Österreichischer Beitrag für den Besten Internationalen Film bei der Oscar-Verleihung 2022 auserkoren.

Besetzung und Crew

Regisseur
  • Sebastian Meise
Produzent
  • Sabine Moser,
  • Oliver Neumann,
  • Benny Drechsel
Darsteller
  • Franz Rogowski,
  • Georg Friedrich,
  • Anton von Lucke,
  • Thomas Prenn
Drehbuch
  • Sebastian Meise,
  • Thomas Reider
Musik
  • Nils Petter Molvaer,
  • Peter Brötzmann
Kamera
  • Crystel Fournier
Schnitt
  • Joana Scrinzi
Casting
  • Eva Roth,
  • Benjamin Roth

Kritikerrezensionen

  • Große Freiheit: Epischer Gefängnisfilm über einen Mann, der nach dem Zweiten Weltkrieg wiederholt wegen seiner homosexuellen Neigungen in den Knast geschickt wird.

    Epischer Gefängnisfilm über einen Mann, der nach dem Zweiten Weltkrieg wiederholt wegen seiner homosexuellen Neigungen in den Knast geschickt wird.

    „Große Freiheit“ beginnt mit schwulem, harten Sex auf dem Männerklo, festgehalten von einer versteckten Super-8-Kamera, also körnige, etwas zu helle Bilder, die einfach nur zeigen was passiert: Immer wieder derselbe Mann, Hans Hoffmann, wie wir gleich erfahren werden, der sich anderen Männern nähert, sie masturbiert, Oral- oder Analverkehr mit ihnen hat, so offenkundig, dass man meinen möchte, er wird gern dabei gefilmt, wenn er etwas tut, was 1968 in West-Deutschland noch strafbar war und mit bis zu sechs Jahren Gefängnis geahndet werden konnte, gemäß Paragraph 175 des Strafgesetzbuchs, der so genannte Schwulenparagraph, der im Dritten Reich noch einmal verschärft worden war und im westlichen Nachkriegsdeutschland in dieser Fassung und unverändert 24 weitere Jahre gegolten hatte. Nach Ansicht der Filmaufnahmen vor Gericht ist die Beweislage klar: Hans muss ins Gefängnis, 24 Monate. Wie er seine Haft antritt, jeder Aufforderung Folge leistet, bevor sie überhaupt ausgesprochen werden kann, wie er im Nähraum von einem anderen Häftling, dem bulligen, tätowierten Viktor, mit einem erstaunten Blick des Erkennens registriert wird, legt die Vermutung nahe, dass er nicht zum ersten Mal eingebuchtet wird.

    Man liegt richtig mit dieser Annahme: Nachdem Hans einem anderen „175er“, wie die Männer, die wegen homosexueller Vergehen einsitzen, von den anderen Sträflingen verächtlich genannt werden, harte Hunde, die teilweise bestialische Verbrechen begangen haben, aber nichts mit den „Perversen“ zu tun haben wollen, Hackordnung im Knast, auf dem Hof zur Hilfe eilt, wird er ins Loch gesteckt - Einzelhaft, vollkommen nackt und in absoluter Dunkelheit. Als das Licht wieder angeht und Hans abgeholt wird, schreiben wir das Jahr 1945. Jetzt sitzt Hoffmann zum ersten Mal ein, ist direkt vom Konzentrationslager, aus dem er gerettet wurde, ins Gefängnis gewandert, durfte kein einziges Mal über Los gehen, und sitzt nun die letzten vier Monate einer 14-monatigen Strafe ab. Hier begegnet er erstmals Viktor Bix, von dem wir zwar nicht wissen, was er gemacht hat, der sich aber keinen Illusionen hingibt, so schnell wieder in Freiheit entlassen zu werden. Sie sind Zellengenossen, und Viktor macht keinen Hehl aus seinem Abscheu für Hans und dessen Neigungen. Erst als er die Zahlen-Tätowierung auf seinem Arm sieht, wird er milder. KZ, das hat keiner verdient. Und er bietet Hans an, ihm eine größere Tätowierung über die alte zu stechen. Als sie dabei geschnappt werden, wandern beide ins Loch. Als Hans diesmal herauskommt, ist es 1957: Er ist mit seiner großen Liebe geschnappt und wieder eingebuchtet worden. Obwohl zwölf Jahre vergangen sind, hat sich für ihn als homosexueller Mann nichts geändert. Und auch 1968 ist für ihn die Welt noch, wie sie 1945 gewesen war: geächtet, gebrandmarkt, ausgestoßen. Und immer noch ist er, der gespielt wird von Franz Rogowski in seiner bislang besten Darstellung, ein Geheimnis, ein Enigma, ein Fragezeichen, weil man sich nicht erklären kann, warum ihn das Schicksal nicht gebrochen, warum er immer noch Kraft besitzt und Optimismus hinter seinen wachen, immer aufmerksam beobachtenden Augen.

    Eines ist schließlich anders 1968. Diesmal muss Viktor nicht Hans helfen, Hans muss Viktor helfen, der nach mehr als 20 Jahren Knastaufenthalt drogenabhängig geworden ist, Heroin, und kurz vor seiner dritten Anhörung steht, vielleicht endlich doch noch entlassen zu werden. Man merkt es kaum, aber jetzt wechselt der Film seinen Fokus. Erzählte er bisher von Hans und dessen Schicksal in einem Land, das ihn nicht anerkennt, wie er ist, wird nun Viktor die zentrale Figur. Georg Friedrich ist wunderbar als dieser Bulle von Mann, der sich in sein Schicksal gefügt hat, aber gerade in seiner Extremsituation lernt, was Deutschland auch mehr als zwei Jahrzehnte nach den Nazis noch nicht gelungen ist: Er springt über seinen riesigen Schatten, er akzeptiert Hans. Doch damit ist „Große Freiheit“, so heißt ein Schwulenclub, den Hans nach seiner letzten Entlassung im letzten Akt des Films besucht, noch nicht zu Ende. Was begonnen hat als unerbittlicher Knastfilm, als Geschichte des Überlebens in einer feindseligen Umwelt, in der man Kompromisse machen muss, will man nicht untergehen, offenbart sich als Jahrzehnte überspannendes Epos einer Sehnsucht, kein Stück weniger atemberaubend als ein „Der englische Patient“ oder „Jenseits von Afrika“ oder wie sie sonst heißen mögen, die großen Liebesgeschichten der Filmgeschichte. Dem Österreicher Sebastian Meise ist mit seinem zweiten Spielfilm nach „Stillleben“ vor zehn Jahren ein kleines Wunder gelungen, ein Männerfilm über eine exklusive Männerwelt, der so zärtlich und zerbrechlich ist, so genau beobachtet und virtuos erzählt, dass man nicht glauben kann, dass er nur in einer Nebenreihe der Sélection officielle des Festival de Cannes gelandet ist. Die ganz große Leinwand im Salle Lumière wäre gerade groß genug gewesen.

    Thomas Schultze.
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