Halbschatten: Autorenkino um eine Enddreißigerin, die in einer südfranzösischen Traumvilla in Ereignislosigkeit und Isolation untergeht.
Euro-Autorenkino um eine Enddreißigerin, die in einer südfranzösischen Traumvilla in Ereignislosigkeit und Isolation untergeht.
Das Kinodebüt von dffb-Absolvent Nicolas Wackerbarth, aufgeführt im Forum der Berlinale, ist eine lakonische, anti-dramatische Charakterstudie, ein Film darüber, was passiert, wenn nichts passiert. Anne Ratte-Polle („Die feinen Unterschiede“), von der ausländischen Fachpresse mit Jodie Foster verglichen, überzeugt als vermeintlich unabhängige Enddreißigerin Merle, der die Leere und Langeweile aufs Gemüt schlägt. In diesem Warten auf Godot dehnt sich die Zeit bedrohlich zu einem unterschwelligen Thriller über Ereignislosigkeit.
Kaum steht die Hauptfigur Merle vor den verschlossenen Toren des Ferientraumhaus mit Blick auf die französische Riviera, werden ihre Erwartungen zerstört und es belastet sie die Ungewissheit. Ihr Gastgeber Romuald glänzt durch Abwesenheit, seine beiden verzogenen Kinder, der 16-jährige Felix (Leonard Proxfau) und die am folgenden Tag 13 werdenden Emma (Emma Bading), lassen sie spüren, dass sie unerwünscht ist. Trotz Zurückweisung versucht sie unbeholfen, ihnen näher zu kommen. Wieso sie diese Zumutungen auf sich nimmt statt abzureisen, bleibt das Geheimnis von Wackerbarths Drehbuch, das keine psychologischen Einblicke erlaubt und für Interpretationen offen bleibt.
Wie die Enddreißigerin mit akademischen Hintergrund, die an einem vergeistigten Roman schreibt, versucht, in die Bourgeoisie aufgenommen zu werden, schildert Wackerbarth in kunstvoll komponierten, statischen Bildern, deren Stimmung und Farben vom diesigen Wetter bestimmt sind. Es ist eine vielversprechende stilistische Euro-Autorenkino-Handschrift, mit der Wackerbarth seine Studie ambivalenten Sozialverhaltens veredelt und die für den Mangel jedweder Sympathieträger entschädigt. Sein aus der Zeit gefallenes Werk nimmt Anleihen bei der Berliner Schule, aber auch beim frühen Wim Wenders und vor allem Michelangelo Antonioni, dazu kommen Spuren von Haneke und Chabrol, sowie Elemente von François Ozons „Swimming Pool“, auch wenn die unausgesprochene sexuelle Spannung nie ausbricht. Kein Individuum kann alleingelassen von der Gesellschaft existieren: So wird der Sinkflug einer Frau, die das Auf-sich-selbst-geworfen-Sein zermürbt, zum Porträt eines Verschwindens. Merle verflüchtigt sich, erst aus der Villa, dann aus dem Film, in einer jener Geschichten, die man nach Kinobesuch in seiner eigenen Fantasie weitererzählen muss, um zu einem Ende zu gelangen.
tk.