Andreas Dresen zeigt das Sterben. Von der Verkündung der Diagnose Hirntumor durch einen Arzt, der ruhig, sachlich und gleichzeitig stockend und emotional das schwere Gespräch führt, bis zu den gestammelten Wirrnissen aus dem Kopf von Frank Lange, der dann, irgendwann nach Silvester, seinen letzten Atemzug tut. Dass es keine Hoffnung gibt, ist von Anfang an klar, Zweckoptimismus ist unangebracht, der Kranke weiß es, die Familie weiß es. Und nur karikaturesk werden zwei Eso-Psychotanten gezeigt, mit ihrem professionellen Trost und den phrasenhaften Aufmunterungen von der Freundlichkeit des Krebses, der ein Alarmsignal für fehlende Lebensharmonie sei solcher esoterisch-verlogener Quatrsch ist sinnfrei und hilft nicht. Nur langsam findet die Familie den richtigen Weg, mit dem Schicksal umzugehen. Diesen Weg, dieses Suchen und Finden, zeigt Dresen.
Milan Peschel spielt den kranken Frank, Peschel, der sonst eher der hippeligen, quirlige Typ ist mit immanenter Komik. Steffi Kühnert ist seine Frau, die geduldige, fürsorgliche, liebevolle Begleiterin, die genervte, verzweifelte, unendlich traurige Hinterbliebene schon zu Lebzeiten des Todgeweihten. Wobei Dresen jede Sentimentalität, Kitsch und Schmalz und geheuchelte Hymnisierung liebevoller Familienwerte vermeidet. Er folgt schlicht der Krankheit, mit allen Aufs und Abs, mit Krisen und Beruhigungen durchaus realistisch, nie stilisiert, überglänzt oder unterbelichtet.
Es ist ein Vortasten auf unbekanntes Gebiet, das Dresen beschreibt. Und auch der Film selbst, in seiner Machart, ist ein stetiges Forschen, ein langsam suchendes Vorwärtskommen zusammen mit den Protagonisten haben Dresen und Cooky Ziesche, Stoffentwicklerin und Dramaturgin, die Figuren und den Handlungsgang entworfen, die Szenen wurden großteils improvisiert. Diese Inszenierungsweise weiß Dresen kunstvoll um- und einzusetzen, der damit Unmittelbarkeit, Frische des Spiels und über die direkten Reaktionen der Schauspieler eine immense Nähe zu den Figuren erreicht. Wirklichkeit wird in den Film überführt, und die Fiktion des Films grenzt an die Realität der Arzt der Eröffnungsszene ist echt, er führt ein Gespräch mit den sichtlich betroffenen, mitgenommenen Peschel und Kühnert, wie er mehrmals wöchentlich eines führen muss. Und wird zwischendurch gar durch einen realen, nicht inszenierten Anruf über banale OP-Belegungen unterbrochen
Dazwischen führt Frank ein Videotagebuch per I-Phone, mehr für sich als für die Hinterbliebenen; dadurch sieht man die Welt mit seinem Blick, erlebt seine Gefühle; doch Dresen geht noch weiter, um in sein Inneres, in seinen Kopf zu blicken. Denn er lässt den Hirntumor selbst auftauchen, gespielt von Thorsten Merten, der in der Harald-Schmidt-Show interviewt wird und später schlagzeilenhaft in den Radionachrichten, gleich nach dem Nato-Russland-Verhältnis, vermeldet wird. Das ist von bitterer Komik die kein comic relief ist , mit diesen zarten poetisch-surrealen Mittel, das den Realismus des Spiels und der Erzählung durchbricht, erreicht Dresen eine Maximierung der Einfühlung: weil beide Ebenen ineinander gebettet sind und nicht gegeneinander stehen.
Eine Ärztin für häusliche Pflege auch sie von einer echten Home-Care-Ärztin durchaus nicht laienhaft, sondern höchst wahrhaftig gespielt ist die positive Kraft des Films, die mit Pragmatik und Mitgefühl die schwere Zeit zu meistern versteht, die beisteht und hilft. Sie weiß: Es wird immer schlimmer werden in der Tendenz, mit Schwankungen zum Besseren und Schlechteren. Und sie weiß: Man darf das Sterben nicht verbergen, auch wenn es für alle unerträglich scheint. Wenn er jetzt ins Hospiz kommt, werden die Kinder das Sterben immer mit Schreien, Schmerzen und Qual verbinden, sagt sie nach einer der schlimmen Nächte von Frank Lange. Sie werden ihr Leben lang Angst vor dem Sterben haben, weil sie erfahren, dass der Patient dann wegkommt und man ihn erst tot wiedersieht. Dresen holt auf seine Art, durch seinen Film, das Sterben aus der dunklen Ecke. Und ja: Indem sich der Zuschauer selbst in die Situation hineinprojiziert, und indem man dieser Sterben ungeschönt miterlebt, kann man tatsächlich so etwas wie Trost empfinden.
Fazit: Ein Film vom Tod, vom Sterben, der nie in Sentimentalität und Melodramatik verfällt, sondern realistisch, mitfühlend, einfühlsam den Prozess des langsamen Schwindens eines Menschen zeigt.